Uhu

Voll von lautlosem Schwingenschlag waren die Wälder, unter dem sinkenden Mond.

Federweiche Gestalten durchstürzten die Lüfte, in weiten Schwüngen, und gepolsterte Töne stießen sie aus, klagend, oder zu dunkler Rundung geformt, dass es klag wie böse Vorbedeutung, oder wie Leidenslaut, doch verhüllt, gedämpft, durch dichte Vorhänge aus Wolle, die waren gewoben aus Mitternacht, und den Schrecken der Unwissenden.

Bernsteinleuchtend die Augen, kreisrund, mit riesigen Pupillen, nichts entging ihnen, keine Bewegung in den Schatten des Unterholzes, und die Ohren fingen jeden Laut, das Trippeln von Mäusefüßen, das schwerere Trommeln der Hasen.

Rund und kugeldick waren die heimlichen Tiere, das machte das Gefieder, locker und weich, dass die Luft hindurchfloss im Flug wie durch Spinngewebe, lautlos und ohne Widerstand. Nicht einmal die Schwungfedern gaben ein Geräusch, in ruhigem auf- und Niederschlag streichelten sie den Nachtwind, der strich an den gezähnten Enden vorüber, als wäre es ein Spiel, sanft wie die dunklen Schatten in den Baumkronen.

Fast unsichtbar war das bräunlich gesprenkelte Gefieder, nur die Unterseiten der Flügel leuchteten auf in bleichem Schimmer, bei jedem Schlag.

Die großäugigen Tiere schwammen in den Gewässern der Dunkelheit, getragen von Luft, getragen von Lautlosigkeit, runde, dicke Geschöpfe mit weitem Schwingenschlag.

Da war Rumpeln und Poltern, am Boden kroch es entlang, ein fremdes Geräusch zur Nacht, im Wald, und einer der lautlosen Jäger machte sich daran, es zu beobachten, gedankenschnell trug ihn fort der ruhige Flügelschwung.

Da kroch es dahin, auf dem engen Waldweg, schleichende Bewegung und lärmend, von irdischer Mühsal, dröhnende Räder und nickende Ochsenköpfe.

Der Jäger ließ sich sinken, mit ausgebreiteten Schwingen, segelte in weitem Bogen von oben und hinten herab auf die Gespanne, erschaute alles, vorneweg lief ein einzelner Mann, und der sinkende Flug des Jägers trug ihn vor dessen Füße, fast bis auf den Boden, und dann hob ihn ein einziger gemessener Schwingenschlag – federleicht ließen die Flügelspitzen die Gräser auseinanderwehen – hoch in die Lüfte.

Roger sah vor sich nur eine riesige Gestalt, die kam aus dem Nichts, und ein weißes Aufleuchten in ruhigem Schwung, und er japste, das Herz blieb ihm stehen, Moses Maimon drängte aus dem Geschirr, mit wütenden Hörnerbewegungen, Roger hatte alle Mühe, ihn festzuhalten, und dabei fühlte er, wie ihm das Grauen den Rücken hinunterlief.

„Was ist denn los?“ fragte Grand Mère vom Kutschbock herab mit leiser Stimme, sie war eingenickt gewesen und hatte nichts bemerkt.

„Ach nichts“, antwortete Roger, bemüht, seine Fassung wiederzugewinnen, „das war ein Uhu … nur ein Uhu … er hat die Tiere erschreckt.“

„Ach so“, sagte Grand Mère und rückte sich bequemer zurecht.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 24.10.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)