„Zivilisation und Barbarei: Versuch über die Juden, Israel, den Nahostkonflikt und die Deutschen“, so heißt das neue Buch von Peter von Mundenheim, und es ist ab sofort als E-Book und auf Papier bei amazon und im Buchhandel erhältlich.
Den Untertitel „Versuch“ hat PvM mit Bedacht gewählt. Dass die Sache als ein Versuch dastehen solle, und dass der Untertitel das sagen solle, hat er schon erklärt, da war der Haupttitel noch in der Schwebe. Und die Lektüre bestätigt: der Text verlässt die ausgetretenen Pfade der Diskussion, der Leser ist eingeladen, dem Autor hinaus in unbegangene Gelände zu folgen.
Leser dieser Seite haben Teile der Untersuchung schon kennengelernt. Da das Buch nun veröffentlicht ist, sind die Vorveröffentlichungen auf dieser Seite (und auch die entsprechenden Hinweise auf facebook) entfernt worden, und es werden auch keine weiteren folgen, wer also wissen will, wie die Argumentation des Verfassers „ausgeht“, der muss das Buch käuflich erwerben, schließlich, Autor und Verlag hatten die Arbeit, nun wollen wir unsere Kohle.
Für Abonnenten von „kindle unlimited“ jedoch ist die Lektüre, wie bei all unseren Veröffentlichungen, im Abonnement enthalten.
Peter Flamm (PF) hat sich mit Peter von Mundenheim (PvM) zusammengesetzt und ihn über seine Arbeit befragt.
Der Text wirkt enorm dicht und konzentriert, kein Wort zuviel, kein Wort zuwenig. Du scheinst intensiv daran gearbeitet zu haben –
Tu ich eigentlich immer. Ich halte nichts vom Zeilenfüllen. Wer etwas zu sagen hat, soll das schnell und konzise tun. Immerhin lege ich dem Leser ein paar Sachen vor, die man so noch nicht zu hören bekommen hat – es sei denn, man hat den „Gesang vom Heiligen Kind“ gelesen, da werden viele von den hier vorgetragenen Motiven bereits ausmusiziert –
– aber eben in Romanform. Dies hier ist ein Versuch, ein Essay also, der die Wirklichkeit anspricht, unsere aktuelle Wirklichkeit. Du willst dich demnach einmischen —
Oh, bitte. Dass der Schriftsteller sich kritisch einmischen solle in das politische Geschehen, die Wirklichkeit kritisch begleiten, das ist das Geräusch der Doofen allerlanden. Davon halte ich überhaupt nichts. Schon dieser verblödete Begriff von „Wirklichkeit“ – was soll das sein? Seine Wirklichkeit hat ein jeder selber. Er bestimmt sie übrigens nicht: sie drängt sich ihm auf. Beliebigkeit gibt es da nicht, höchstens Verfallenheit an das Geander, das Vorschriften macht. So mancher kneift sich da zusammen und nickt: der Herr Lehrer, die lieben Eltern, die Obrigkeit, die Gemeinsamler da draußen, die Bevormunder und Besserwisser, die sagen mir, was die Wirklichkeit ist. So mancher geht mit diesem Gedanken in’s Grab, aber er verfehlt dabei seine Existenz, denn unsere Wirklichkeit ist uns mitgeboren, einem jeden mitgeboren seine persönliche Wirklichkeit, und eines jeden Lebensaufgabe ist es, diese unverwechselbare und unentrinnbare eigene Wirklichkeit zu begreifen und auf den Begriff zu bringen. Wenn jemandes persönliche Wirklichkeit sich sehr stark von der durchschnittlichen Wirklichkeit unterscheidet, wie sie von der Gemeinsamlerei seines Zeitalters als Normwirklichkeit vorgetragen wird, hat er gut damit zu tun, seine eigene Wirklichkeit in ihrer Fremdartigkeit überhaupt erst einmal in den Blick zu bekommen. Aber erspart bleibt ihm das nicht, da