Drachenkampf

Sie erzählten vom seltsamen Geschick des Maître Eluard und seinem Drachenkampf im fernen Hochland, und von seiner jungen Frau, die ihm nachgestorben war; und sie erzählten, wie sie in die Obhut gekommen waren des Kindes Eluard. Und Eluard saß zwischen ihnen, und siehe, so wurden die Häusler auch teilhaftig der Geschichte, wussten zu sagen, seht, hier hat er gesessen, an diesem Platz, mitten unter uns.

Da waren viele Rufe über die Wunder und Taten, die Vautrin gewirkt.

Die Kaufleute erzählten von ihren ferneren Reisen und den Städten und Ländern, die sie gesehen, und welche Wege sie noch vor sich hatten.

Die kleine Hermine war ganz versunken in den Strom der Geschichten; sie war süß, noch sehr jung, vierzehn oder fünfzehn Jahre, und alles an ihr war rund: die braunen Augen, die Schultern, die Hüften, die strammen Beinchen. Sie zog beim Zuhören ein Bein hinauf auf die Sitzfläche, so dass das Knie angewinkelt hochstand, darauf legte sie die Wange, mit geneigtem Kopf und vor Aufmerksamkeit weit offenen Augen, und spielte mit ihren Zehen.

Neben ihr saß Oswald, gegen sie gelehnt, der war nicht älter als sie und genauso rund, er liebte wohl das gute Essen, und sie hielt sich daran und fütterte ihn mit Lust, wie es sich gehört. Er hatte blonde Locken, der gute Oswald, man sah es ihnen an, dass sein Minchen damit zu spielen pflegte, des Nachts, sie um ihre Kinderfinger wickelte und daran ziepte, bis er jammerte; aber es gefiel ihm doch auch.

Die Kaufleute erzählten auch von dem Haus, Dietrichs Haus, und der großen Krankheit, der Magdalena so glücklich entronnen war; doch tasteten sie sich bezüglich der Eigenheiten der Dietrichschen Kommune erst sachte vor, Behutsamkeit gilt es walten zu lassen in solchen Dingen, mit nichts sind die Menschen eigener …

Sie erfuhren zu ihrer Überraschung, dass Bernhard und die Angehörigen seines Hauses von Dietrichs Haus nichts wussten, sie hatten nie etwas davon gehört … so sehr verwunderlich war dieser Umstand eigentlich nicht, die Entfernung betrug, bedachte man die Nachtfahrt der Kaufleute mit, alles in allem vier Tagesreisen, und führte durch einen unbewohnten, nicht selten überschwemmten Flusswald; auch war Bernhards Haus in der Flussrichtung, nach Westen hin orientiert, der Uhrmacher kannte selbst die Stadt oben am Fluss nur aus den Erzählungen Henris, des Sammlers, dessen Revier sie war; selber war er nie dort gewesen, und wozu auch, es lebte ja niemand dort.

So mussten die Kaufleute sich also keinen Zwang auferlegen, und sie erzählten alles, was sie gesehen, ließen nichts aus, dass die Häusler Mund und Augen aufsperrten beim Zuhören und sich verwunderten über die Dinge, die Menschen zu treiben imstande sind.

Mit besonderer Aufmerksamkeit hörte Eramir zu, der ernste Mann, er brachte wohl am ehesten Verständnis auf für Dietrichs Eigenheit, nicht aus Einfühlungsvermögen, sondern aus einer gewissen Gleichgeartetheit, er hatte von seinem Vater den Hang zum Grübeln geerbt, nicht aber dessen phantasierende Leichtigkeit, so war er ernst und bedenklich, voll geheimer Selbstzweifel.

Übrigens konnte man ihn einen schönen Mann nennen, mit regelmäßigen, wenn auch zu mageren Gesichtszügen; er ähnelte äußerlich seinem Vater kaum, und den Kaufleuten fiel auf, dass er den Alten höflich behandelte, nicht ohne Zuneigung, doch oft auch mit einer unverkennbaren Ungeduld, einer gewissen Müdigkeit oder Überdrüssigkeit, wie man sie sich alten Leuten gegenüber oft zuschulden kommen lässt, wenn man ihre Eigenheiten allzu genau schon kennt.

Elvira sprach selten, aber wenn sie etwas sagte, so schwiegen die anderen und lauschten, das lag an ihrer Stimme, dem seltsamen Glasklang; und sie wusste das wohl.

Schließlich erzählten die Kaufleute von den schlimmen Erlebnissen des Tages, von dem singenden Ungeheuer über der Silberstadt, und dem unerhörten Ausbruch seiner Wildheit, erzählten, wie es ihnen ergangen war mit den Wagen, wie sich der eine verfangen hatte in der Gebüschinsel; und die Häusler lauschten, verblüfft über die Abenteuer, denen die Kaufleute unterlagen in geringer Zeit, über die Fülle des Lebens, die Vautrin ihnen schenkte ungemessen. Und war es auch nicht immer gutes Leben, barg es der Mühen und Schmerzen viel – so war es doch Leben, gebildet aus drängender Kraft und der Dichte der Erlebnisse.

„Anders gehen eure Wege als die unseren, bei Vautrin“, sagte Eramir, und wie oft bei den Häuslern war ein Klang von Sehnsucht in seiner Stimme.

Und Waldemar musste erzählen, wie er in den Brennnesselbusch gefallen war, das tat er gern und ausführlich, nämlich das Erzählen, mit krähender Stimme, und sie bemitleideten ihn sehr, die kleine Hermine lachte und streichelte ihn, sie liebte Kinder … sie rutschte unruhig hin und her und konnte kaum an sich halten, das machte, ihre Periode war überfällig, schon seit einer Woche, und sie hatte es niemandem gesagt, und Oswald war nichts aufgefallen, denn er hatte sich die Zeit nicht gemerkt, wie Männer nun mal so sind, und nun platzte die kleine Hermine fast vor Stolz und wartete mit Bangen und Spannung, aber sie beherrschte sich, niemand sollte es erfahren, bevor es nicht gewiss war …

Hernach war es an Bernhard zu erzählen, von sich und den Umständen seiner Familie.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 17.02.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)