Dann begann das Gewimmel der Häuser, der kleinen Häuser.
Aus Hunderten von Städten kannten das die Kaufleute, immer gibt es da einen Randstreifen, der die Siedlungskerne umschützt, und besteht aus Ansammlungen, manchmal gewaltig, undurchdringlich, von kleinen, ein- bis zweigeschossigen Häusern, mit spitzen oder auch flachen Dächern, in allen denkbaren Formen der Anlage, einfach kastenartig oder gewinkelt oder in T-Form, viele, sehr viele besitzen seitab kleine schachtelförmige Anbauten mit breiten Türen, die lassen sich auf- und niederschwenken, doch sind sie in den meisten Fällen schon vom Rost gefällt.
Einen Irrgarten bilden die freien Flächen zwischen den Häusern, die kleinen Straßen, die sich unermüdlich winden zwischen den ausgedehnten Kolonien, Bäume aller Art wachsen da, Linde, Platane, Buche, aber auch Ahorn zumal, und Essigbäume, immer wieder Essigbäume in erschreckender Fülle, und dann die Vielzahl der kleinen Sträucher, an geschützteren Stellen behaupten sich häuserhoch wuchernde Rhododendronbüsche, die Kleingehölze der Schlehen- und Weißdornarten nicht zu zählen. Auch schaffen es immer wieder Obstbäume, sich zu widersetzen dem Ansturm der wüchsigeren Arten, Apfelbäume finden sich, mit kleinwachsenden und holzigen, doch wohlschmeckenden Früchten, und auch Quitten und sogar Birnen, wenn der suchend Umherstreifende das Glück hat, dass nicht Ortskundigere vor ihm da waren; und wo die Dächer der Häuser niedergesunken sind, Erde sich angesammelt hat in den vier Wänden und die Sonne hereinscheinen kann ungehindert, da entwickeln sich dichte Gestrüppe von Brombeerranken, weit mehr als mannshoch, und lebensgefährlich dem, der sich in ihnen verhakt und kein Messer noch Hilfe eines anderen zur Hand hat.
Oft hat Vautrin die kleinen Häuser gleich straßenweise angelegt derart, dass eines aussieht wie das andere, mit gleicher Größe, gleichen Wänden, gleichen Dächern, gleichen Fenstern; und auch die Abstände sind gleich, nur das Gewucher dazwischen grünt und blüht in ungebändigter Vielfalt, das macht, der Boden ist oft sehr gut um die kleinen Häuser, als hätte Vautrin sie hineingesät in die fruchtbar krumige Muttererde und sie schnell emporschießen lassen wie die Pilze im Wald, nach warmem Sommerregen.
Andere der kleinen Häuser zeigen sehr verschiedene Bildung, und ist in einer Straße keines dem anderen gleich; oft sind dort Zwischenflächen größer, das Gestrüpp undurchdringlicher.
Kletterpflanzen kriechen empor an den zerbrochenen Wänden, der Sonne zugewandt, Efeu, oft in dichten Polstern, Erbsen mit suchenden und tastenden Blattranken, und auch Zaunwicken, mit hübschen, rötlich-violetten Blüten; und die Baumkronen und Gebüsche rauschen, mauerbeschützt, doch die Mauern auch überwuchernd, die sinken zum Schluss immer dahin.
Sind die Häuserböden eingesunken, und die Dächer darüber auch, so bilden sich kleine dunkle Teiche, in denen quaken die Frösche und Unken, und nicht selten finden sich Stichlinge ein, wer weiß wie, und bauen ihre runden Nester.
Könnte einer hinunterblicken von oben auf die kleinen Häuser, so sähe er einen bunten Wald von ungeordneter Fülle, und zwischen dem rauschenden Geblätter geborstene Dächer und Mauern, in die sich schon die Wurzeln haken; und die Kette der spiegelnden Teiche.
Lange begleiteten die kleinen Häuser die Uferstraße, entlang des murmelnden Flusses. Die Kaufleute blickten hinüber, sahen die zerborstenen, leeren Fensterhöhlen, zu denen die Gräser herausnickten, die wehenden Gräser und Büsche; sahen die zerbrochenen Mauern hervorleuchten hinter dem Blätterdickicht.
Doch war dies alles ein gewohnter Anblick.
Manchmal fasst ein Baum, eine Linde etwa oder ein rasch wachsender Ahorn, Wurzel direkt an einer Hausmauer; der Wind weht den Samen dorthin, an der Mauer bleibt er hängen und fällt auf den Boden und senkt sich in das Erdreich, das fruchtbare; und tastend suchen sich die Wurzeln ihren Weg nach unten, haken sich in die Hausmauer, und das Stämmchen wächst empor, übersteht die ersten zwei Winter, die gefährlichen, und die Mauer, die Hauswand zwingt es zu schrägem Wachstum, doch gedeiht und dickt der Stamm, drängt und wurzelt aus und gewinnt an Saft und Kraft, und siehe, auf einmal zeigen sich Risse in der festen Mauer, staubend und bröselnd, verzweigen sich, feiner Mörtel rieselt herab, und das Regenwasser kommt zu Hilfe, es knackt und dröhnt und sprengt, und über die Jahre wächst der Baum … nicht lange dauert es dann, und die Mauer zerbirst, bricht nieder um den breiten Spalt, den das drückende Wachstum des Baumes gerissen hat, und der Stamm dehnt sich mächtig und drängt die Trümmer beiseite …
Oft genügt so ein einziger Baum, die ganze Seite eines Hauses zum Einsturz zu bringen; und der Rest des Hauses folgt bald nach, Wind und Regen tun ein Übriges, das Dach sinkt dahin, und befreit rauscht die Krone über dem Haufen aus Schutt.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 19.12.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)