ist IHRE Stimme in ihm, IHRE weiße Stimme, die drängt unaufhörlich und flüstert, ICH habe dich geschaffen, du bist MEIN Kind, mit deiner Wirklichkeit habe ICH dich geschaffen, nun sieh zu, dass du deine Wirklichkeit erfährst. Das Geschäft des Schriftstellers ist es ganz sicher nicht, die angemaßte Normwirklichkeit des Zeitalters „kritisch zu begleiten“, sondern vielmehr, eine mögliche Wirklichkeit mit allen Farben zu malen, die er auf seiner Palette hat, und der Leser soll sich, wenn es ihn interessiert, auf dieses Gemälde einlassen, und dann fragen, sehen die Dinge in meiner Wirklichkeit genauso aus? unterscheiden sie sich? stehen sie im Kontrast zu dem, was ich da gelesen habe? Der Leser soll lesen und dann anfangen, selbständig zu denken. Der Text soll der Felsen sein, an dem der Giftmut der Bevormunder zerschellt. Wer weiß, vielleicht steht der Leser unter Belagerung der Bevormunder, dann kann ein solcher Text ihm auch zur Zuflucht werden. Nicht weil der Text ihm „Wahrheit“ kündet, sondern weil er eine ungedachte Welt malt, und den Leser einlädt, mitzukommen und versuchsweise sich in dieser ungedachten Welt heimisch zu machen. Das, und nur das ist der Zweck von Literatur: Literatur ist nicht dazu da, Welt zu schildern, Literatur ist dazu da, Welt zu mehren. Literatur soll bilden, nicht abbilden. Literatur fügt der Welt neue Welten hinzu. Literatur malt, was noch niemand gesehen hat, und der Leser soll sich auf dies Gemälde einlassen, nicht als auf eine geoffenbarte Wahrheit, sondern als auf eine existenziale Möglichkeit, und wenn er in diese Möglichkeit eintaucht, vielleicht sogar mit Haut und Haaren, sich richtig darauf einlässt, um nachher, erwachend, in seine eigene Wirklichkeit zurückzukehren – dann sieht er seine Wirklichkeit vielleicht mit neuen Augen, dann sagt er sich vielleicht: Ich bin durch diese Lektüre ein anderer Mensch geworden.
Steiler Anspruch —
Ja. Aber ein Anspruch, den ernstzunehmende Literatur seit jeher erhoben hat. Wohlgemerkt, ich habe nichts gegen Gebrauchsliteratur. Aber es gibt eben diesen erratischen Kosmos der Literatur, da werden neue Welten geschaffen. Wir wissen alle als Leser, dass wir einen unglaublichen Gewinn davon haben, wenn wir durch das Portal eines solchen Textes hinübertreten in eine nie geahnte Welt.
Oh ja. Und dein Anspruch an dich selbst —
Auf Teufel komm raus, ich will nicht abtreten, bevor mir nicht wenigstens ein paar Sätze gelungen sind, die vor mir noch niemand gesagt hat.
Du willst provozieren, verblüffen?
Nein, will ich nicht. Dazu müsste ich beim Schreiben an den Leser denken, und das tue ich nicht. Niemals. Nun ja, doch. Zuweilen bastle ich beim Revidieren Sätze neu, wenn ich nämlich denke, die könnten missverstanden werden. Verkehrter Rhythmus, undeutliche Perspektive, solche Dinge passieren, ich spreche gerne heraus aus der Perspektive eines Protagonisten, und da sollte für den Leser immer klar sein, redet hier der Autor, oder redet der Autor in der Persona einer der Figuren? Aber davon abgesehen, denke ich nicht an den Leser. Ich schreibe nicht, um irgendjemandem zu gefallen, um irgendjemanden zu provozieren oder zu kränken, ich – ja, ich versuche, in jedem Text eine neue Welt aufzubauen, und die Frage, ob die irgendjemandem gefällt oder nicht, existiert einfach nicht für mich.
