Im Sumpf

Die Erfindungsgabe des Menschtiers ist schier unbeschränkt. SIE hat ihm mehr Begabungen mitgegeben als sonst einem Tierwesen in IHREM All. Es kommt hinter alles, das Menschwesen, früher oder später, es kommt allen Geheimnissen auf die Schliche, ich werde euch noch erstaunliche Beispiele zeigen. Und dennoch sieht es die ödesten Muster nicht, die jämmerlichsten Wiederholungen. Dreht sich im Kreis und freut sich des schwindelnden Vorüberhastens der Dinge. Irgendwann taumelt es zu Boden, mit zerrüttetem Bewusstsein, und wenn es wieder zu sich kommt, begreift es nicht, dass ringsum nichts sich verändert hat.

Ich bin doch voran gestürmt, klagt es, ich hab kaum noch farbige Schatten erkannt, so schnell ist alles gegangen.

Du hast dich bloß im Kreis gedreht, sagt im Vorübertänzeln meine kleine Schwester, die Wahrheit, und das Menschtier glotzt, weil es das jetzt gar nicht versteht, was war das jetzt wieder, wo ist das jetzt hergekommen, dieses hübsche nackte Wesen, so schnell verschwunden wie aufgetaucht?

Und das Menschtier berappelt sich und macht weiter.

Und in ihm IHRE Stimme, IHRE weiße Stimme, die sagt: Tu das nicht, mein Kind, oder: Ja, das ist recht, tu das.

Und dann sagt das Menschtier, nein, aber jetzt mach ich ganz im Gegenteil ganz was Neues, ganz was Großes! Und es schlägt die Richtung ein, die der Lederflüglige ihm weist.

Die Weisungen des Lederflügligen führen hinunter in den Sumpf, da er wohnt, nirgendwohin sonst, und da die Richtung immer gleich ist, nämlich abwärts, sind auch die Gedanken, die das Menschtier unterwegs hat, immer gleich.

Diese Wiederkehr des Immergleichen wird schwer auf euch lasten, wenn ihr euch an die Arbeit macht, ich sage euch das lieber jetzt schon. Selbst körperlose Wesen wie wir, die von den infernalischen Narrheiten des Menschtiers nicht affiziert werden können, fühlen sich immer wieder angesprungen vom Whiff der Aussichtslosigkeit, in den das durchdrungene Menschtier sich hüllt – wenn es den Weisungen seines selbstgewählten Meisters folgt.

Er stinkt, und das Menschtier vermeint in seiner Verblendung immer neue ambrosianische Wohlgerüche zu erwittern. Es müsste, so denkt man, den Geruch der Kloake doch identifizieren. Wenn es einmal in die Scheiße getappt ist, so denkt man, und gläubig eine Mütze aufgesetzt hat, zum Beispiel, sollte es doch nicht so dumm sein, es nun mit den Stiefeln zu versuchen? oder mit den Taschen?

Ist doch ein aufgewecktes Wesen, wird doch nicht so dumm sein?

Es wird.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 24.11.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)