Vor Frühstück

Bei Vautrin!

Waldemar gähnt, dass ihm die Kinnbacken knacken. Was war er noch müde!

Er hockte auf seinem Stuhl neben Eluard und beobachtete unter halb geschlossenen Lidern, wie die Frauen das Frühstück bereiteten, hin und her eilend geschäftig, besonders die kleine Hermine war munter und lebhaft, ungewohnterweise zu so früher Stunde, vielleicht machte das die Anwesenheit der Gäste; sie hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sich richtig anzuziehen, trug nur ein flatterndes Hemdchen, das ließ die süßen runden Beine sehen …

Eluard rührte sich und drückte sich tiefer in den Stuhl, er hatte die Augen fest geschlossen, doch schlief er nicht richtig, sondern lauschte mit halbem Bewusstsein nach draußen, woher die Stimme klang, die seltsamen Töne brechenden Glases, Elviras Stimme.

Früh, viel zu früh war Inge gekommen und hatte die Jungen geweckt und ihnen beim Anziehen geholfen; sie waren beide unwillig gewesen, unausgeschlafen, das wirkten die Aufregungen und die Länge der letzten Tage, oder vielleicht die Erzählungen des gestrigen Abends, oder beides zusammen, Inge jedenfalls musste alle Geduld und Mühe aufwenden, ihnen Hemd und Hose an den Leib zu bekommen, sie mochten kaum die Arme heben, dass sie ihnen die Ärmel überstreifen konnte, und war das erledigt, so schliefen sie beim Zuknöpfen einfach wieder ein.

Inges Nase hatte sich, vom Umfang her, bedeutend gebessert; doch wurden die Verfärbungen, grün und blau und braun, immer intensiver, teilten sich den Tränensäcken mit als schwere Schatten. Grand Mère hatte das alles prüfend betrachtet und abgetastet, obwohl Inge jammerte und sich zu wehren suchte; und schließlich hatte sie mit Erleichterung entschieden, nein, gebrochen sei da nichts, heil das Nasenbein, obwohl nicht viel gefehlt haben dürfte … Ruhe und kühlende Kompressen waren angezeigt.

Roger war nach draußen gegangen, zu den Ställen, um nach den Ochsen zu sehen, aber er machte kehrt und schimpfte, weil der Hahn Robert ihn, als Fremden, nicht über den Hof lassen wollte; so rief Elvira den schläfrigen Oswald, dass er Roger begleite, und er tat es, nachdem Hermine ihn aufmunternd in die wohlgerundeten Hüften gezwickt hatte.

Aslan und der alte Bernhard waren fort, waren wohl hinunter zum Fluss gegangen, und Eramir nickte flüchtig dazu, er stand draußen vor den Fenstern auf der Veranda, gegen das Geländer gelehnt, und spähte zur Silberstadt hinüber, wartend, dass sich die Morgennebel lichten würden und er etwas erkennen könne.

Die kleine schwarze Katze saß in einer Zimmerecke, seitab von der Tür, und schlabberte geräuschvoll und mit Genuss aus einer flachen Schale Milch, die hatte ihr Elvira gebracht … die kleine schwarze Katze war sehr zufrieden, schon gestern Abend hatte sie Milch bekommen, nun wieder, Fettlebe war das, besser als in Dietrichs Haus …

Eramir war kurz nach seinem Vater und Aslan aufgestanden und hatte die Kühe gemolken, normalerweise machte das der eine der beiden Klienten, aber die waren ja nun nicht da, und Eramir hatte kräftige Hände, die konnten die Arbeit wohl erledigen, besser als die des kleinen Oswald, dem fehlte es noch an Saft in den Knochen, er war eben noch nicht ausgewachsen, war noch kein richtiger Mann, außer vielleicht bei seinem Minchen im Bett, aber das war etwas anderes.

„So, jetzt könnten sie bald kommen“, sagte Elvira, im Gedanken an Bernhard und Aslan, denn das Frühstück war fertig.

Hermine setzte sich neben Eluard und Waldemar, zog ein Bein hoch, dass das Knie aufrecht stand, legte die Wange darauf und sah so die beiden Jungen lächelnd an, ohne etwas zu sagen.

Waldemar lächelte zurück und schwieg ebenfalls; so betrachteten sie sich eine Weile gegenseitig, das Mädchen aus dem Haus und der Junge vom Wagen.

Eluard merkte nichts davon, er war fest eingeschlafen.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 03.03.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)