„Es ist so still“, murmelte Magdalena. „Sind wir im Wald?“
„Ja“, antwortete Grand Mère, „dichter Wald.“
Magdalena schlug die Augen auf, dämmrig war es, sie lag auf dem Rücken und blickte hinauf in den weißlichen Planenhimmel, und neben ihr hockte Grand Mère.
„Was für ein Wald?“ fragte sie, und sie fühlte sich klarer, als hätte sie lange geschlafen, wäre erwacht aus dem tiefen Schlaf der Erschöpfung.
„Ein Flusswald“, antwortete Grand Mère, „erstreckt sich weithin, tief und flach ist hier das Land … doch ist der Weg fest und gut, keine Schwierigkeiten macht das Vorankommen, nein …“
Magdalena schwieg, sie sah träumend empor in die schwankende Plane, dann fragte sie: „Wie ist es draußen?“
„Es regnet, mein Kind“, antwortete Grand Mère, „doch nicht stark, es wird gegen Abend aufhören, denke ich, und Aslan meint das auch.“
„Aslan …“ murmelte Magdalena. „Ich bin froh, dass ich bei euch bin.“
Grand Mère streichelte ihr den Kopf. „Aber natürlich, mein gutes Kind“, sagte sie, „warum solltest du nicht bei uns sein, du bist doch eine von uns, wir sind Familie …“
Magdalena schloss die Augen und drückte ihren Kopf mit einer antwortenden Bewegung gegen Grand Mères Hand. „Ihr seid alle so gut zu mir“, sagte sie. „Ich hab geträumt … ich weiß gar nicht, was. Mir ist, als sei alles so fern, als müsste ich viele Wege gehen, retten, helfen … als wären so viele meiner bedürftig, und ich bin doch so schwach, was kann ich tun …“
„Bedürftig ist jeder Mensch des anderen“, sagte Grand Mère ernst. „Vautrin hat uns so erschaffen. Doch tun kann jeder nur das seine, und was darüber hinausgeht, das muss er ruhig geschehen lassen, das ist das Leben, wie es Vautrin uns gab.“ Sie streichelte immer noch Magdalenas Kopf, dann nahm sie ihre Hand, die auf der Decke lag, und fragte: „Möchtest du etwas? zu trinken? zu essen?“
„Nein“, antwortete Magdalena, „ich möchte gar nichts, nur schlafen, ich bin so schläfrig … sag mir, wie geht es den Kleinen?“
„Um die brauchst du dir keine Sorgen zu machen“, sagte Grand Mère und lachte, „die sitzen hinten in Rogers Wagen und halten Ausguck.“
„Ausguck?“ fragte Magdalena. „Ausguck wonach?“
„Oh, gar nichts“, antwortete Grand Mère rasch, „sie sitzen nur und schauen einfach hinaus, das meinte ich.“
„Sind tiefe Spuren hinter den Wagen?“ fragte Magdalena.
Grand Mère sah sie zweifelnd an, dann antwortete sie: „Nein, gar nicht … der Weg ist fest, und gut zu befahren … ich weiß nicht, was du meinst.“
„Es klingt so weich“, sagte Magdalena und hatte wieder die Augen geschlossen. „So weich … als ob wir darin versinken sollten.“
„Schlaf weiter“, sagte Grand Mère leise und lächelte. „Schlaf weiter, und mach dir keine Gedanken … wir sind ja bei dir.“
„Ja …“ murmelte Magdalena, schon fast eingeschlafen, und Grand Mère legte ihre Hand zurück auf die Decke. „Schlaf“, wiederholte sie, „wir sind ja bei dir …“
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 21.08.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)