Schaumnest

Entfaltung ist das Ziel der Welt, groß und vielgestaltig; und dann doch auch wieder das Versinken in die Einfachheit, in die Stille, den großen Ozean des Schweigend … wie wohltätig ist er.

Die Schilfwiesen flüsterten und rispelten, und da die Sonne hervorgekommen war hinter den Wolken, leuchteten sie grünkräftig und braun, und da und dort blitzte Schwarzwasser zwischen den Halmen.

Die schnarrenden und gluckernden Vogelrufe verstummten zu heimlichem Abwarten, wenn der trampende Gaul Guillaume mit seinem Leiterwagen und den vier Menschen mit ihren murmelnden Stimmen näherkam; und war er vorbei, so begannen sie ihr Sprechen und Zurufen von Neuem, es klang wie nachblickend, als tauschten sie Meinungen aus über die Eindringlinge.

Und Eindringlinge waren diese ja nun, auf dem erhöhten Straßendamm, in den nassen, endlosen Wiesen von Schilf, mit den seltenen Weidengebüschen; Eindringlinge, die unruhig um sich blickten, fast schuldbewusst, in der Angst, betreten zu werden auf verbotenen Pfaden.

Wassergeister hatten ihren Platz hier, über dem moorig gluckernden Wasser; nicht würde ihr Fuß es aufwühlen, nicht auch würde er versinken in trügerischer Erde; nein, blauer Geisterfuß würde schreiten über die Wasser, leichte Körper würden sich winden um die Schilfstängel, spielend, in schadenfroher, Streiche ausheckender Lustigkeit; und zum Abend würden hervortreten die Herren der Dämmerung, dass sich Scheu verbreiten würde über die Felder wie flacher Wind, unterm Abendhimmel, graubetonte Fernen.

Die Räder des Heuwagens knarrten und quietschten, das passte zu den Moorgeräuschen, dem Sumpfflüstern, den überfluteten Flächen mit ihrem währenden Murmeln; oh, sagten die Geräusche, wisperte das Schilf, wie noch besser würde es passen zu uns, führe der Wagen erst hinein in’s Gestrüpp, wie würde es gluckern, wie würde es murmeln, wenn der Kasten versänke langsam, mit röhrendem Pferd, mit schrillender Kehle, guckte ein Rad noch heraus, zuletzt, da würden siedeln die Algen, der grüne Schleim … wie würden wir sie umarmen, alle, die da kämen …

Aber der Weg war fest und sicher, so schien es den Fahrenden jedenfalls; tragen würde er sie hin zur Silberstadt, und zurück auch wieder, das machte die Festigkeit von Vautrins Straße, über die hatte sich aufgeschüttet ein Damm.

Wunderliche bunte Fische lebten im Stängellabyrinth der nassen Wiesen; blau und rot gestreift, leuchtend; nicht größer als handlang, doch mit wehenden Flossenfahnen, spitz ausgezipfelt, die hissten sie zu aufglühender Pracht, wenn sie sich begegneten. Im Frühling spien sie speichelumhüllte Luftblasen an die Wasseroberfläche, zwischen die Schilfstängel, bis ein schaumiges Nest entstand; dahinein legten sie die Eier, und das Männchen, schimmernd wie ein Edelstein, und kalt und gefährlich, bewachte die Brut, bis sie geschlüpft war. Und sie atmeten mit leise schlagenden Kiemendeckeln, wie alle Fische; von Zeit zu Zeit aber schwammen sie hinauf zum Spiegel und schöpften Luft, mit spitzem Mäulchen, so konnten sie atmen und leben in stehendem Gewässer, dumpf von der sonne durchglüht. Nur im Winter, wenn sie starr waren und kaum noch sich rührten, genügte ihnen der Atem, den sie aus dem Wasser zogen, so ertrugen sie es, wenn Eis ihnen den Weg an die Luft versperrte, ertrugen es und warteten auf den Frühling.

Hinten im Wagen, unbarmherzig vorangezogen von dem Gaul Guillaume, lag Oswald und lauschte dem Schnarren und Schnepfen, wie es hinter ihnen wieder aufsprang, sobald das Gefährt vorüber war … sie reden über uns, dachte er, nein, sie reden nicht, sie lachen, sie machen sich über uns lustig.

