Holzbau

Drinnen die charakteristisch trocken-warme Atmosphäre, wie sie Holzbauten eignet.

Das war keine von Vautrins Häusern; die Bewohner mussten es selbst erbaut haben.

Erbaut aus sorgfältig bearbeiteten gehälfteten Stämmen, Birken zur Hauptsache; für die Kant- und Querhölzer hatte man auch Buche verwendet. Der Boden wieder parkettiert: das knarrte gesprächig, wenn man darüber hinwegschritt.

„Ein schönes Haus“, sagte Roger anerkennend.

Bernhard bar die Kaufleute herein in die Wohnstube, durch die offenen Fenster sah man auf die Veranda.

Die Kaufleute nickten und dankten und sprachen lobende Worte, wohnlich war der Ort, gut hatte Bernhard es sich eingerichtet.

„Und zu fünft wohnt ihr hier?“ fragte Magdalena.

Eramir antwortete: „“Zwei weitere Klienten noch gibt es, doch sind sie zur Zeit in der Stadt, mit dem Boot, flussabwärts …“

„Der eine will bald heiraten“, fügte Bernhard hinzu, mit einem gewissen Stolz, „dann wird er seine Frau hierher bringen, und sie werden eine Familie sein.“

„Vautrin schenke dir Glück“, sagte Aslan.

Waldemar und Eluard stellten sich staunend vor den mächtigen Schrank, vieltürig breitete der seinen Bauch dem Lampenlicht (holzwarmer Schimmer), beanspruchte die ganze Wand gegenüber der Fenstern, von einer Zimmerecke zur anderen, vom Boden bis zur Decke, war so etwas wie ein Haus für sich, mit Winkeln, Erkern und Gelassen, mit Türen und Fenstern, die Kammern bauchten so satt, dass die Jungen bequem hineingepasst hätten … Eramir hatte den gezimmert, so vernahmen die Kaufleute mit Bewunderung, und er diente zur Aufbewahrung des Geschirrs, und kostbaren Geräts, denn Uhrmacher waren ja die Häusler, darüber würde noch zu reden sein.

Bernhard lud seine Gäste an zwei lange hölzerne Tische, die waren zusammengeschoben, so dass rundherum ein Dutzend Personen Platz fanden – und so viele waren sie, die Häusler und ihre Besucher. Die Stühle schienen eher roh gefügt und ohne Feinheit; doch erwiesen sie sich als bequem, und es waren (Zeichen des Wohlstands) hinreichend Polster vorhanden, fest gestopft mit Stroh und sogar mit der feinen Samenwolle der Weiden.

Kein Schmuck an den Wänden, nur zur Seite der gemauerte Ofen und Herd, eine Ziegelblende schirmte ihn ab gegen die Holzwand, dass die nicht Feuer fange bei allzu großer Erhitzung.

Bernhard erleuchtete sein Haus mit Öllampen, und später trug er eine Wachskerze herbei, der aromatische Duft erfüllte allgemach den Raum … wohlhäbig mussten der Mann sein und sein Haus, daran konnte kein Zweifel bestehen.

Elvira und Hermine begaben sich in die Küche, Inge folgte ihnen, um ihnen zu helfen, aus Neugier aber auch, sie wollte wissen, wie sie lebten und wohnten, die Häusler … und Hermine streckte ab und zu den Kopf in’s Zimmer zu den Kaufleuten und ermahnte sie, mit dem Erzählen doch zu warten, bis sie auch dabei sei.

Wartet auf mich!

Bernhard berichtete von Henri, dem Sammler, und der Frau und dem Kind und dem jungen Mädchen, das dazugehörte …

„Das erinnert mich an Warlam“, meinte Magdalena, und Bernhard fragte, wer Warlam gewesen sei, doch gerade in diesem Augenblick kam Hermine herein und trug die ersten Schüsseln auf.

Aslan wurde nicht klug aus Bernhards Verhalten, er schien mit dem Sammler Henri gut bekannt zu sein, auch schon oft gehandelt zu haben, und trotzdem (oder gerade deswegen?) schien er nicht die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass diesem etwas zugestoßen sein könnte, oder seiner Familie.

Aufmerksam betrachtete der Kaufherr seinen Gastgeber, war ein zarter alter Mann, der Uhrmacher Bernhard – ein Grübler – schau die gewölbte Stirn. Die weißen Haare fallen ihm in’s Gesicht, wenn er erzählt, dann streicht er sie zurück, mit flacher Hand und gespreizten Fingern, hält inne mitten in der Bewegung, verharrt: so sitzt er da, den Kopf geneigt und die Finger in den Haaren, und schaut zu Boden, träumend, und lauscht – in sich hinein, oder der Rede eines anderen.

Seine Augen sind entzündet, dachte Grand Mère. Sie tränen. Veranlagung? Oder Schlaflosigkeit.

Aber er lachte gern. Kranz aus Knitterfältchen um die Lidwinkel. Saphirblau die Iris, durchsichtig wie Glas.

Eine schöne Stirn hat er, dachte Magdalena. Breit und hoch … gerade Nase. Aber der Mund?

Mädchenhaft voll und weich. Ein Phantast, dachte Aslan. Denkerstirn und Kindermund.

Die Kleinen konnten sich nicht sattsehen. Er trug einen Bart, der Uhrmacher Bernhard: auf der Oberlippe einen schneeweißen Schnauzer, keck auswärts gebürstet die Enden, auf der Unterlippe eine Fliege, eine Motte, gleich wird sie davonflattern … tat sie nicht.

Endlich war das Essen aufgetragen, sie wurden alle sehr lebhaft, die Häusler und ihre Gäste, Bernhard half auszuteilen, mit seiner schmalen Greisenhand, ein wenig sommersprossig übrigens.

Sie sprachen dem Essen zu, wacker, doch hielt das die Kaufleute nicht ab, mit dem Erzählen zu beginnen, das war es: Erzählen. Das gibt dem Leben erst seinen Wert, dass man’s erzählen kann.

Meist führte Roger das Wort, Magdalena fügte ausschmückende Einzelheiten bei, und auch Inge beteiligte sich; Aslan war still, das war seine Gewohnheit, nur zu wichtigen Gelegenheiten ergriff er selbst das Wort.

war ein Geschichtenteil fertig erzählt, oder doch so weit, dass er als eine abgeschlossene Einheit gelten konnte, so fügte Grand Mère genussvoll eine zusammenfassende Sentenz hinzu, belehrend, deutend, so dass man vielsagend oder zustimmend dazu nicken und sich ihre Worte merken konnte.

Sie erzählten, wie sie es kannten, in einer abendlich dunklen Stube, die Winkel von der einzigen Kerzenflamme schon nicht mehr erleuchtet, erzählten zu aufmerksam zugewandten Gesichtern, zu Augen, die den Blick nicht von den Lippen des Sprechers wandten, zu geöffneten Mündern, zu hochgezogenen Schultern und Körpergesten, die ganz Lauschen waren.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 15.02.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)