Was die Welt von „Zivilisation und Barbarei“ ist, steht im Untertitel: Versuch über die Juden, Israel, den Nahostkonflikt und die Deutschen. Warum? Warum dieses Thema? Sowohl im „Gesang“ als auch in „Weldbrüggen“ ist viel von Juden und jüdischer Mythologie und jüdischer Lebenswirklichkeit die Rede, warum? Was bewegt dich an dem Thema so?
So richtig weiß ich das selber nicht. Lass es mich einfach so formulieren: Ich habe nie das Gefühl gehabt, auf diesem Planeten zu Hause zu sein. Mir ist auch oft genug gesagt worden, was willst du eigentlich hier, du hast hier nichts zu suchen, und mein Gedanke war dann immer, achselzuckend, macht doch was ihr wollt, es ist euer Planet, nicht meiner, macht euren Dreck alleine. Und dann wieder habe ich Stunden, da denke ich, dies ist sehr wohl mein Planet, ich habe das Recht, hier zu sein, wie jeder andere, ich habe das Recht und vielleicht sogar die Pflicht, mir meine eigenen Gedanken zu machen. So. Seit ich ein Kind war, habe ich mitbekommen, die Juden sind die, denen von allen Seiten gesagt wird, ihr seid hier fehl am Platze, ihr habt hier nichts zu suchen, es ist ein Unglück, dass es euch gibt, was fällt euch eigentlich ein. Und die Juden haben immer geantwortet: Dies ist unsere Erde, G’tt hat sie uns gegeben, wir haben ein Recht, hier zu sein. Und wenn ich das gehört habe, habe ich sofort und aus dem Stand heraus Partei ergriffen, für die Juden, immer. Ich muss noch ein kleines Kind gewesen sein, noch nicht einmal in der Schule, da habe ich gehört, dass es Juden gibt in der Welt, und da ich ein Deutscher bin und in Deutschland aufgewachsen, habe ich mit dem Frühesten mitbekommen, was den Juden von uns Deutschen angetan worden ist. Ich habe Partei ergriffen, ohne einen Augenblick zu zögern.
Weißt du, warum?
Sicher. Ich habe es im „Gesang“ geschrieben, und jetzt, in diesem „Versuch“ wieder: IHRE Stimme, IHRE weiße Stimme.
Ich traue mich vorherzusagen, dass dein fleißiges Reden von IHR und IHRER Stimme in bestimmten Quartieren nackte Wut auslösen wird.
Oh ja, bitte, bitte.
Du hast jetzt den „Gesang vom Heiligen Kind“ mehrfach erwähnt. Dabei redest du sonst viel häufiger über „Weldbrüggen“. Eigentlich seltsam, denn der „Gesang“ ist doch zweifellos dein Hauptwerk. Warum bist du da so schweigsam?
