Der Dachs

Das war eine gute Zeit für Dachse, Silber und Schwarz, raschelnd bewegte sich das dicke Tier zwischen den Schatten, unsichtbar geworden.

Mauern bröckelten um ihn herum, da hatte er Höhlung gefunden, hatte weiter gegraben zwischen morschem Geziegel, Schacht und Kanal ward, bald fünfzehn Ellen der Länge nach, und tief unten, fünf oder sechs Ellen unter der Oberfläche, hatte er sich seine Wohnung eingerichtet, behagliche Höhlung, Kessel. Verborgen war der Eingang unter Wurzeln und Gesträuch, kein Tier lebte sicherer.

Er hatte viel vor für die Nacht, noch zu wenig gefüllt war der Wanst, Speck sollte sich entwickeln unter dem borstigen Fell, Speck für den Winter …

Winter.

Da würde er liegen und träumen, eingerollt wie eine Katze, in der warmen schwarzen Höhle, liegen und träumen, und oben würde es still werden und stiller, der Schnee würde fallen, die Bäume umhüllen und die Mauern, gedämpft wäre alles, so leise, dass man würde ein Blatt fallen hören können, ein verspätetes Blatt, das den Herbst überdauert hatte, mit rieselndem Geräusch würde es sinken in den Schnee, bald zugedeckt sein … Die Stille des Winters, endlich. Und der Dachs würde liegen und schlafen und träumen, die kurzen breiten Pfoten würden zucken, vielleicht auch die Schnauze schnüffeln. Und warm und dunkel wäre die Höhlung, zu lang der Gang, um Kälte oder Licht herein zu lassen, und ausgepolstert der Boden mit Laub und Moos, zu weicher passender Kuhle geformt, nach vielem Drehen und Wenden.

Dahin musste er nun vorsorgen, Fettvorrat anlegen in dem runden Körper mit dem dicken Schwanz, und die Nase schnüffelte, die runde dicke Nase an dem schwarzweiß gestreiften Kopf, immer zu Boden gesenkt. Schnaufend tappte er durch’s Unterholz, er trat mit der ganzen Sohle auf, deshalb erschien sein Gang watschelnd und schwankend, aber er war flink, er konnte Mäuse erwischen, wenn er Glück hatte, und Frösche, die waren unachtsam des Nachts; jedoch begnügte er sich auch mit Schnecken und Würmern, verschmähte nicht einmal Käfer, nahrhaft war alles, überdies gab es Beeren und allerlei wilde Früchte, und Wurzeln und Knollen …

Er schniefte wie ein Igel und bohrte mit der Nase zwischen den Wurzeln herum, der Kopf war zugespitzt, ein schlankes Dreieck, und ab und zu knirschte es zwischen den breiten stumpfhöckrigen Zähnen, dann hatte er etwas gefunden, das das Zubeißen lohnte.

Durch das dichte Laub drang gleißendes Mondlicht auf den Boden, warf scharfe Schatten, Streifen schwarz und weiß, der Dachs war nicht zu erkennen, nur das Schniefen und Rascheln verriet ihn, aber das machte ihm nichts aus, er hatte keine Feinde, er nicht.

Dort war eine kleine Lichtung, begrenzt von der Zackennase einer verwitterten Ziegelmauer, und gegenüber wurzelte eine helle Birke. Hier wuchsen viele Pilze, denn es war eine feuchte und sumpfige Ecke, viele Pilze ziehen viele Schnecken an, auf die zielte der Dachs.

Er schnüffelte eine Weile herum zwischen dem Laub, das lag dicht geschichtet, die Frucht vieler Herbste; schließlich knirschte es saftig und schmatzend, er hatte gefunden, was er suchte.

Um die Ecke der Ziegelmauer schob sich anderes Geraschel, Schwarzstreifen im Silberlicht, es schien einen Konkurrenten zu geben, der auch die Stelle kannte.

In der Mitte der Lichtung begegneten sie sich und machten die Sache ab, es gab ein kurzes Getapere mit den breiten Pfoten, ein Beißen mit den kräftigen Zähnen, dann quiekte es heftig und protestierend, und einer der beiden machte sich davon.

Der Zurückgebliebene, der Sieger, schnaufte heftig, zuckte erregt mit dem Kopf, es dauerte seine Zeit, bis er sich beruhigt hatte, aber dann begann er wieder im Laub zu stöbern, suchte nach Schnecken, er musste ja Vorsorge treffen für den Winter.

Eine gute Zeit war das für Dachse.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 28.09.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)