Den düsteren den alle Horizonte mit seiner Nachtschwärze ausfüllenden Hintergrund lieferten die Gelände, da die Finsterwesen wohnten. Die Nacht- und Nebelregionen. Die Finsterwesen neideten den leuchtenden Lichtwesen ihre Gefühle ihre Reife ihre Kultiviertheit. Aus Neid suchten sie die Lichtwesen in ihre Finsternis hinabzuziehen. Sie fühlten sie wussten: diese Lichtwesen haben was, was wir nicht haben was wir niemals haben werden.
Sie brachten es nicht fertig, die Finsterwesen, einfach die Lichtwesen ruhig zu verehren. Einfach zu akzeptieren, dass sie selber die Finsteren waren, und jene die Lichten! Wäre doch schon alles gut gewesen! Aus ihrer Nacht heraus würden die Finsteren schauen in seliger Betrachtung die Lichten, und die Lichten würden tanzen und sich wiegen im Tag. Und sich drehen in der Beachtung und Bewunderung der Finsteren. Eigentlich war dies die naturgegebene Aufgabe der Finsteren. Die Lichten zu bewundern. Wollten sie nicht konnten sie nicht. Dazu hätten sie eines minimalen Anteils an der Reife bedurft, die den Lichten ganz selbstverständlich zu eigen war. Hatten sie nicht, die Finsteren. Nein. Wenn sie was nicht hatten, die Finsteren, dann war es die Reife, die Reife der Lichten, und infolgedessen dräute Finsternis in der Welt, die Finsternis der Finsterwesen. Finsternis, vor deren Hintergrund einerseits sich die Lichtdurchwirktheit der Lichten erst so recht abhob. Finsternis aber auch, die als ständige Drohung aus dem Hintergrund die Lichten zu verschlingen trachtete. Finsternis, in der die Finsterwesen wohnten.
Die Finsterwesen. Die Niedrigen. Die Unvollständigen. Die Hassdurchseuchten. Die Anderen. All jene eben, die Gefühle und Reife und Kultiviertheit vermissen ließen. Denen Gefühle und Reife und Kultiviertheit auch niemals zukommen würden. Äußerstenfalls vermochten sie sich aufzuschwingen zu der diffusen Ahnung, dort bei den Lichten, da sind Gefühle und Reife und Kultiviertheit. Die Ahnung weckte in den Finsterwesen regelmäßig aufspringenden Hass: und den Wunsch, die Lichten zu vernichten.
Die Finsterwesen. Die Mindermenschen. Die falsch Ausgerüsteten. Die Verdorbenen. Die Durchsudelten und Verseuchten. Die mit den niedrigen Anlagen dem vermischten Blut. Die Schlechtweggekommenen. Die Mediokren. Die mit der Rabies. Die mit der Ranküne, die mit dem Gift in den Adern. Die mit dem Neid. Mit dem schrägen Blick. Die Verstohlenen Verhohlenen, die Hinterhältigen.
Für die Stiefel waren das die Anderen, nämlich zuerst und zunächst jene, die sie speziell zu Anderen promoviert hatten, und nachher in geruhigem Rundumschlag alle Fremdvölkischen, schlechthin alle. Abgestuft, manche Fremdvölker waren nicht ganz so abgründig wie andere, aber finster waren sie alle. Dem glanzumkleideten Wir stand gegenüber die heule Dunkelmasse aller NichtWirs. Ungeheure, brodelnde Masse, geboren aus dem Bauch der Kontinente. Und wie die sich vermehrten! Wie die Insekten. Ungeziefer. Bereit, die erlesene Minderheit der Lichtmenschen zu verschlingen, zu ertränken. Vornehm und edel sind immer nur die von der geringen Zahl.
Für die Taschen, muss ich das noch sagen, waren die Lichtwesen die Frauen, und die Finsterwesen die Männer. Alle Männer. Schlechthin alle. Modell von anmutiger Schlichtheit, im täglichen Umgang jederzeit verwirklichbar, denn die Männer und die Frauen, das konnte man überall und allezeit auseinanderhalten, auf den ersten Blick. Männer! Da konnten die Taschen nur höhnen. Aber gefährlich waren sie doch, diese niedrigstirnigen Tiere, in ihrer Verschwörung gegen die arglos lichten Frauen. Überall kungelten sie und berieten in ihren männlichen Hinterstuben, wie sie die Frauen untenhalten könnten. Dass sollte ihnen nicht gelingen, denn die Taschen, die waren jetzt aufgewacht!
Die Mützen vollends hatten viele Worte für die Finsterwesen, Finsterwesen galt ihnen ein jeder, der ihnen im Wege war. Sie brauchten Finsterwesen, die ihrem Sturmlauf und Fortschritt im Wege standen, um in loderndem Kampf die Reihen fest zu schließen. Keine Zwietracht! riefen sie einander zu. Es geht doch gegen den gemeinsamen Feind! Der gemeinsame Feind, das waren die Gestrigen, die Verbissenen, die Lakaien des Kapitals, die Spießer, die geborenen Untertanen, die Autoritätshörigen. In einem Wort, die NichtWirs. Finsterwesen waren den Mützen alle, die sie dazu ernannten. Schlechthin alle.
Und wiewohl diese Finsterwesen so erbärmliche Kriecher waren, kam ihnen dennoch ungeheure Macht zu, im Modell der Taschen, im Modell der Mützen, im Modell der Stiefel. Sie waren einerseits schleime Kakerlaken im Dreck, Kreaturen unter dem Absatz der Lichten. Sie waren andererseits ränkeschmiedende Verschwörer, alleweil auf dem Sprung, die Lichten zu unterjochen. Zu solcher Unterjochung durchaus fähig. Wenn wir nicht aufpassen, überrumpeln die uns! Wir dürfen niemals schlafen! Sonst kommen die!
Die Anderen. Die Männer. Die Reaktionäre.
Die NichtWirs.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 18.02.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)