Blanke Panik. Der „Gesang vom Heiligen Kind“ ist der von meinen Texten, vor dem ich mich wirklich fürchte. Schon deshalb, weil er mich beinahe umgebracht hätte. Ich hab zwar schon gelegentlich behauptet, das sei „Weldbrüggen“ gewesen, aber „Weldbrüggen“ war nur ein Nebenwerk gewesen, ich hab „Weldbrüggen“ nebenher geschrieben, während ich am „Gesang“ gearbeitet habe, über Jahre hinweg hab ich jeden Tag spätestens ab zwei Uhr morgens am Schreibtisch gesessen, um voranzukommen, bis endlich meine Nieren aufgegeben haben, die waren wohl mein schwacher Punkt, und als ich in die Klinik eingeliefert wurde, hatte ich noch eine Überlebenschance von zwanzig Prozent, und mir wurde gesagt, wäre ich nur drei oder vier Stunden später gebracht worden, wäre nichts mehr zu machen gewesen. Also bitte ich um Verständnis, wenn ich vor diesem Text in der Furcht des Herrn stehe. Aber darum geht es noch nicht einmal in erster Linie. Punkt ist, im „Gesang“ stehen tausend Dinge, von denen habe ich nichts gewusst, bevor sie nicht plötzlich auf dem Papier standen. Ja, ich bin derjenige, der die Tasten gerührt hat. Ich bin der Autor, und vor dem Gesetz der Urheber. Aber ich habe nach Diktat geschrieben, sorry, ich kann es nicht anders ausdrücken. Nichts, was ich jetzt in „Zivilisation und Barbarei“ geschrieben habe, hätte ich schreiben können, wenn der „Gesang“ nicht für mich geredet hätte. Ich hab den nicht geschrieben. Ich hab bloß zugehört und mitgeschrieben. Glaub mir, das ist ein Erlebnis, das steckst du nicht so einfach weg. Manches im „Gesang“ ist auch quälend autobiographisch, insbesondere, was die einlässliche Diskussion der deutschen Unwirklichkeit und Unwirtlichkeit anbelangt. Die Lügenwelt, die wir Deutsche abstreitend nach dem Krieg aufgebaut haben, verhindert bis heute, dass wir einen wirklichen Kontakt zur Wirklichkeit herstellen, wie sie wirklich ist. Das habe ich in diesem „Versuch“ bündig zusammengefasst, im „Gesang“ ist es breit dargestellt.
Es ist offensichtlich, dass dich das Thema bis in den innersten Kern hinein bewegt.
Wie auch nicht. Die größte Lüge wäre doch zu sagen, also der Nahostkonflikt, das ist einfach bloß Politik, ein politisches Problem. Ist es nicht. Es ist auch nicht bloß ein moralisches Problem —
Du sagst es wieder und wieder: es ist ein metaphysisches Problem.
Unser ganzes Existieren hängt davon ab, dass wir das auf die Reihe bekommen. Unser Verhältnis zu den Juden, zu Israel, unsere Einstellung zum Nahostkonflikt formt und bedingt unser ganzes Dasein in der Welt. Die Wirklichkeit stellt an uns einen moralischen Anspruch, nämlich sie so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist. Solange wir uns ihr nähern mit diesem idiotischen Aufklärungsgeglaub, das uns versichert, nun gelte es die Selbstermächtigung des Menschen, Wirklichkeit sei gar nichts, „Narrative“ seien alles, solange haben wir nur einen Schritt zu der Überzeugung, wir hätten das Recht, existenzielle Probleme unserer Wirklichkeit mit Massenmord zu lösen. Das „Projekt der Aufklärung“ hat als Fluchtpunkt immer und überall die Genickschussanlage, das wollen wir unter keinen Umständen wahrhaben. Das „Projekt der Aufklärung“ scheitert immer und immer an der Klippe der Wirklichkeit, und SIE hat offenbar nicht vor, uns zu Gefallen IHRE Wirklichkeit zu ändern. Statt das einzusehen, suchen wir nach Schuldigen für unser Versagen, und üblicherweise sind das die Juden. Zum Schluss bleibt in unseren verwesten Aufklärungshirnen immer der eine Gedanke, diese Juden, die alle kaltmachen, dann wird das Paradies auf Erden. Wird es garantiert nicht.
Du entwirfst in dem Text so ganz nebenbei eine kurze Theorie der Moderne. Du stellst gegenüber Moderne und antimoderne Revolte —
Die Moderne ist die Moderne des Marktes, freien Marktes der Gedanken und der Waren, und der Moderne steht als Todfeind gegenüber die antimoderne Revolte des Plans. Die Moderne des Marktes rechnet mit einer völlig unvorhersehbaren Wirklichkeit, in der jeder Tag neu aus IHRER Hand kommt. Die antimoderne Revolte hat den Plan, den finalen, unwidersprechlichen Plan, der die vorhersehbare Welt schafft. Der Plan, das ist „Mein Kampf“, „Das Kapital“, „Der Koran“. Die antimoderne Revolte tritt in immer neuer Kostümierung auf, gleich ist immer das Ende im Massenmord, denn die antimoderne Revolte läuft immer auf an der Klippe der Wirklichkeit, der Plan scheitert immer, und niemals kommt die Revolte zur Einsicht, vielmehr sucht sie Schuldige für ihr Scheitern, und die sterben dann zu Millionen. Israel und die Marktstaaten dieser Welt sind die Vertreter der Moderne, Nazis und Kommunisten und Islamofaschisten —
Du redest von „Bartbrüllern“ —
Ganz recht, die sind die Vertreter der antimodernen Revolte.
