Ahnungen

Ahnungen … oder Befürchtungen. Wer wüsste sie zu unterscheiden?

Hinterher sagt einer: ich hab’s ja gleich gewusst … oder: ich hatte schon die ganze Zeit so ein Gefühl …

Vielleicht war’s nur die Angst, die dumme Angst, das Ausrechnen von tausend Möglichkeiten, und ist dann eine eingetreten, nun, so kann man hinterher sagen: ich hab’s ja gewusst.

Aber andererseits …

Manchmal entringen sich seltsame Bilder dem Geist, treten ein in das Bewusstsein wie die flüchtigen Erinnerungen an Träume, die den Unachtsamen heimsuchen, ungebeten, dass die Hand erzittert und der Blick hastig die Festigkeit der Dinge prüft.

Botschaften aus einer anderen Welt, der es gleichgültig ist, ob ihre Offenbarungen den Sehenden vernichten.

[…]

Die Stummheit der Städte wuchs in’s Ungemessene, hinein in die Unbewohnbarkeit.

Schönheit wurde zum Siegel der Abweisung.

Denn schön sind sie, die kalten Städte, die Städte aus Silber, sie bewohnen die Ebenen, an Flüssen  zumal, spiegeln ihre schlanken Häuser in den Wolken, fensterlos, lieben den Regen, und die blitzende Sonne.

Weithin ist Warnung vor ihrer Grausamkeit, vor dem Öffnen ihrer mahlenden Feuerschlünde, vor den verborgenen Zärtlichkeiten langsamen Siechtums, die Menschen fliehen und bewohnen nicht ihre Stätte … nur die Tiere scheuen nicht das Wagnis, die Tiere und Pflanzen, opferwillig ist das Leben, das Fleisch setzt sich selbst zum Einsatz, oft ist karges Flattern der Gewinn, mit ungelenkem Flügel und verdrehten Augen, verwirrte Zuckungen im Staub, im Sand, scharrende Füße, die den Federrumpf hinwegschieben wollen.

Lange kann es dann dauern, bis der Tode kommt, und voll der Qual sind die Tage unter den silbernen Türmen.

Die Kaufleute schauten gebannt, als sie ihre Gespanne näherlenkten, wandten die Blicke nicht von dem glitzernden Wald.

„Dass der Weg so nahe daran vorbeiführt …“ sagte Magdalena. „Ich fürchte mich.“

Die Silberstadt.

Auf der anderen Seite des Flusses, weithin, unübersehbar weit am Ufer ausgestreckt, zwischen ihr und den Kaufleuten nur der Strom, darin spiegelten sich die Türme.

Die Stadt war ein grausames Antlitz, das lächelte unter halbgeschlossenen Lidern, bereit, das feuerspeiende Maul zu öffnen, voll reißender Tücke.

Türme: eine Stadt aus Türmen, Röhren, Leitungen. Hochstehende Kessel, auf spreizenden Metallbeinen, und ballonförmige Behältnisse, mit rundum geschlossener Außenhaut.

Und Silberglanz lag über allem: da war funkeln und Gleißen in der Sonne, unter dem hohen Himmel, wie poliert waren die Gebäude der Stadt, und wuchsen keine Pflanzen auf ihnen; nur am Boden, auf den Wegen, gediehen Gebüsche und kriechende Sträucher.

Denn ganz aus Metall gemacht war die Stadt, die Silberstadt, und hoben sich ihre Türme bis in den Himmel, stolz zu künden ihre eigene Herrlichkeit, und war ihr Lohn Unvergänglichkeit.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 02.01.2023, © Verlag Peter Flamm 2023)