Applaus

Im Augenblick, da sie aus dem Weidengebüsch heraus und auf den Weg traten, flog ein flirrender Schatten über die Hausdächer, den Fluss, die Baumwipfel, ein Tuch wurde irgendwo hinweggezogen, ein Schleier, und die Morgenfarben verdichteten sich und erzählten von der leuchtenden Welt des Mittags.

„Sieh an“, sagte Bernhard und blickte auf, er musste ein bisschen blinzeln dabei, „sieh an, die Sonne kommt durch.“

[…]

Eramir hatte sich gespannt erhoben, die Zügel in der Hand, und hinter ihm Roger auch, nur Aslan war sitzen geblieben.

Vor ihnen die Silberstadt, hochragend die Türme und Kuppeln, zum Greifen nahe.

Quer durch das Gelände, durch die Schilfwiesen und Weidengebüsche, die Silberstadt abtrennend, zog sich eine Grenzlinie aus sperrig-starren Streben, viel mochte aufrecht gestanden haben einst, war nun hingesunken, rostzerfressen, zerbissen von Wind und Wetter.

Ein Zaun. Rostflockig zerschmolzenes Metall.

„Fahren wir noch näher heran?“ fragte Eramir, in gedämpftem Ton, fast flüsternd.

Stille war über der Silberstadt, Stille zwischen dem zischelnden Gemurmel der Schilfwiesen, nur vereinzelt klang einmal ein knarrender Laut her von den Türmen, wie von alten, abgestorbenen Fichten, die noch aufrecht stehen, gewiegt vom Wind.

„Sicher“, antwortete Aslan gleichmütig. „Es wird keinen großen Unterschied machen.!

Oh, dachte Oswald, oh.

[…]

Es erwies sich, dass die Häusler den linken Anbau, Bernhards und Eramirs Werkstatt also, kunstvoll verändert hatten zu eigenem Gebrauch, transformiert von dem Zustand, den Vautrin verliehen hatte, zu neuer Dienlichkeit: mit seiner Breitseite stand der Ziegelbau den Höfen zugewandt, die vordere Hälfte (vom Wohnhaus her gesehen) anliegend dem Hühnerhof und der daran anschließenden Partie mit den Essigbäumen, die hintere Hälfte jedoch sich öffnend dem Gelände, auf die Kaufleute schon undeutlich hatten Bernhards Sonnenuhren ausmachen können. Und der Ausdruck „sich öffnend“ war angebracht: die Häusler nämlich hatten diese ganze hintere Hälfte des Hauses befreit von ihrer Frontwand, hatten an deren Stelle kräftige eichene Säulen eingesetzt, wohlbehauen, so dass also das niedrige Gebäude offen lag zum Hof hin mit den Sonnenuhren, offen und hell und luftig, säulengetragen das Dach.

Später zeigte Bernhard, dass schwere hölzerne Läden bereitstanden, des Winters oder sonst bei ungünstiger Witterung die wandlose Fläche zu verschließen, doch war leicht zu sehen, dass dieses Vorgehen harte Arbeit bedeutete, und mehr als einmal im Jahr ließen sich die Häusler dazu wohl nicht bestimmen. Es war ja auch schön, wenn man vom Freien aus direkt unters Dach trat und dort Schatten fand, doch immer noch das Spielen der Sommerluft, zwischen den Werkzeugen und Geräten und Tischen und Böcken.

Auch ein gemauerter Ofen fand sich, an der Rückwand (die hatten die Häusler unangetastet gelassen, ebenso wie die Seitenwände, doch schufen Fensteröffnungen Zugang dem Licht).

Wie bei dem hölzernen Wohnbau befand sich die Fußbodenanlage ein paar Stufen höher als die ebene Erde, und über die volle Länge der Säulenöffnung hatten die Häusler eine Treppe in’s Freie gelegt, das sah hübsch aus und irgendwie auch reich und überflüssig, die langen, hauslangen Stufen hinunterführend auf den Hof, dass man die Werkstatt zu jeder Stelle zwischen den Säulen betreten und auch wieder verlassen konnte, wie es einem gefiel.

Es gab sogar, so wies Bernhard, eine vorbereitete Holzschräge, eine schiefe Ebene, die sich über die Stufen legen und befestigen ließ, so dass schwere Lasten herab- oder hinaufgerollt werden konnten.

Klug angelegt war dies alles, und die Frauen spendeten ihren Beifall.

„Langer Jahre Arbeit steckt in deinen Häusern und Gärten“, sagte Grand Mère und sprach aus, was die anderen dachten, „doch macht sich die Geduld bezahlt, nun seht ihr den Erfolg eures Wirkens, Vautrin war mit euch …“

Die drei Frauen hatten sich neugierig Bernhard und den Kindern zugesellt, nur Elvira war ferngeblieben, werkte hinten im Obstgarten, und Inge hatte versprochen, nachzukommen und ihr zu helfen, wenn sie in der Werkstatt alles gesehen hätte, was sie interessierte. Es ging darum, die Netze über den Obstbäumen zu prüfen, die Netze aus feinem Garn, bestimmt, die Vögel zu hindern am Picken und Räubern.

„Geht nur und seht euch alles an“, sagte Bernhard vergnügt und rieb sich die Hände, es war genug von einem Künstler in ihm, dass ihn der direkte Applaus freute, mehr und wertvoller war das freudige Erstaunen auch der Unwissenden als der von weither, auf Umwegen, zugetragene Beifall der Kundigen … manchmal wenigstens, er wärmte das Herz.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 27.03.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)