Deine Perspektive wird dann apokalyptisch —
Die Aussichten sind apokalyptisch, und das ist kein Spaß. Wenn wir Europäer Israel aufgeben, geben wir uns selber auf. Wir sind die Moderne, wir sind die Zivilisation, unsere Gegner, die Nazis Kommunisten Linksisten Islamofaschisten sind die antimoderne Revolte, also die Barbarei, und wenn wir untergehen, geht mit uns die Zivilisation unter auf dem Planeten Erde. Wir haben nicht nur das Recht, uns zu verteidigen, wir haben die Pflicht. Die linksistischen Vertreter der antimodernen Revolte sprechen uns und Israel jedes Recht zur Selbstverteidigung ab, sie beschuldigen den Markt, an dessen Genüssen sie doch aus vollen Backen mampfen, das Krebsübel des Planeten zu sein, erst wenn der Markt beseitigt ist, so versichern sie, haben wir noch eine Chance, den Planeten zu retten, vor der marktverursachten Klimakatastrophe zum Beispiel. Der Schulterschluss zwischen Linksisten und Bartbrüllern wäre ganz unverständlich, wenn man sich nicht klarmacht: die sind Vögel gleichen Gefieders, Vertreter der antimodernen Revolte, Todfeinde des Marktes, zumal des freien Marktes der Gedanken.
Du siehst das nicht kalt von außen —
Niemand, der bei gesunden Sinnen ist, kann das kalt von außen sehen. Die absurde Seinsvergessenheit, mit der wir Deutschen zusehen, wie die Bartbrüller im Schulterschluss mit den Linksisten durch unsere Straßen toben und fordern, die israelischen Juden in’s Meer zu treiben – dabei still zu bleiben – das überfordert meine Kräfte.
Still geblieben bist du wahrhaft nicht. Wir haben die Vorveröffentlichungen deiner Texte jedes Mal auch auf facebook angekündigt, mit der Folge, dass facebook mir mitgeteilt hat, in maulendem Ton, sie würden unsere Seite den „Usern“ nicht mehr empfehlen, da wir die „Standards“ nicht einhielten, ernsthaft, so ist mir das mitgeteilt worden, ohne nähere Erklärung, nur, wir würden die „Standards“ verletzen. Wörtlich: „Dein/e Page Peter von Mundenheim hat gegen die Regeln verstoßen und wird daher momentan niemandem vorgeschlagen. Hallo Peter, Alle Inhalte auf Facebook müssen unseren Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards entsprechen. Dies sind unsere allgemeinen Regeln gegen sexuelle, beleidigende, vulgäre oder hasserfüllte Inhalte. Um dich für Empfehlungen zu qualifizieren, musst du das Problem beheben oder eine Überprüfung beantragen.“
Noch mal. Was? „Sexuell beleidigend vulgär hasserfüllt“? Endlich weiß mal jemand meine wahren Werte zu würdigen! Nach all den Jahren!
