Angefühls

Ob die Teilhabe an der Tiefe wirklich echt war, und nicht vielleicht nur vorgeschützt, das zu beurteilen verstanden wieder nur die Tiefen. Gibt viele, so wussten die Tiefen, die behaupten, Anteil zu haben an der Tiefe unseres Volkes. Gibt viele, die behaupten, Anteil zu haben an der Tiefe von Fwau. Mitfühlen zu können mit Volk und Fwau! Aber verstehen die überhaupt, was die da reden? Das können nur wir beurteilen, wir, die wir wirklich Anteil haben an der Tiefe.

Versteht der überhaupt, was der da spielt? fragte die Pferdeschnauzige, nachdem ein Pianist sich abgemüht hatte auf dem Podium.

Sie brachte er fertig, von einem lange schon toten Komponisten zu sprechen: Man fragt sich, hat der überhaupt verstanden, was er da geschrieben hat?

Sie schlug sich dabei mit den Spitzen der zusammengeführten Finger vor die Stirn, genau bei dem Wort „verstanden“, und dort auf der Silbe „-stand-“, ihre eigene Fassungslosigkeit anzudeuten, angefühls der eigenen Tiefe.

Nein, so die implizite Antwort, der hatte das nicht verstanden. Der Komponist, der das Werk geschrieben hatte, der hatte nicht verstanden, was er da geschrieben hatte. Auch der Pianist, der das Werk vortrug, der verstand es nicht.

Sie, die Pferdeschnauzige, verstand all das, in ihrer Tiefe.

Sie hätte das Werk nicht spielen können, geschweige denn auch nur eine Note davon fassen. Aber da es geschrieben war, und da es gespielt wurde, wusste sie, ich verstehe das, und nur ich, nur ich fühle es recht, in meiner Tiefe lote allein ich aus die Tiefe des Werks, und mit meinem Fühlen und Verstehen stehe ich allein auf der Welt, tragisch und erhaben verkannt.

Hätte sie ihr tief Erfühltes und Erkanntes nicht mitteilen sollen einem staunenden Planeten? Das wär ja völlig sinnlos, wusste es in ihr, das hätte ja nun überhaupt keinen Wert, die würden das ja alle gar nicht verstehen, die haben ja alle gar nicht die Tiefe, die haben ja alle gar nicht die Gefühle! Da könnt ich ja genauso gut gegen die Wand reden! In meiner Tragik! In meiner Verkanntheit. Da würd ich ja Perlen vor die Säue schmeißen!

Die Tiefe lässt sich nur solchen mitteilen, wusste die Pferdeschnauzige, die die Tiefe haben.

Aber wer hat die schon, die Tiefe. Wo begegnet man denen? An welcher Ecke?!?

Und überhaupt, so wusste sie sich hinein und hinauf in Wärme, und überhaupt, das lässt sich ja gar nicht ausdrücken, das Tiefe, das ist ja das Merkmal der Tiefe, dass sie sich nicht ausdrücken lässt, die wirklich tiefen Dinge lassen sich nicht sagen, nur fühlen! Und sie fühlen, die tiefen Dinge, das kann eben nur, wer selber tief ist.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 12.02.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)