Der Wagen im Gebüsch war von außen kaum zu sehen, nur zwischen den Blättern blitzte von Zeit zu Zeit ein helles Stück Plane hervor. Wenn man scharf hinhörte, vernahm man auch leises Murmeln und Pusten, das mussten die Ochsen sein.
„Wir versuchen es von der anderen Seite“, sagte Aslan.
Sie umrundeten die Gebüschinsel, die war fast kreisförmig, und von sehr geringem Durchmesser, nicht umfangreicher, als dass eben das Gespann seinen Platz darin fand, wie ein großes Ei in einem Vogelnest. Eine zipfelige Ausbuchtung wurde von einer einzelnen Buche gebildet, zusammen mit etwas Grundbewuchs, und die Insel selbst bestand aus hochstrebenden Haselnusssträuchern, die wuchsen doppelt mannshoch, und eingestreuten Birken mit geschmeidigen Stämmen und schlanken Kronen.
Auf der flussabgewandten Seite war das Gebüsch niedriger und nicht so dicht, da konnte man bequemer eindringen, und Aslan, der voranging, sah das dunkle Fell der Ochsen zwischen dem hellen runden Blättergrün der Haselsträucher.
„Da sind sie“, sagte er und rief den Tieren beruhigend zu, sie antworteten seiner Stimme mit dunklen Lauten und Kopfnicken, das rauschte im dichten Laub.
Die Männer drangen zwischen die elastischen Stämmchen, die bündelten sich zu dichten Gruppen, man musste sie beiseiteschieben mit den Armen und dem Oberkörper, und war man durch, schnellte das rauschende Gesträuch sofort wieder zusammen.
Die Ochsen, noch vollständig eingeschirrt, standen inmitten der Büsche und Birkenstämme, und hinter ihnen der Wagen. Es duftete nach abgebrochenen Ästen, und die Blätterwedel überdeckten die Wagenplane.
„Bei Vautrin“, murmelte Roger, „wie sind die hier bloß reingekommen?“
Eingekeilt hatten den Wagen die Stämme; von allen Seiten, weniger von hinten, drängten sie sich heran, einige waren beiseitegeschoben, dass sie sich neigten, doch nur wenige waren gebrochen, sie waren zu geschmeidig, hatten, als das Gespann hereindonnerte, sich unter dem Druck einfach weggebogen und waren dann so weit wie möglich in ihre frühere Lage zurückgeschnellt.
Der Wagen ruhte wie in einem Gehäuse, oder einem Gefängnis, und die Gitterstäbe waren die Stämme der Sträucher, sie keilten ihn ein, dass es kein Vor gab und kein Zurück. Es sah aus, als hätte hier das Gespann seinen Ort von je, als sei es eines von Vautrins Häusern, und das Wäldchen, das Gesträuch, hätte sich erst nachträglich gebildet, den Wagen einschließend, mit der umhüllenden Zärtlichkeit des Wachstums, elastische Stämme und Äste sich drängend um den Wagenkasten, Buschkronen überhüllend die Plane. An einer Stelle ragte ein Astarm sogar zwischen die Speichen des einen der Vorderräder, war nicht zerbrochen, nicht einmal angeschabt.
Der Wagen stand ganz friedlich im Gesträuch, um und um zugewachsen, die Plane umgeben von dem flirrenden Blätterrauschen der Haselsträucher, und den helleren Kronen der Birken. Durch das Blätterdach fiel Sonnenlicht herein, in feiner Schattenwirrnis.
Aslan verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Birkenstamm und betrachtete stumm die Lage.
„Also, es sei hier, wie es wolle“, sagte Grand Mère praktisch, „ich muss an meine Kräuter.“
Sogar hinter dem Wagen, dicht am Schlussbrett, hatte sich das Gebüsch wieder aufgerichtet, es war rätselhaft, wie es den Ochsen überhaupt gelungen war, hier durchzubrechen, und dann noch den Wagen hinterherzuziehen, ohne eine breite Schneise niederzuwalzen, aber sie hatten es eben geschafft, in blinder Panik, und nun war der Wagen eingesperrt und eingekeilt und eingeklemmt von allen Seiten, dass nicht leicht zu sehen war, wie man ihn jemals wieder hinausbekommen könne, es sei denn, die Kaufleute wollten das ganze Gehölz ausschlagen.
Es gelang Roger und Grand Mère, an das Schlussbrett heranzukommen, und Roger schwang sich hinauf und reichte Grand Mère hinunter, was sie verlangte.
Als sie zurückkehrten, stand Aslan noch immer wie vorher, gegen den Birkenstamm gelehnt, und betrachtete die Ochsen. Cornelius Agrippa lag am Boden, schien aber nicht verletzt zu sein, und Diogenes Laërtius hatte sich soweit wieder gefasst, dass er an den Strauchblättern herumnagte, die in seiner Reichweite hingen.
Aslan blickte auf, als Roger und Grand Mère herbeitraten. „Wie sieht es aus?“ fragte er.
„Eingekeilt“, antwortete Roger knapp, „vollständig. Da müssen die Äxte ran.“
„Und auf dem Wagen?“
„Es geht. Etwas durcheinandergeworfen, aber es könnte schlimmer sein.“
Sie achteten sehr darauf, die Waren immer gut verstaut und befestigt zu halten, das zahlte sich nun aus.
Aslan nickte, ohne seine Stellung zu verändern, und betrachtete weiter die Ochsen. „Und was machen wir nun?“ fragte er.
Roger antwortete: „Ich schlage vor, wir holen dein Gespann hierher, das Gelände ist ja eben, dann müssen wir nicht hin und her laufen, wenn wir etwas brauchen, und es muss auch nicht ständig jemand dort bleiben zur Bewachung.“
Grand Mère nickte und sagte: „Das ist gut, das sollten wir tun.“ Den Wagen herbeiholen, sich gemeinsam an die Arbeit machen – das war immer gut, wenn sie zusammen waren, dann konnte es so schlimm nicht kommen.“
„Also, wir holen das Gespann her“, fuhr Roger fort. „Dann führen wir die Ochsen hier heraus, das müsste ja leicht noch gehen, und stellen sie mit den deinen zusammen, nicht wahr, sie sind ruhiger zu viert, und wir können sie anbinden und haben sie so bequem unter Aufsicht, auch sind sie auf diese Weise nicht so nah am Fluss, falls, nun ja …“ Er brach ab, seine Zuhörer wussten ohnedies, was er meinte: falls das Tier in der Silberstadt wieder ausbrechen sollte, nämlich.
Das Grollen war bis hierher zu hören, unter die Büsche, ein dumpfer, gleichmäßiger Ton, man gewöhnte sich an ihn, nahm ihn schließlich nicht mehr wahr, und doch wussten die Nerven, die Muskeln, die Sehnen genau, dass da etwas war: angespannt, sprungbereit.
„Nun, und dann machen wir uns daran, den Wagen hier herauszuholen … zuvor aber soll Grand Mère alle verbinden … alle, die es nötig haben …“ Er lachte ein bisschen, da war eine gewisse Komik in der Situation, zweifellos …
„Das ist gut“, sagte Aslan ernst, „so wollen wir es halten.“
Und auch Grand Mère nickte. „Du kommst gleich mit zum Fluss“, sagte sie zu Aslan, „dass ich dein Bein waschen und verbinden kann …“
Er wollte protestieren, aber sie hatte sich jetzt gefasst und duldete keinen Widerspruch. „Die Ochsen stehen hier gut, sie können ja nicht weglaufen“, sagte sie.
Also gingen sie zurück zum Fluss, alle drei.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 22.01.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)