In der Tat … kaum hatte ich vor Veröffentlichung von „Zivilisation und Barbarei“ die Hinweise auf die Vorabdrucke aus facebook entfernt, erhielt ich die Nachricht, wir seien wieder im Geschäft. „Super! Deine Seite kann empfohlen werden. Achte weiter darauf, dass deine Seite sicher moderiert wird. Wir empfehlen deine Seite jetzt Personen, von denen wir denken, dass sie ihnen gefallen wird. Mit Moderation Assist können anstößige und beleidigende Kommentare verhindert werden. Aktiviere Moderation Assist. Poste anregenden Content auf deinem [sic] Seite, um deine Zielgruppe zu vergrößern und die Berechtigung zur Monetarisierung zu erhalten. Bau deine Seite weiter aus. Sorg dafür, dass es auch zukünftig keine Verstöße gibt. Achte auch weiterhin auf hohe Standards“, so hieß es wörtlich, und man wäre bei facebooks vermutlich gekränkt – falls die überhaupt etwas denken – wenn ich nun sagte, dass ein anderer Grund für diese Handlungsweise als nackter Antisemitismus kaum denkbar ist, schließlich, deine Ausführungen sind radikal pro-israelisch und pro-jüdisch, sie wurden von facebook als so anstößig markiert, dass die Seite, die unter deinem Namen läuft, aus der öffentlichen Sichtbarkeit rausgezogen wurde, und kaum waren die einschlägigen Texte entfernt, wurde die Seite wieder in die Sichtbarkeit gehoben.
Also bitte, damit ist bewiesen – ich meine – du hast das nicht etwa erfunden?
Würd ich nie machen. Ich hab Screenshots und Kopien von der Sache. Der Text war noch mit Links garniert, die hab ich jetzt natürlich weggelassen.
Okay, damit wär also bewiesen, dass das Vollpfosten sind. Jeder mit dem zweiten Vornamen „Horst“. Ich hab von vornherein gesagt, das war ein Fehler, diese Seite auf facebook aufzumachen. Es ist unwürdig, von so einem Verein aus Knallchargen abhängig zu sein. Die sind ja mitleiderregend!
Wir brauchen Leser —
Die finden wir auf facebook garantiert nicht. Wer sich mit so einem Verein handgemein macht —
Ist ja alles auch egal, beruhige dich wieder, dein Text ist jetzt jedenfalls in der Welt.
Du hast recht, darauf kommt es an. Ich wollte einmal eine Lanze für die Juden und Israel brechen, und das hab ich getan. Was jetzt wird, das liegt nicht in meiner Macht. Mir geht es da wie allen Eltern: ich hab das Kind großgezogen, es ist hinausgegangen in die weite Welt, nun muss es zusehen, dass es auf eigenen Füßen steht.
Und amazon, das sollte doch noch gesagt werden, hat den Text anstandslos auf seinen „marketplace“ übernommen.
Das ist doch anerkennenswert.
Finde ich auch. Eine letzte Frage noch. Der Untertitel deines langen Essays lautet: Versuch über Israel, die Juden, den Nahostkonflikt und die Deutschen. Um uns Deutsche, darum geht es. Kannst du dazu noch ein paar Worte sagen?
Wir Deutsche sind mit dem Holocaust in einen moralischen und kulturellen Abgrund gestürzt ohnegleichen. Wir haben in achtzig Jahren aus diesem Abgrund nicht wieder herausgefunden, wir sind gestürzt in den Orkus der Mittelmäßigkeit und des aufwendig orchestrierten Dumpfbackentums, das als äußerste kulturelle Leistung das dumpfbacke Autogebaue kennt und darüber hinaus das noch dumpfbackere Fußgeballe, das habe ich ja geschrieben, und mit der Frage, kommen wir aus diesem Tal jemals wieder hinaus? habe ich den „Versuch“ ja auch beendet. Doch, ich glaube, es gibt einen Weg, aus diesem Tal wieder herauszukommen. Es könnte für uns Deutsche einen Weg geben, wieder eine Kulturnation zu werden. Der Weg steht eigentlich sperrangelweit offen, ist uns allen seit dem Kriegsende bekannt