Nicht lange, und der Mond ging auf.
Gelblich war sein Schein zuerst, dicht überm Horizont, und er schaute durch die Bäume wie ein gewaltiges Gesicht, dass sich die Kaufleute schaudernd der Wesen bewusst wurden, die da in den Wäldern lebten, gefährlich nicht aus Bosheit, sondern ihrer Gleichgültigkeit wegen, denn nicht achteten sie der Menschen, führten sie in die Irre, vernichteten, ohne es zu wollen, ohne es zu merken.
Die Baumwesen. Die Geschöpfe der Quellen. Die Leiber, gesponnen aus Dunkelheit und Mondlicht. Die Alten Männer. Lebten grollend in den Felsbrocken, dass Flechten herabhingen wie graue Bärte. Die geheimen Tänze auf glänzenden Lichtungen.
Dann stieg der Mond höher, das Gesicht wurde kleiner und silberner, und der Nachtglanz begann zu strahlen.
Silber überall, auf den Wegen und Menschen und Tieren, auf den Bäumen und Sträuchern, auf dem widerspiegelnden Wasser.
Aslan löschte die Laterne, und er sah, dass er einen scharfen Schlagschatten warf auf den Weg, schwarz, und gleißend weiß darum der Grund. Er blickte sich um, sah zurück zu dem Wagen, und da saß Grand Mère auf dem Kutschbock und war von Silber übergossen, und weiß schimmerten die Wagenplanen.
„Wie hell der Mond ist“, sagte Inge leise und drängte sich an ihren Mann.
„Ja“, antwortete er, „man kann jedes Blatt erkennen, schau nur …“
Und alle Farben waren hinweggenommen von der Welt, waren nur übriggeblieben Weiß und Silber und Schwarz, und die Blätter und Äste und Stämme wie eine Tuschzeichnung, von schmerzender Deutlichkeit, hart und klar.
[…]
Die kleine schwarze Katze blinzelte, so hell war draußen der Mond …
Sie lag auf Waldemars Schoß, eingerollt, und lauschte auf das Rumpeln der Räder, in eine fremde Welt war sie eingetaucht.
Eluard begann wieder, sie zu streicheln. Über das glatte schwarze Fell, von oben nach unten, von oben nach unten.
Die kleine schwarze Katze schloss die Augen, streckte sich. Dann schnurrte sie, zitternd dunkles Geräusch, gesponnen aus Wärme und Wohlbehagen.
Eluard tastete nach der kleinen Kehle, da fand er sie, spürte die dünne Luftröhre, und gleichmäßig vibrierte es unter dem Fell.
Die kleine schwarze Katze streckte sich erneut, spannte die Pfote, dass die Krallen heraustraten, und ließ sie wieder schlaff hängen.
Schlaf, Schlaf im Mondschein …
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 26.09.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)