Eiche und Wiese

Groß waren die Gedichte der Eichen, sie standen seltsamer Gebärden voll und eigensinnig, behaupteten ihren Ort … grau die Stämme, fast schwarz oft, borkig und rissig, die Blätterbüschel mit den harten Wellenrändern schwer hängend im Wind, murmelnd, murmelnd, wer kennt die Geschichten. Alter umwehte die Stämme, und harte Beständigkeit, die Zeit schlief in den Bäumen, schlief in den Ästen, hinterließ ihre Spuren, hinterließ ihre Gedanken in den bizarren Gesten, die überlieferten manches Wort, das das Leben gesprochen zu seiner Zeit.

Hart und dick waren die Blätter, auch schwer, sie sanken unter im Wasser, sie lagen lange zu Füßen der Eisenstämme und verwitterten nicht, lagen und bedachten ihre vielfach gelappte Form, und die Sträucher und Kräuter drängten sich hervor unter ihrer lagernden Masse, empfingen das Licht aus den helldurchfluteten Kronen.

Wasser sammelte sich in Astlöchern und Moderhöhlungen, doch schenkte es nur wenig Raum dem Leben, es wurde sauer vom Gerbstoff des Holzes und der Blätter, klärte sich zu gläserner Durchsichtigkeit, mit einem seidenen Schimmer von Braun, und die Blätter sanken nieder darin, kaum vermodernd.

Im Herbst würden die Eicheln hängen, braun, mit den grünen Hütchen an grünen Stielen, harte Fruchtbarkeit, hart und nahrhaft, die Eichhörnchen würden kommen und die Siebenschläfer, Eichelhäher würden herbeiflattern, und zu Füßen der Stämme würden die schwarzen Wildschweine den Boden umwühlen, mit schnoberndem Rüssel.

Efeu kletterte empor an den borkigen Rinden; so zart sahen seine Ranken aus, und waren zäh, dass Menschenkraft sie nicht zerreißen konnte, umfingen die Stämme, durchlebten mit ihnen die Jahrhunderte, langsam, langsam war beider Wachstum.

[…]

Hoher Nachmittag; immer noch grau war der Himmel, doch zogen die Wolken nun schneller dahin, formten zerreißende Gestalten, unbeständig, mit weißen Verschleierungen, zogen dahin nach Osten, gegen Abend würden sie sich auflösen, das war sicher.

Es hatte schon aufgehört zu regnen, aber die Bäume und Sträucher und Gräser troffen noch silbrig, keine Sonne war und zu wenig Wind, sie zu trocknen, auch die Wagenplanen hingen nass, und zottig war das Ochsenfell.

„Schau“, sagte Grand Mère, „dort ist eine Wiese, halten wir an, die Tiere zu tränken …“

Aslan nickte, es war wohl an der Zeit, eine Pause zu machen, auch für die Menschen, dass sie sich die Beine vertreten konnten, das Blut in den Gliedern in Bewegung zu bringen …

Er rief den Ochsen zu, lenkte sie mit den Zügeln, die Tiere schwenkten die Köpfe, die hellen Hörner, dann gehorchten sie und zogen den Wagen hinunter vom Weg auf die Wiese, und Rogers Gespann folgte.

Unhörbar wurde sofort das Mahlen der Räder, dicht und federnd waren die Gräser und Kräuter.

„Ein guter Ort ist das“, meinte Aslan.

Trocken und hoch war die Wiese, groß genug, dass man auf sie hinauf und in bequemem Bogen wieder hinunterfahren konnte, ohne viel Hin- und Herrücken; dicht war sie umstanden von Weißdorn und Haselsträuchern, fast undurchdringlich, und dahinter wartete der Wald, mit den hohen Kronen der Buchen und Ulmen.

Die Ochsen begannen sogleich zu grasen, köstlich waren die Kräuter und Gräser, in vollem Saft, Klee und Beifuß, Wegerich und die fleischig-grünen Blätter des Salbei, Löwenzahn und Gräser aller Art, mit leichten Rispen, Kamillen und Margueriten, und die kleinen Gänseblümchen, die kitzelten, wenn sie in die dicken Ochsennasen gerieten. An einer Stelle wuchs eine Kolonie der Schafgarbe, aber die war ja kaum zu genießen, nicht einmal für das mahlende Ochsengebiss …

Am jenseitigen Ende der Wiese, dem Weg gegenüberliegend, floss ein Bach, tief eingeschnitten, entwässerte die Lichtung; dort schöpfte Roger Wasser für die Tiere, Inge half ihm, sie folgte ihm auf dem Fuß und mochte sich gar nicht von ihm trennen.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 23.08.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)