und bewusst, und dennoch haben wir in achtzig Jahren nichts anderes getan, als diesen Weg zu verleugnen. Der erste Schritt auf diesem Weg – und ist der erste Schritt eines langen Weges erst einmal getan, so ist ja bekanntlich wenigstens die richtige Richtung schon einmal gewonnen – der erste Schritt also auf diesem Weg bestünde darin, dass wir endlich ein und für alle Mal eingestehen, was wir getan haben, und dass wir das waren, und nicht „die Nazis“. Der Holocaust, das waren die Nazis, wir doch nicht – ist unsere grundsätzliche und über die Jahrzehnte und über die Generationen aufrechterhaltene Lebenslüge. Die Wahrheit lautet: der Holocaust, das waren wir, denn wir waren und sind die Nazis. Wir haben die nazistische Revolution, als da bestand und besteht in der Machtergreifung der Dumpfbacken, niemals rückgängig gemacht. Im Gegenteil, wir haben sie durch die erneute Revolution von 1968 bestätigt und vollendet. Seither gilt die Autokratie des Dumpfbackentums in Deutschland als Grundlage unserer staatlichen und gesellschaftlichen Existenz, Grundgesetz, das verlangt, alles Außerordentliche Brillante Außergewöhnliche Exzellente, als dessen bewuteter Inbegriff „der Jude“ gilt, müsse planiert und ausgerottet werden, weil allein die Dumpfbacke Maßstab und Paragon aller Menschlichkeit sei und sein dürfe. Bevor wir uns dieser Wahrheit nicht stellen und die Machtergreifung der Dumpfbacken in Deutschland – unbeschadet dessen, was andere Länder tun – nicht rückgängig machen, wird es eine kulturelle Wiederauferstehung Deutschlands nicht geben.
Wie werden wir mit der deutschen Schuld fertig? Kann eine historische Schuld wie der Holocaust überhaupt jemals gesühnt, kann da was „wiedergutgemacht“ werden?
Ich glaube, ja.
Tatsächlich?
Ja. Historische Verbrechen, sie mögen so furchtbar sein wie sie wollen, können wiedergutgemacht werden, sonst wäre ein Weiterleben „schuldiger“ Völker ja ganz unmöglich. Ein Wiedergutmachen kann aber nicht aus einfachem Aussitzen und Zeitvergehenlassen bestehen, insofern verstehe ich dein Stutzen. Wiedergutmachung muss vielmehr konkret sein und sich an der Schuld orientieren. Die Toten können nicht wieder lebendig gemacht werden, und die Krokodilstränen heulen „Erinnerns“ nützen niemandem, wenn es bei dem „Erinnern“ bleibt. Für uns Deutsche ist der Weg zur Wiedergutmachung sehr einfach. Er besteht aus der Anerkenntnis, dass wir fortan, seit dem Holocaust, den jüdischen Deutschen und den Juden dieser Welt und speziell den Israelis jene schreckliche und unentrinnbare Loyalität schulden, wie sie zwischen Blutsverwandten und Liebenden besteht. Der Partner mag sogar Verbrechen begehen, der Gefährte wird ihm Unterschlupf gewähren und ihn nicht bei der Polizei verpfeifen und nicht vor Gericht gegen ihn aussagen. So werden und müssen wir fortan und für alle Zeit den Israelis sagen: Komme was wolle, wir stehen an eurer Seite. Ihr seid nicht wir, und wir sind nicht ihr, aber wir stehen zu euch, und wenn es hart auf hart kommt, stellen wir uns vor euch, aber wie es auch kommt, unser Platz ist an eurer Seite. Die Welt soll das wissen. Wer sich mit den Juden anlegt, legt sich auch mit uns Deutschen an, auf Tod und Leben. Wer an die Juden herankommen will, muss wissen: nur über unsere Leiche. Das ist der Weg. Das wäre der Weg. Statt dessen gehen wir bis auf den heutigen Tag den Weg entschwanzter Weibischkeit, als ob wir alle in zimperlichen Röckchen herumliefen, und versichern, wir stünden ja über den Juden, wir betrachteten die alle ja ganz