„Jetzt müssen wir alle mit anpacken“, sagte Roger. „Auf geht’s!“
Und sie packten alle mit an, Waldemar ausgenommen, der noch immer vor jeder Berührung zurückschrak, aber sich doch neugierig hinstellte vor die Schneise und zusah.
Sie stemmten sich in die Radspeichen, drückten gegen den Wagenkasten, Grand Mère lehnte sich mit dem Rücken an das Schlussbrett und schob, auch Magdalena griff zu, und das schwere, rumpelnde Gefährt bewegte sich endlich knarrend über den höckrigen Waldboden, zwischen den Stümpfen der abgeholzten Birken und Haselsträucher, und die Äste und Baumkronen schleiften an der Wagenplane, doch ohne sie länger festzuhalten.
Sie schoben den Wagen so weit vor, dass der Kutschbock mit Deichsel und Joch zwischen dem Gebüsch auf die Wiese hinausragte; das genügte, um später die Ochsen einspannen zu können.
„War das ein Arbeit“, ächzte Grand Mère und wischte sich den Schweiß von der Stirn, sie konnte unglaublich stark schwitzen, es brach ihr wie ein Sturzbach aus den Poren, in wasserklaren Tropfen, und sie war froh, des Mittags gebadet zu haben, denn jetzt war keine Gelegenheit mehr dazu, und sie hasste es, sich selbst zu riechen, den Geruch von Schweiß mit Schmutz und Wegstaub vermischt.
„Ja“, ächzte Roger, der noch viel mehr geschuftet hatte als sie, eigentlich mehr als alle anderen, denn Aslan war kaum zu gebrauchen, „ja, das war ein Stück Arbeit.“
„Gut“, sagte Grand Mère zu Aslan, „jetzt werde ich dich verbinden … und Inge, du komm auch her!“
Über dem Feuer, am Dreifuß aufgehängt, köchelte der Wasserkessel vor sich hin, und Grand Mère bereitete Bandagen und Kompressen und Kräuterpackungen und Absude und versorgte die Kranken und Lädierten.
Die Sonne sank schnell, aus den Wiesen stieg das milchige Grau der Dämmerung, tiefte sich gegen Osten zu einem schwarzen Strich, da noch schwach der Schatten der Stadt zu erkennen war.
Und aus der Silberstadt, unter der schlanken Säule von Rauch, drang ein dunkelrotes Glimmen, wie Kohlefeuer, das leuchtete und hob sich, je weiter die Dämmerung sank, und die Türme und Röhren und glänzenden Kugeln schienen wider, dass sie glühten wie von innen heraus.
Die Kaufleute schauten immer wieder stumm hinüber und betrachteten das Schauspiel, und obwohl das Feuer nicht angewachsen, das Dröhnen und unterirdische Grollen nicht stärker geworden war, empfanden sie die Bedrohung dunkler und unheimlicher als zuvor, da die Sonne die rote Glut noch überstrahlt hatte.
Die Rauchsäule trug den Feuerschein weit empor, ragte als finsteres Mal in den Abendhimmel, wie eine Geste des Zorns, und die Kaufleute sprachen leiser, als fühlten sie sich beobachtet und belauscht.
Grand Mère eilte, fertig zu werden, verband Aslans Bein, legte eine Kompresse über Inges Nase, und auch Waldemar erhielt ein linderndes Mittel, obwohl er seinen Schmerz schon fast vergessen hatte.
Dann spannten sie dich Ochsen ein, und es wurde dunkel unterdessen, ganz und gar dunkel.
Totenstille über dem Feld.
Roger musste zu Fuß vorangehen, und trug eine Fackel, um den Weg erkennen zu können.
Sie sprachen kein Wort mehr, und die Ochsen zogen an, die Fahrwerke ächzten und quietschten, und rumpelten über die Wiese hinüber zum Weg, Eluard, an seinem gewohnten Platz neben Waldemar sitzend, schaute ängstlich zurück zu der Gebüschinsel, und er hielt wieder die kleine schwarze Katze im Arm.
„Jetzt schnell weg“, sagte Magdalena zu Aslan auf dem Kutschbock, und sie flüsterten dabei.
Die Gespanne bogen ein auf den Weg, und Roger schritt rascher aus, hinein in die Nacht, und seine Fackel war ein winziges Lichtpünktchen.
Drüben, über der Silberstadt, gloste und glomm die Feuersäule.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 30.01.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)