Eluard war nun doch munter geworden, nach dem Frühstück; er stand neben Inge auf dem Hof, hielt sich an ihrem Bein fest, mit beiden Armen, die Wange gegen ihren warmen Schenkel gedrückt, wie es Waldemar bei Magdalena zu tun pflegte, und schaute zu, wie Wagen und Pferd gerüstet wurden.
Werkzeug trugen die Männer herbei, auf Aslans kluges Anraten, Hacken und Spaten und Äxte zumal, es könnte wohl sein, dass sie deren bedürfen würden, und keine Situation misslicher als die, ohne das nötige Gerät dazustehen. Die Häusler waren sehr zufrieden, an diese Maßnahme hätten sie nicht gedacht, wären einfach losgefahren, in’s Blaue hinein, es war doch gut, einen erfahrenen Mann unter sich zu haben, einen, der wusste, worauf es ankam.
Auf dem Hühnerhof begluckte der Hahn Robert seine Hennen. Er spreizte sich mächtig, plusterte sich und stolzierte, so viele Leute liefen dort herum auf dem Hof, alle waren sie da nur seinetwegen, ihn zu sehen, ihm schwoll der Kamm.
Eluard fürchtete sich vor dem bunten Tier mit den langen, sichelförmigen Schwanzfedern; es schaute so wachsam und so … so gehässig … und es stürzte sich auf jeden Fremden, wenn nicht einer der Häusler dabei war, Roger hatte das ja vorhin erlebt … und dann dieses Gekrähe!
Das bunte Tier war eben ein Mann, da war nur ein Wille: sich in den Besitz der Weiber zu setzen, und sie zusammenzuhalten, um sie bespringen zu können nach eigener Wahl …
Und alles, was sich bewegte, war ein Konkurrent.
So sind sie, die Hähne, und Eluard betrachtete ihn mit Missbehagen.
„Haben wir nun alles?“ fragte Roger, und prüfte noch einmal den Unterbau des Wagens, er traute dem Gefährt nicht recht.
Elvira brachte Decken herbei, und Hermine holte Säcke aus der Remise, Aslan hatte danach verlangt, Säcke konnten immer nützlich sein, man wusste nie, wozu man sie brauchen konnte, und dann dachte Grand Mère nach und gab den Männern auch Verbandszeug mit, die langen Leinenstreifen zumal, und sie hoffte, dass keine Not bestehen würde, sie zu verwenden.
„Ja“, antwortete Bernhard, „es scheint, ihr habt nun alles … wollt ihr mich nicht doch mitkommen lassen?“
Aber das war kaum eine ernstgemeinte Frage, und er wusste das auch.
[…]
Inge war unruhig vor dem Aufbruch, rang sogar die Hände, dann ließ sie Eluard einfach stehen und lief zu Roger.
Er schaute sie fragend an, und sie sah zu Boden, da war ein Satz, der nun gesagt werden musste, und sie fand die Worte nicht, nie waren die passenden Worte zwischen ihnen gefunden worden …
Worte und Sätze sind nicht anders als lebende Wesen: sie gleichen sich einander an, gesellen sich einander nach ihrer Art, und wo sich bestimmte Worte, bestimmte Sätze einmal angesiedelt haben, da werden die nachfolgenden auch nicht anders sein, sie müssen sich anpassen, Fremdlinge tragen das Risiko, beschädigt zu werden, verformt, sie klingen dann anders, als sie gemeint waren, das macht die Umgebung …
Inge wusste das, oder besser gesagt, sie spürte es an dem Widerstand, den der Satz ihr entgegenstellte, er wollte ihr nicht über die Lippen, wollte nicht in die Umgebung der anderen Sätze, die sonst zwischen ihr und Roger gewechselt wurden, und doch musste er heraus …
Mit einer fahrigen Handbewegung und einem unsteten, irrenden Blick, der Roger nur ganz kurz streifte und sich gleich wieder zu Boden richtete, sagte sie: „Pass auf dich auf, ja?“
Dann presste sie die Lippen zusammen, und ging fort, ohne Rogers Erwiderung abzuwarten, wenn er denn eine hatte.
Grand Mère hatte gehört, was gesagt worden war, und sie schaute nachdenklich vor sich hin und beschloss, die Sache zu erwägen, im Stillen, nachher, wenn sich die Zeit ergab; ja, das wollte sie tun.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 11.03.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)