Sie sprachen nicht, während des Essens, fühlten nur ihre Gegenwart, und die Sicherheit des Zusammenseins, ein Kreis um’s Feuer.
Die Ochsen zermahlten das Schilfrohr, hoben gelegentlich die Nacken, dass das Geschirr knarrte.
Das Feuer gloste und knackte, eilig ringelte sich der Rauch empor, fing sich in den Zweigen der Pappeln, dort war kein Flüstern, kein Windhauch bewegte die Blätter. Schwarz standen die Stämme, von dichten, aufwärts strebenden Ästen umgeben.
Im Röhricht, in den Gebüschen der Weiden und Erlen schlief die Stunde zwischen Tag und Nacht, die Stille.
[…]
Sie schauten in’s Feuer, gesättigt, mit träumenden Blicken.
Inge bewegte streichelnd die Hand über ihrem Schoß, gleichmäßig und ohne hinzusehen.
Inge schaute, schaute noch einmal und genauer, und prallte mit einem Aufschrei zurück.
„Was ist denn …“ fragte Grand Mère, aufschreckend, alle waren sie zusammengefahren.
„Bei Vautrin“, keuchte Inge, „was bin ich erschrocken … wo kommt die denn her …“
Aslan fing an zu lachen und sagte trocken zu Roger: „Ich gratuliere.“
In Magdalenas Schoß lag zusammengerollt eine kleine schwarze Katze.
„Ich weiß nicht, wo die herkommt“, sagte Magdalena und schaute verwirrt von einem zum anderen. „Die war auf einmal da … wieso … was habt ihr denn?“
„Roger weiß, wo die herkommt“, sagte Aslan feixend.
„Seit wann hast du Angst vor Katzen?“ fragte Magdalena.
„Ich hab keine Angst“, rief Inge protestierend. „Ich bin nur so erschrocken, als die plötzlich einfach so dalag … ich war nicht drauf gefasst …“
„Vielleicht kommt sie aus dem Wald …“ meinte Grand Mère, die noch nicht verstanden hatte.
„Woher denn“, sagte Aslan, „das ist eine Hauskatze, das seht ihr doch. Außerdem kennen wir sie, nicht wahr, Roger, mein Sohn?“
Roger wand sich.
„Was?“ fragte Inge.
„Roger hat sie angelockt“, antwortete Aslan. „In Dietrichs Haus.“
„Das ist nicht wahr!“ protestierte Roger. „Ich hab sie bloß gestreichelt … und so …“
„Ach die ist das!“ rief Waldemar, der die kleine schwarze Katze jetzt erkannte.. „Das ist die, die immer im Stall bei Moses Maimon war!“
„Oh! Vautrin beschütze uns!“ rief Grand Mère und schlug die Hände zusammen. „Jetzt haben wir auch noch eine Katze gestohlen.“
„Lange noch wird man reden von uns in diesem Haus, ohne Zweifel“, sagte Aslan sarkastisch.
„Vielleicht merken die das doch gar nicht“, sagte Inge und fing an zu lachen.
„Aber ganz bestimmt merken die das“, erwiderte Aslan. „So viele Katzen hatten die nicht, und außerdem haben sie sie jeden Abend gefüttert … da wird es ihnen schon auffallen, wenn eine fehlt …“
Sie fingen jetzt alle an zu lachen, wirklich, da war ein starkes Stück, sie hatten eine Katze gestohlen.
„Haha“, lachte Grand Mère, „wahrhaftig, wenn wir nur die Frau Elisabeth geschlagen hätten, das würden die uns ja noch verzeihen, aber dass wir ihre Katze mitgenommen haben, also, das ist zuviel …“
„Das heißt den Bogen überspannen!“ prustete Roger, und sie lachten, dass ihnen die Tränen kamen, wie Kinder.
„Den Bogen überspannen!“ schrie Inge. „Haha, stellt euch vor, die suchen jetzt das ganze Haus ab, was wir sonst noch angestellt haben!“
„Hu, hu—huu“, heulte Grand Mère, „sollen wir nicht zurückfahren und sagen, wir hätten noch was vergessen?“
„Ha, ja-ha—haa“, rief Inge, „wir fahren vo-hohor und steiheigen ab, und gehen gaganz ernst an ihnenn vorbei, hahah, huuh, und räumen die Küche aus, ein Stück nach dem anderen …“
„Und die stehen dabei und gucken zu!“ wimmerte Roger. „Und—uund, nein, passt auf, dann sind wir fertig, fe—fertig und fahren ab, und dann erst merken sie was … uhund dann … hyha … und dann … hörr … kohommt die Fhhh … die Frau …“
„Haahaaa“, kreischten Grand Mère und Inge.
„ … die Ffffrau E-elisabeth … haa … ha … hörrr …“
Sie wälzten sich.
„Ko … kohohommt getrampelt … wie ein Stier …“
„Ha—ha-haa – Wau—Wau—Vautrin steh uns beiheiheieiei … hahabt ihr gesehen, wie sie gerarannt ist …“
„Gerrarannt dass … dass ihr diedie Brühühüste über … über die Schultern hingen …“
„Harrrr!“
„Au-aufhören!“ schrie Grand Mère und hielt sich den Leib, „ich kann nicht mehr, haha, au, mein Bauch, haha, hyha …“
Und sie wälzten sich und wieherten, dass die Ochsen unruhig wurden.
„Also seid ihr jetzt fertig?“ fragte Aslan mit Sarkasmus, als sie sich etwas beruhigt hatten. „Wir sollten vielleicht an Aufbruch denken.“
„Ja-haa“, prustete Grand Mère, „oh, oh, bei Vautrin — oh!“
„Was soll das eigentlich heißen“, fragte Magdalena verwirrt, „die Frau Elisabeth geschlagen? Was —“
„Das soll gar nichts heißen“, erwiderte Inge schnell. „Nur ein Scherz, ein Scheherz, hu …“
„Und was machen wir nun mit der Katze?“ krähte Waldemar.
„Hm“, machte Aslan, „was sollen wir mit ihr machen … wie die nur mitgekommen ist … sie muss sich irgendwo auf den Wagen versteckt haben … nehmen wir sie halt mit, sie ist noch klein, ich glaub kaum, dass sie sich im Winter hier im Wald allein durchschlagen könnte … ja, nehmen wir sie mit.“
Irgendwie empfand er es als richtig, das kleine Tier zu behalten, es war ein Stück Leben, ein Stück Leben aus dem Haus, wo das Leben so geschunden wurde.
„Also dann“, sagte er. „Sehen wir zu, dass wir weiterkommen.“
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 20.09.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)