Am 17. Mai 2023 war Peter von Mundenheim im Begriff, sich von dieser Welt zu verabschieden. Als er in das Klinikum Ludwigshafen eingeliefert wurde, hatte er noch eine Überlebenschance von 20 Prozent, zu achtzig Prozent lag er bereits unter dem Rasen. Die Ärzte und Mitarbeiter des Klinikums meinten jedoch, da geht noch was, und legten sich in’s Zeug.
Schon in den Tagen, bevor er starb, hatte PvM das lebhafte Gefühl, zwei Personen zu sein. Da war die eine Person, die krank im Bett lag, und die andere, irgendwie schräg drüber und dahinter, die dem Liegenden zuguckte, ohne besonderes Interesse, von oben her. Der muss jetzt was tun, sagte die zuschauende Person, und richtig, der Liegende berappelte sich, zog sich unter unendlicher Mühsal etwas an, wankte aus dem Haus und über die Straße, um bei der Nachbarin anzuklopfen, die ihm helfen würde. Der Zuschauer sah das alles, ganz deutlich, lebhaft, und dann sah er, dass der Liegende unter ihm noch immer im Bett lag, reglos, er hatte das alles nur geträumt, er hatte sich nicht bewegt, war nicht aufgestanden, hatte nichts getan, sich zu retten. Danach wurde es dunkel, der Liegende ging durch ein graues Land, ohne Ende und Grenzen, da waren Gestalten unterwegs wie geformt aus Nebel, oder Wolken, die griffen kraftlos nach ihm aus, und er ging weiter. Wieder erwachte er, und fand, dass er noch immer in seinem Bett lag, und der Zuschauer von oben her sagte, wenn der jetzt nicht aufsteht und was tut, ist die Sache gegessen.
Es gelang dem Liegenden jetzt wirklich, sich aufzuraffen. Er brauchte drei Stunden, um in seine Kleider hineinzukommen, er saß auf seinem Stuhl im Korridor und machte sich daran, die Schnürsenkel zuzubinden, dabei schloss er vor Erschöpfung die Augen, und als er sie wieder öffnete, war eine halbe Stunde vergangen, und die Schnürsenkel waren noch immer nicht gebunden. Er schaffte es hinaus aus dem Haus, hinaus auf die Straße, und da rettete ihm die Nachbarin das Leben, sie sah ihn über die Straße kriechen, schubste ihn ohne weitere Rückfrage in ihren Wagen und fuhr ihn zur Ärztin, eine Stunde später lag er auf der Intensivstation des Klinikums Ludwigshafen.
Er war noch immer zwei Personen, und die Person von oben her sah, ohne besonderes Interesse, wie der Liegende an zahllosen Flaschen und Schläuchen hing, unter leise piepsenden elektronischen Anzeigetafeln, einmal schiss er auch in’s Bett, ohne es überhaupt zu merken, und Pfleger kamen und machten alles sauber, die Dinge geschahen, wie sie geschahen, es war nicht der Rede wert.
Als er wieder zu sich kam, sagten ihm die Ärzte, es sei eine Sache von drei oder vier Stunden gewesen, dass er noch lebe, wäre er um diese wenige Zeit später eingeliefert worden, wäre nichts mehr zu machen gewesen.
PvM behielt für sich, dass er immer noch zwei Personen war und sich selber zuschaute.
Nach einiger Zeit durfte er die Intensivstation verlassen, wo jeder Herzschlag von einer überwachenden Maschine registriert wurde, und er wurde auf eine normale Station verlegt. Als er fragte, und er sah sich zu dabei, wenn er redete, er hörte sich reden, als er also fragte, wie lange er wohl werde bleiben müssen, bekam er gesagt, seien Sie froh, dass Sie überhaupt noch da sind, normalerweise überlebt einer sowas nicht.
Nun ja, der genaue Wortlaut war, seien Sie froh, dass Sie hier noch aufrecht zur Tür rauskommen, wir haben hier schon Zwanzigjährige gehabt, die sind mit sowas nicht von der Schippe gesprungen.
Wie auch immer.
PvM bekam seinen PC, er entsann sich nur mühsam des Prozedere, er öffnete den Text von „Weldbrüggen“, und seltsam, alles fiel wieder an seinen Platz. Er begann, an dem Text zu arbeiten, und solange er im Bett saß, auf dem Schoß den aufgeklappten Laptop, und an den Worten feilte, den Worten, die er kannte und die ihm doch fremd vorkamen, war er nicht mehr zwei Personen, er wusste plötzlich wieder, wer er war, er war der Autor von „Weldbrüggen“.
Wenn er nach einigen Stunden den PC zuklappte, versank er wieder in einen Nebel von Diffusität, er war noch immer diese zwei Personen, und fand sich nicht zurecht, und wenn jemand ihn anredete, musste er nachfragen, was gesagt worden sei, jedes Mal. Es wurde aber besser mit ihm, langsam, langsam, und er arbeitete an „Weldbrüggen“, die langen Tage und manchmal auch Nächte in dem Krankenhauszimmer, vor allem die endlosen Stunden, da er an der Dialysemaschine hing.
Er revidierte den kompletten Text, bis er sich sagen musste, besser kann ich’s nicht machen, so muss es jetzt eben bleiben.
Mit dem fertigen Text in seinem PC wurde er dann am 30. Juni 2023 aus dem Krankenhaus entlassen und nach Hause gefahren, ich lebe noch, dachte er, als er zwischen seinen Büchern stand, ich lebe noch, dachte er, als er hinaus in’s Dorf ging und über die Felder sah und den hohen Sommerhimmel sah, ich lebe noch, ich glaub das nicht.