objektiv von außen, ganz unparteiisch, ganz unparteiisch seien wir für eine Deesklalation des Nahostkonflikts, für eine Zweistaatenlösung, für Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen „Palästinensern“ und Israel, für Stimmenthaltung bei UN-Beschlüssen, für die Beschlusshoheit über Israel „internationaler Strafgerichtshöfe“. Statt energischer und unbeirrbarer Loyalität praktizieren wir also dieses inhumane und auf abstrakt-ausgedachten Prinzipien beruhende Menschenrechtsgewinsel und Völkerrechtsgeflenn, das noch keine Problemlage zu lösen geholfen hat, und bilden uns auch noch ein, damit bewiesen wir unsere überlegene moralische Exzellenz. Moralischer Wandel beruht aber nicht auf ausgetüftelten Prinzipien, moralischer Wandel beruht auf Konkretion und Wirklichkeit. Aus unseren Verbrechen ergibt sich keineswegs die Verpflichtung, dass wir uns künftig unter erhabenem Nasewittern ausschließlich an hehren Grundsätzen orientieren. Aus unseren Verbrechen ergibt sich vielmehr die unumgehbare Verpflichtung, dass wir fortan jenen Menschen, jenen konkreten und wirklichen Menschen und ihren Nachkommen, die wir zu unseren Opfern gemacht haben, in allen Lagen unbeirrt beistehen. Wir müssen unbeirrt und unbeirrbar an der Seite Israels stehen, komme was wolle, das ist die Aufgabe, die sich aus unseren Verbrechen ergibt. Das ist unsere Schuldigkeit, die sich aus unserer Schuld ergibt. Kommen wir dieser Aufgabe und dieser Schuldigkeit nach, dann, und nur dann, können wir eines Tages auch wieder mit erhobenen Köpfen durch die Weltgeschichte laufen und sagen, wir sind Deutsche, wir haben unnennbare Dinge getan, wir haben diese Dinge gesühnt durch konsequentes werktätiges Handeln, über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Und wenn der Tag kommt, da wir das sagen können, haben wir auch eine reale Chance, aus unserem moralischen und kulturellen Absturz wieder herauszufinden. Vielleicht nicht schon morgen, aber absehbar. Welch ein erlösender Anfang wäre gemacht durch einen einfachen Politikwandel! Wir könnten heute schon sagen, heute Nachmittag schon, was, heute Vormittag schon: Von jetzt an, in welcher Lage auch immer, bedingungslos an der Seite Israels, bedingungslos und bedingungslos unterstützend. Und dass wir fortan jeden, wirklich jeden, wer auch immer, der sich an jüdischen Deutschen vergreift, erbarmungslos auf’s Haupt schlagen, das versteht sich von selber. Juden, so lautet die Aufgabe, unsere Aufgabe! sollen fortan in Deutschland so sicher und gewiss zu Hause sein wie in Israel, denn wir werden jeden Einzelnen von ihnen verteidigen mit Zähnen und Klauen. Sollte nicht so schwer sein. Der einfache Entschluss genügt. Die Christen nennen das Metanoia – Buße, Umkehr. Aber man muss nicht Christ sein, um von einem falschen Wege zum rechten zurückzufinden. Entschließen wir uns, diesen Weg zu gehen, können wir mit Zuversicht sagen: Dort hinaus geht’s ins Freie.
Dank dir für das Gespräch.
(Das Gespräch mit Peter von Mundenheim führte Peter Flamm. Bleibt noch, die bibliographischen Einzelheiten nachzutragen:
Peter von Mundenheim: Zivilisation und Barbarei. Versuch über die Juden, Israel, den Nahostkonflikt und die Deutschen. Schauernheim: Verlag Peter Flamm, 2025. E-Book ISBN 978-3-946660-25-5, Paperback ISBN 978-3-946660-26-2. Druckausgabe 355 Seiten. Erhältlich bei amazon und im Buchhandel.
Amy Buchmüller, für das Lektorat des „Verlag Peter Flamm“, zuerst 11.04.25, Revision 15.06.25, kleinere Berichtigungen 07.07.25. © Verlag Peter Flamm, 2025)