Die schwimmenden Vögel auf dem Wasser zogen ruhige Kreise, ab und zu steckten sie die Köpfe zwischen die Wasserlinsen, dann gab es einen plätschernden Laut, sie fingen kleine Tiere, Insekten, Muscheln. Der Abendwind war ganz erstorben, das Schilf flüsterte nicht mehr, und auch die Pappeln standen still. Die Sonne war fast untergegangen, nur der oberste Rand des Balles sah noch über den Horizont, eine rote Sichel, und färbte die verstreuten Wolken. Dunkel war der Himmel geworden, von milchigem Grau, das von Minute zu Minute durchsichtiger wurde und klarer, bald würde es sich tiefen zu reinem Schwarz, und die Sterne würden aufglänzen.
Die Luft war sehr weich und grau, stand dämmernd über dem Wasser, über dem Weg, zwischen den Bäumen, die Umrisse verloren ihre Schärfe, weich lehnten sich die Dinge ineinander, farbige Schatten sie alle, wie auf Kreidegrund.
Waldemar blickte hinüber zum Lagerplatz, dort gloste rot das Feuer, die Frauen bereiteten das Essen. Rauch stieg auf, über der Glut, der ließ die Pappeln noch schwärzer erscheinen.
„Magdalena ist herausgekommen“, sagte Waldemar leise. „Wollen wir nicht hingehen?“
„Ja“, antwortete Eluard, „oh ja …“
Aber keiner von beiden rührte sich, es lag eine schläfrige Trägheit in ihren Gliedern, das machte die Dämmerung, man ließ sich treiben, mit ziellosem Blick, treiben mit den grauen Schatten, war selber einer …
Es plätscherte auf dem Wasser, zwei von den kleinen Vögeln waren in Streit geraten, und es gab ein kurzes, heftiges Piepen, dann floh der Unterlegene, so hurtig, dass er auf dem Wasser zu laufen schien, die kurzen Beinchen mit den großen, schwimmhäutigen Füßen patterten eilig.
Eluard schaute zu, versunken. Wie das wohl von unten aussehen mochte? Wenn man der Hecht wäre, still zwischen den Schilfrohren stehend, in dem schwarzen Wasser … da würden über einem, eingebettet in den grünen Spiegel, die runden Vogelkörper schwimmen, mit den wassertretenden Füßen, ab und zu würden die Schnäbelköpfe hereinschauen, und ebenso schnell wieder herausgezogen werden …
„Huhu!“ rief Grand Mère am Feuer. „Kommt, ihr Kleinen! Es gibt Essen!“
Die Stimme flog klar und kräftig durch die Dämmerung, sie weckte Waldemar und Eluard, und sie rutschten herunter vom Geländer und sprangen hinüber zum Feuer.
Die Teichhühner bargen sich eilig im Schilf.
„Hallo!“ rief Magdalena. „Schaut mal, ich bin schon auf …“
Waldemar fiel ihr um den Hals und küsste sie, Eluard blieb unschlüssig stehen, bis sie ihn zu sich heranzog.
„Wie geht es euch?“ fragte sie. „Wir sind wieder unterwegs, das ist gut, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Waldemar eifrig, „das ist gut …“
Und „Das ist gut …“ wiederholte auch Eluard.
„Nun setzt euch her“, sagte Grand Mère, „dass wir essen können … Aslan, nun komm doch … wo steckst du denn?“
Sie mühte sich mit langem Hals, über den Feuerschein hinauszusehen, und Aslans Stimme antwortete: „Ich komme …“ Er war vorne bei den Ochsen, bei dem ersten Gespann, hatte die Tiere gestriegelt, dass sie bei guter Laune blieben, für den weiten Weg.
Roger kam auch herbei, er hatte weiter wegunten einen Vorrat an Schilfsprossen geschlagen und sie hinten auf seinem Wagen aufgeladen, so war für alle Fälle vorgesorgt.
Inge, die zwischen Magdalena und Grand Mère saß, zog Eluard auf ihren Schoß; und Waldemar lehnte sich an Magdalena, die legte den Arm um seine Schultern.
Aslan und Roger ließen sich auch nieder, und Grand Mère blickte befriedigt, sie waren wieder beisammen.
Die Sonne war ganz verschwunden, ein blasser roter Streif nur stand noch im Osten, der erhellte den Himmel nicht mehr. Da und dort funkelten Sterne, der Mond musste bald aufgehen. In den schwarzen Gewässern murmelte es leise, kaum zu vernehmen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 18.09.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)