Sein Mund, seine Kehle waren trocken, aber der beißende Druck in seinen Därmen hatte nachgelassen, er fühlte, dass er wieder leichter Atem schöpfte, doch half ihm das nicht, die juckende und feuchtende Lust zu vergessen, die ihn so unziemlich quälte, das schwächlich-dicke Schwellen und wieder Vergehen, zuckend mit süßlichen Stichen.

Und dann sah er die Silberstadt. Es gab ihm einen eisigen Schreck, er hatte gerade, zum wievielten Male, verstohlen, mit spähendem Blick zu Roger hin, den Arm auf das lüstende Glied gelegt, um es zum Schwellen zu bringen, denn etwas Erleichterung verschaffte es doch, wenn schabende Bewegung dem Reiz zu Willen war, nur durfte man nicht wieder aufhören, das machte die Sache noch schlimmer, und irgendwie dachte Oswald, es möchte ihm gelingen, wenn er das linke Bein etwas weiter ausstrecke, damit Raum geschaffen werde in der Beinröhre, und wenn dann  dieser Roger nicht schaute, und er reüssierte, die Vorhaut zurückzuziehen von der Eichel, der empfindlichen Spitze, dass er sie reiben könne unter dem Hosenstoff, reiben und schaben mit gleichmäßiger Bewegung des obenauf gelegten Armes, und nachdrücken mit angespannten Bauchmuskeln – wenn er dies alles täte, dachte er, könne es ihm gelingen, den Reiz zum Großen Schwellen zu bringen, zum sehrenden Ziehen, bis sich die Spannung hineinsteilte in die begehrte Spitze und kräftig kontrahierende Erlösung brächte, hinausschießen ließe in mehrfacher Zuckung den milchigen Saft, den wunderlichen, oh, das müsste ihm gelingen, und mit angestrengt verzerrtem Gesicht gehorsamte er dem lüsternem Jucken und rieb und drückte, dass er es unter dem Unterarm sich steilen fühlte mit großer Energie, und heraus drängte die Kuppel, jawohl, jetzt gab kein Halten mehr, er fühlte es, er würde es tun, mit stoßender und zuckender Pracht, und wenn er dann die Nässe in der Hose hatte, was machte das schon, ein kleines Übel, nicht einmal auch nur daran zu denken tat Not, nur los jetzt, die Vorhaut blieb hängen unter dem spannenden Stoff, und die Frucht schwoll heraus, es rieb sich das empfindliche Fleisch zwischen Hose und Bein, das gab einen kaum mehr zu ertragenden Reiz, der vorwärts drängte, in großem Schwung, jetzt kein Halten mehr, vorwärts, vorwärts – und in diesem Augenblick sah er die Silberstadt.

Er hockte ja am Boden des Wagenkastens, sein Blick nach vorne war durch den Kutschbock und die Rücken der darauf Sitzenden behindert, so sah er die Türme und gleißenden Kuppeln erst, als sie ganz nahe und über ihnen waren, es schien, als seien sie plötzlich aus dem Boden gewachsen, Oswald blickte auf, und da hoben sie sich vor ihm, ragten empor über die Köpfe von Eramir und Aslan, Türme, mit den vielfach geschwungenen und gedrehten Rohren, den Plattformen, den Leitern, und weiter hinten, auch schon sichtbar, die widerspiegelnden Kuppeln der Ballons, das ganze Sichtfeld war ausgefüllt von silbernem Gewerk und Gestänge, und nicht nur vor ihnen, sondern auch nach rechts und nach links, bei Vautrin, wieso hatte er das nicht früher bemerkt, das war ja die Silberstadt, bitte nicht, sie … sie waren da!

Es durchfuhr ihn von oben nach unten wie Eise, dass er erstarrte, und für einen Augenblick zu atmen vergaß; das nächste, was er fühlte, war, dass sein Ständer abschwoll, mit unglaublicher Geschwindigkeit, oder vielmehr, das war keineswegs ein einfaches Abschwellen, das war ein aktives sich Zurückziehen, ein bescheiden flehendes sich Kleinmachen, und auf einmal fühlte Oswald nichts mehr unter dem pressenden Arm, er suchte nach mit tastenden Hand und fand nur noch angstvoll verschrumpeltes Gezipfel, und er schluckte und schnappte nach Luft.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 22.04.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)