Die Vögel fielen, in weiterer Entfernung, wieder in die Bäume ein, nur eine dicke Amsel schoss zeternd über die Kanone hinweg, als wolle sie vor einer Katze warnen, oder einer sonstigen Bedrohung.
„Machst du das immer?“ fragte Waldemar krähend und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Immer … bei Sonne natürlich“, antwortete der Uhrmacher. „Wenn ich sehe, dass das Wetter klar ist, so gehe ich hierher, stopfe das Gerät und richte die Linse aus, jawohl, das tu ich.“ Er bedachte sich und sagte dann: „Wartet nur hier, einen Augenblick.“
Er begab sich zu den Essigbäumen, zwischen denen ein schmaler, hoher Verschlag lehnte, mit spitzer Dachkappe, den öffnete er und entnahm ihm einen Besen, ein kräftiger und langer hölzerner Stiel war das, um dessen eines Ende ein pfropfartiges Strohkissen geschnürt war.
„Denn das Saubermachen ist wichtig“, sagte Bernhard erläuternd, er trug den Besen wie eine Treiberstange, mit der man sich stochernd einen wilden Stier vom Leibe hält, und die Jungen krähten und die Frauen hielten die Hände vor den Mund.
„Da gibt es nichts zu lachen“, meinte Bernhard gewichtig und führte das Besenende, das Strohkissen ein in die Geschützmündung, ganz hinein, zog wieder zurück, drückte wieder, schob reinigend und gleichmäßig hin und her –
Die Frauen wurden ganz andächtig.
Er verrichtete sein Werk sehr gefühlvoll, der Uhrmacher, versäumte auch nicht, den Besen stets in drehender Bewegung zu halten, beim Hin- und Herschieben … schließlich zog er ihn wieder heraus, und eine nicht unbeträchtliche Quantität Rußes wurde zu Tage gefördert, die hing im Stroh, zum Teil, zum anderen Teil rieselte sie in die Wiese unter der Geschützmündung, da mocht sie liegenbleiben.
„Nun“, sagte Bernhard, „und wenn morgen wieder die Sonne scheint, so werde ich sie auf Mittag laden, die Kanone.“
„Sag mir, was du als Pulver verwendest“, bat Grand Mère. „Ich möchte meinen, es war Kohle vom Faulbaum darin?“ Sie vermutete das, weil sie mit scharfem Blick das weiße Wölkchen bemerkt hatte, das abschließend der Kanone entquollen war.
„Ja“, antwortete der Uhrmacher, etwas überrascht. „Genau … ich sehe die Tiefe deiner Kundigkeit. Jam Holz vom Faulbaum, zu Kohle gebrannt, zu Pulver zermahlen, und Schwefel und Salpeter darunter gemischt …“
„Jaja“, meinte Grand Mère nachdenklich, „das dachte ich mir.“ Das Rezept kannte sie auch, mancherorts wird es von den Häuslern verwendet, um in der Nacht nach der Wintersonnenwende Böllerschüsse zu legen, als Ausdruck der Freude, dass es nun wieder aufwärts geht … wie man hörte, sollte es noch ein anderes Rezept geben, ein Pulver, das keinen Rauch erzeugte, aber Grand Mère hatte noch niemanden gefunden, der es ihr hätte verraten können.
„Ich glaube, ich sollte nun gehen, da es doch Mittag ist“, sagte Inge, etwas zögernd, sie erinnerte sich des Versprechens, das sie Elvira gegeben hatte, auch war es ihr unbehaglich, so lange Müßiggang zu treiben, am hellichten Tage … zum Erzählen und Reden und Betrachten hatte Vautrin den Abend vorgesehen, den Abend und das Herdfeuer, und solange das Tageslicht Raum zum Arbeiten schenkte, sollte man es nutzen … das war Inges Meinung.
„Du hast recht“, sagte auch Magdalena, „wir gehen und machen uns nützlich. Doch zuvor“ – sie wandte sich an den Uhrmacher – „sei bedankt für deine große Güte und Aufmerksamkeit, die du uns hast zukommen lassen, dass du uns zeigtest und wiesest aus dem großen Reichtum deiner Schätze und Wunder … nur der geringste Teil war, was wir sehen konnten, des bin ich gewiss … und groß und über alle Maßen erstaunlich ist die Kunst deiner Hände, nicht minder als der Witz deines Denkens, das Formen erzeugt zum Erstaunen …“
Der alte Uhrmacher wurde beinahe rot, rührend war das anzuschauen, und er fragte: „Ihr wollt wirklich schon gehen? Noch viel könnte ich euch zeigen …“
„Ja“, erwiderte nun auch Grand Mère, „viel zu tun ist auch für uns, um unsere Wagen und Tiere müssen wir uns kümmern, weißt du, und gewiss wird es deiner Tochter Elvira von Nutzen sein, wenn wir ihr zur Hand gehen.“
„Leben und große Freude bringt ihr in unser Haus“, sagte Bernhard höflich und verneigte sich, „so geht also, und seid gewiss, dass ich euch mit Bedauern verlassen sehe meine Werkstätten, denn selten findet man Gäste wie euch, von großer Aufmerksamkeit und schneller Gabe des Verstehens.“
Auch die Frauen verneigten sich zeremoniell, und die beiden Junge traten von einem Fuß auf den anderen, entsetzlich war das, diese endlosen Höflichkeiten der Erwachsenen, die konnten das ausdehnen – ! und schienen auch noch Spaß daran zu haben, sonst würden sie es doch kürzer machen!
Waldemar drängte sich an Grand Mère und fragte, mit einem Blick auf den Uhrmacher: „Dürfen wir noch hierbleiben? Vielleicht bekommen wir noch etwas zu sehen …“
„Jaja“, sagte Bernhard lächelnd, gerne zeige ich euch noch dieses und jenes, staunen werdet ihr, und manchen Gedanken zu denken haben, wenn ihr euch wieder auf den Weg macht, bleibt nur hier, ohnehin will ich keine große Arbeit anfangen allein, so lange mein Sohn und Gehilfe Eramir und mein Lehrling Oswald fort sind.“
Grand Mère wackelte mit dem Kopf und sagte: „So lassen wir die Kinder in deiner Obhut, Bruder Bernhard, und wissen sie wohl versorgt … und wir Frauen begeben uns zur Arbeit des Hauses, und der Gärten.“
Sie tauschten noch mancherlei höfliche Worte und Gesten, die Erwachsenen, und war des Verneigens und Grüßens kein Ende, dass die Jungen zu zappeln begannen, doch entfernten sich die Frauen endlich, und das arme Minchen musste wohl oder übel mitgehen, denn nun hatte sie keinen Vorwand mehr, bei den Jungen zu bleiben – sie wandte sich noch mehrfach um, als sie über den Rasen ging, und winkte zurück mit ihrem runden Kinderarm, bis sie zwischen den Bäumen verschwand.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 08.04.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)