Denkwürdig

Die Kaufleute hatten allen Grund, sich dieses Tages als eines denkwürdigen zu entsinnen.

Am schlimmsten war Aslan dran, der hing noch immer im Geschirr und kämpfte mit Moses Maimon, hätte er nur einen Augenblick nachgelassen, so wäre die Tiere ebenso durchgegangen wie die Rogers.

Rogers Gespann: das hing verkeilt in einer Baumgruppe in den Wiesen, Cornelius Agrippa war zu Boden gerissen worden, das schlagartig festhängende Joch hatte ihn im Lauf getroffen, als ob er gegen eine Mauer gerannt wäre; Diogenes Laërtius war auch gestürzt, hatte sich aber wieder hochgerafft, am ganzen Leibe zitternd und schaudernd, und stieß seinen liegenden Gefährten immer wieder mit der Schnauze gegen den Leib. Beide Tiere waren mit Schaum bedeckt, dass das Fell glänzte.

Eluard und die kleine schwarze Katze lagen versteckt im hohen Gras und trauten sich nicht, die Augen zu öffnen.

Grand Mère und Magdalena hielten sich eng umschlungen, Grand Mère pustete schwer und voll Angst, nichts hasste sie mehr als körperliche Aufregungen, dergleichen bewältigte sie nicht mehr in ihrem Alter …

Inge war beim Herabklettern oder vielmehr sich Fallenlassen vom Wagen auf Roger gestürzt, dann hatte sie versucht, unter ihn zu kriechen, es war ihr auch halb gelungen, mit dem Kopf hatte sie sich unter seinen Bauch gebohrt, aber jetzt bekam sie keine Luft mehr, und außerdem schürfte sie sich die Nase auf in dem rauen Wegkies. Es war eine Gnade Vautrins, dass das durchgehende Gespann, als es vom Weg herunterbrach, sie nicht beide überfahren hatte; die tief eingemahlenen Radspuren gingen haarscharf an der Stelle vorbei, an der Rogers Kopf lag.

Doch das bemerkten sie erst später.

Waldemar heute laut; er war beim Abspringen vom Wagen in einen Brennnesselbusch gefallen, im ersten Schrecken hatte er das Beißen und Jucken nicht bemerkt, nur angstvoll hinüber zum Fluss gestarrt, um zu sehen, was aus den anderen geworden sei; doch dann kam ihm der Schmerz zum Bewusstsein, und er spürte und ertastete, dass seine nackten Arme und Beine und das Gesicht rot und zwickend anschwollen, und er begann zu jammern, bei jeder Bewegung stachen ihn die heimtückischen Pflanzen erneut, er lag ja mitten darin, aber er wagte nicht aufzustehen und sich zwischen das Gras zu retten, denn dort drüben drohte das Rauchtier über der Silberstadt.

Das wilde Tier.

Die Feuersäule war weit herabgesunken; glühte und gloste jetzt rot wie ein Kohlenfeuer, blutigrot vor nächtiger Schwärze, und über ihr stieg auf, ruhig und schlank und hoch wie eine Kerze, wie ein Pfeiler, der die Wolken tragen wollte, der Rauch.

Schwarz und dicht wie versteinertes Holz, schlank hochgereckte Form wie der silbern verharrende Schlauch im Inneren einer Windhose.

Nur die Krone, in den oberen kalten Luftschichten, wo der Äther ganz blau und durchsichtig wird, zerfaserte sich, breitete sich aus in schwebenden Schlieren, wie eine zarte Blüte am Ende eines dünnen Blumenstiels, oder auch wie der flach ausgewölbte Trichter einer Trompete.

Schwarze Fanfare über der Sonnenwelt.

Das Grollen klang ganz gleichmäßig jetzt, dumpfes Brandgeräusch einer gleichmäßig genährten Feuerstätte, nicht unähnlich dem satten Donnern eines Kohleofens, der guten Zug erhält.

Die Vögel schwiegen, es war totenstill geworden ringsum, nur der Fluss murmelte ungerührt fort durch sein Bett.

Es hatte im ersten Augenblick geschienen, als sei die Sonne verdunkelt worden, aber sie glänzte warm und nachmittäglich wie zuvor, spiegelte und blitzte in den kleinen Flusswellen, spielte im Gras, der wogenden See.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 12.01.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)