Wenn er hinaus geht, muss er sich auf einen Rollator stützen, das wird noch eine Weile so bleiben.
Er wird ärztlich beobachtet, mit fürsorglicher Aufmerksamkeit, Blut wird abgezapft, Werte werden gemessen, die er nicht versteht, Medikamente sind einzunehmen, drei Mal in der Woche wird er abgeholt und zur Dialyse gefahren.
Und „Weldbrüggen“ ist in der Welt.
Verfügbar auf Amazon, als E-Book und auf Papier, auf Papier natürlich auch im Buchhandel.
Worum geht es?
Der Klappentext verrät: „Sie sind da, mitten unter uns. Gestalten, die sehen aus wie Menschen, sind aber keine. Wer sind die, was wollen sie, woher kommen sie? Sie beobachten uns. Die meisten Menschen sind ahnungslos, aber es gibt Auserwählte unter uns, die können sie sehen. In wachsender Panik beginnen die, einander von ihren Beobachtungen zu erzählen. Wer sind „die Besucher“, warum können wir die sehen, warum wir, und andere Menschen nicht, und was wird geschehen, wenn die Besucher merken, dass wir wissen, sie sind da, mitten unter uns?“
Jeder Leser darf den Roman lesen, wie er will, sagt PvM, jeder darf ihn in eine Kategorie stecken, die ihm am ehesten passt, metaphysischer Thriller, Esoterik, Literatur, Fantasy, außerirdisch Übernatürliches, vielleicht sogar young adult, eine Liebesgeschichte steckt übrigens auch darin.
Vor allem ist es auch eine Parabel über Religion. Es ist die Rede von Menschen, die in der wirklichen lebendigen Erfahrung stehen, Gott ist, oder jedenfalls, da ist wirklich eine andere Welt, eine jenseitige Welt hinter unserer Alltäglichkeit. All die alten Botschaften der Religionen und Märchen und Erzählungen, sie transportieren Wahrheit. Gott ist wirklich da. Diese Menschen geraten in Kollision mit der Mehrheit der anderen, die wissen, Gott, das gibt’s doch gar nicht, hat die Wissenschaft längst rausgekriegt, haha-hahaha. Es ist eine Sache der persönlichen Erfahrung, wer die Erfahrung gemacht hat, Gott ist wirklich da, wie soll er das den anderen begreiflich machen? Wenn fast alle Menschen blind wären, wird an einer Stelle gesagt, wie sollten die wenigen Sehenden den Blinden begreiflich machen, dass da oben ein blauer Himmel ist, erfüllt von unbegreiflichem Glanz? Es würde in der Sprache der Geburtsblinden noch nicht einmal Worte geben für „blau“, für „Licht“, für „Himmel“, und wenn die wenigen Sehenden hartnäckig blieben und nicht aufhören würden zu erzählen, würden die in den weißen Kitteln kommen und sagen, wir wollen euch doch nur helfen, denn die in den weißen Kitteln, die würde es auch in einer Welt der Blinden geben.
Darum geht es in „Weldbrüggen“. Es wird erzählt von einer Handvoll Personen, denen sich das Jenseits direkt in den Weg stellt, es starrt ihnen in’s Gesicht, und sie sagen, wir wissen, was wir sehen, was sollen wir jetzt bloß tun?
Aus dem Jenseits tritt auch heraus das Böse, das Urböse, und da gibt es andere Menschen, die beugen vor dem Bösen die Knie und rufen, du unser Herr und Gott.
Und die wenigen, die Gott sehen, ob sie wollen oder nicht, und wissen, Gott ist gut, und wir müssen das Gute tun, weil Gott wirklich ist und das Gute will, die verstehen auf einmal, sie müssen um ihr Leben kämpfen, mit all ihren schwachen Kräften, in einer Welt, die über ihnen zusammenzuschlagen droht.
Darum geht es in „Weldbrüggen“.
PvM sagt, er wusste beim Schreiben nie, was als Nächstes passieren würde, oder was seine Helden als Nächstes sagen würden, und nun ist der Text in der Welt.
Erhältlich bei Amazon, wie gesagt, als E-Book unter der ISBN 978-3-946660-28-6, auf Papier, 719 Seiten stark, unter ISBN 978-3-946660-27-9.
Wie üblich kann bei Amazon auch eine ausführliche Leseprobe eingesehen werden, jedenfalls ist es jetzt in der Welt, das Buch, sagt PvM, der Rest geht mich nicht mehr so viel an, ich lebe noch, ich kann es gar nicht glauben, ich lebe noch.
(Für Leser, die bis hierher durchgehalten haben, könnten auch interessant sein die Beiträge Bilder zu Weldbrüggen und als Leseproben Sex und Religion und Eine Muslima besucht eine christliche Kathedrale. Peter Flamm, am 13.07.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)
(Update 09.06.2025: Von dem überlangen Text hat der Verlag Peter Flamm im Frühjahr 2025 eine dreibändige Ausgabe herausgebracht, die einzelnen Titel lauten Erstes Buch: Die Dämonen, Zweites Buch: Fons Affluens, Drittes Buch: Vor der Morgenröte. Die einbändige Ausgabe ist noch im Handel, wir werden sie aber im Laufe des Jahres zurückziehen. Amy Buchmüller, als Lektorin des „Verlag Peter Flamm“, © Verlag Peter Flamm 2025)