„An Aufbruch sollten wir wieder denken“, sagte Aslan vom Ufer her, er stand immer noch wie vorher, ruhig gegen Moses Maimon gelehnt.
„Schon?“ fragte Grand Mère, sie watete in der Bucht auf und ab und trat Wasser, großen Spaß machte ihr das, die gerafften Röcke in der Hand.
„War’s noch nicht lang genug?“ fragte Aslan.
„Hm, ja“, antwortete sie verlegen, „ja …“
„Ach so“, sagte Aslan trocken, „du willst auch baden, ja dann …“ Und er rundete die Hände vor dem Mund zum Schalltrichter und rief hinüber zu den Frauen: „Kommt doch mal her, ihr beiden, Grand Mère will baden …“
„Huh“, sagte Grand Mère und zog einen Zipfel ihres Kleides vor das Gesicht, sie schämte sich, nun ja, alte Frauen ziehen sich nicht mehr so gern aus, wenn Männer zuschauen, erst recht nicht, wenn sie zur Familie gehören, auf Würde ist zu achten …
Magdalena und Inge kamen herbeigeplatscht, man würde sie kaum für Mutter und Tochter halten, dachte Aslan, die Wassertropfen glitzerten auf der nackten Haut.
„Nun komm“, sagte Magdalena zu Grand Mère, „gehen wir ein Stück raus, ja?“
Sie führten die kichernde und „huh, huh!“ rufende alte Frau hinaus in die Bucht, sie nahmen sie in die Mitte und hielten sie bei den Armen fest, dass sie nicht falle, und Grand Mère raffte die Röcke.
„Und schaut gefälligst woanders hin“, rief Inge zurück zu den Männern, alle vier standen sie da und schauten feixend zu, Aslan vom Ufer aus, Roger und die beiden Jungen im Wasser.
Draußen stellten sich Inge und Magdalena mit dem Rücken zum Ufer, derart, dass Grand Mère einigermaßen verdeckt war.
„So, jetzt zieh dein Kleid aus“, sagte Magdalena.
„Kann mich auch bestimmt niemand sehen?“ fragte Grand Mère ängstlich, mit flinken Blicken das gegenüberliegende Ufer absuchend.
„Da drüben?“ fragte Inge verblüfft. „Also was du für Ideen hast … da drüben wird sich grad einer hinstellen, um dir beim Baden zuzusehen …“
Der Fluss war breit und flach an dieser Stelle, das gegenüberliegende Ufer verlor sich in weite Sumpfflächen und Flachwasserlagunen, durch die pickend die Wasservögel stelzten.
Grand Mère zog sich ächzend das Kleid über den Kopf, und dann noch das Unterkleid, und Inge nahm beides in Empfang und hängte es sich um die Schultern.
„Huh …“ wiederholte Grand Mère und beugte sich vornüber, um erst die Hände in’s Wasser zu tauchen, warm war es, dann wusch sie sich die Arme.
„Komm, wir helfen dir“, sagte Magdalena, und die beiden jüngeren Frauen beugten sich ebenfalls nieder, dem Wasser zu.
Vom Ufer aus sah man drei Hintern, in fleißiger Bewegung, hübsch und wohlgerundet die von Inge und Magdalena, dazwischen rosig hervorleuchtend Grand Mères mächtige Tonnenwölbung …
„Donnerwetter!“ entfuhr es Roger, Aslan, gegen Moses Maimon gelehnt, lächelte verkniffen, und die beiden Jungen fingen an, laut zu lachen, zu komisch sah das aus, die sechs wiegenden und zuckenden Halbkugeln.
„Also!!!“ fauchte Inge, die herumgefahren war. „Wenn ihr euch nicht umdreht …“ Und sie spritzte wütend Wasser nach Roger, der ihr am nächsten stand, ohne ihn aber zu erreichen.
Grand Mère, die jetzt in voller Arbeit war, ließ sich nicht mehr aufhalten, sie schnaubte und pustete und spritzte Wasser und wusch und reinigte, dass sie ganz rot im Gesicht wurde.
Roger watete lachend zum Ufer, um sich anzukleiden, und Eluard und Waldemar folgten langsamer, sich durch das Wasser arbeitend, mit ausschwingenden Armbewegungen.
„Machen wir schon mal die Wagen fertig“, sagte Aslan und zog Moses Maimon am Halfter, der willig mitkam. „Fertig!“ keuchte Grand Mère. „War das eine Arbeit!“ Sie strich sich mit den flachen Händen das Wasser vom Körper und zog sich die Kleider wieder über den Kopf, sie war außer Atem, und Inge und Magdalena, die sich nur schwer das Lachen verkneifen konnten, führten sie zurück zum Ufer.
„So, seid ihr fertig …“ sagte Aslan gelassen. „War’s schön, Grand Mère?“
„Oh ja“, pustete die alte Frau, „wunderbar war das … und so warm und klar das Wasser, danke, dass ihr mir geholfen habt …“
Und die beiden Frauen lachten und nickten und zogen sich rasch an, dass es weitergehen könne.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 11.12.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)