Nun hätte auch zur Jugendzeit des Jungen ein Jungmännchen sich eher die Zunge abgebissen, als den „lieben Eltern“ von seiner Verliebtheit in ein junges Weibchen zu erzählen. Genau gesagt, wären die „lieben Eltern“ ungefähr die letzten Personattrappen gewesen, denen sich ein Jungmännchen in einem solchen Falle anvertraut hätte. Personen des Vertrauens gab es da schon, aber die waren an den Schulen in der Regel solche, die sich nach dem Posten der Vertrauensperson geil gedrängt hatten, um sich, wie späterhin auch, in intime Situationen mit ratsuchenden und also gefährdeten und verwundbaren Jugendlichen sabbernd hineinzufrottieren. Um Nähe herbeizumasturbieren. Der Junge erfuhr sehr viel später von Kindern, die zögernd und ängstlich und dann doch vertrauensvoll das Gespräch mit einer solchen Vertrauensperson gesucht hatten, um schließlich die tastende und tatschende Patschhand der Vertrauensperson in ihrer Unterhose wiederzufinden. Blieb dem Jungen erspart, da ihm, wie gesagt, die „lieben Eltern“ ungefähr die letzten Wesen in der Welt gewesen wären, bei denen er Zuflucht gesucht hätte, und er bei dem Konzept „Vertrauensperson“ schon den Begriff der Person nicht verstand.
Infolgedessen ruderte er durch den Impakt der Sylphide ohne Kompass ohne Navigation, genau gesagt, er wusste nicht einmal, wie man ruderte. Er fühlte das Boot unter sich schaukeln, und versuchte Kurs zu halten, Kurs in welcher Richtung? wusste er nicht, Kurs jedenfalls auf einem Meer aus blendendem Licht.
Das Licht hatte alle seine Gelände überschwemmt, aus dem Nichts heraus, und wie jede Sturmflut nahm auch diese auf seine Bedürfnisse und Befindlichkeiten keinerlei Rücksicht, sie wusste nicht einmal von ihm.
Die Sylphide wusste nichts von ihm, die Flut wusste nichts von ihm.
Die Flut war über ihn gekommen, da war er seinem Tagewerk nachgegangen, in der für ihn charakteristischen Mischung aus Schläfrigkeit und Alarmiertheit. Die Alarmiertheit war geschärft durch die neue Umgebung, die neuen Herausforderungen.
Die Alarmiertheit versuchte alleweil, ihn aus seiner Schläfrigkeit hochzureißen, und die Schläfrigkeit drehte sich auf die andere Seite und murmelte hoch zur Alarmiertheit: Lass mich in Ruhe.
Neue Herausforderungen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 14.12.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)