„Vautrin sei Dank,“ sagte Grand Mère, „da kommt Aslan.“
„Wer?“ murmelte Magdalena, verschlafen.
„Aslan“, erwiderte Grand Mère, „dein Mann, Kind, er wird dich hinuntertragen, siehst du, jetzt brauchst du nicht zu laufen.“
Ah, das ist gut, dachte Magdalena, er wird mich tragen, dann kann ich ja wieder die Augen zumachen … und sie lehnte den Kopf gegen Grand Mères Schulter, schließlich, sie standen mitten in einer Wolke, einer hellen grauen Wolke, die würde schon wissen, wohin sie fliegen musste, wozu also darauf achten …
[…]
Da stiegen also diese Kinder auf die Wagen, und die kleine Lili heulte ihnen hinterher, wo war Jeremias … ach ja, da … stand furchtsam am Rand des Hofes, unter einem Baum, und beglotzte die Ochsen, um derentwillen traute er sich nicht näher heran an die Wagen.
Halbord stieß verächtlich die Luft durch die Nase, wenn das Dietrich sähe …
Dietrich.
Und dort lief dieser Kaufmann die Treppe hoch, hatte der das eilig, überhaupt hatten die alle das eilig, sprachen halblaut, mühten sich, leise aufzutreten …
Da stimmte doch etwas nicht.
[…]
Aslan eilte die Stufen empor, sie knarrten, die dicken Eichenbohlen, nicht so laut, bitte, nicht so laut … der Kaufherr war voller Unruhe, er mühte sich, möglichst wenig Lärm zu machen auf der Treppe, warum nur, es lag kein Anlass vor, und doch hatte er das Gefühl, sie müssten weg hier, nur weg …
„Gut, dass du kommst“, sagte Grand Mère, „ich bekomm sie nicht mehr von der Stelle, sie ist zu schwer für mich.“
„Ist schon gut“, antwortete Aslan, „ich trag sie.“
Und er hob Magdalena vom Boden und erschrak, wie leicht war sie geworden, das konnte doch nicht sein, wie eine Feder …
„Pass auf, dass du sie nicht fallen lässt“, sagte Grand Mère besorgt.
Er antwortete nicht, er ging halb seitwärts, um die Stufen erkennen zu können, flüchtig erinnerte er sich an David, genauso war der gegangen, am Tage, da sie angekommen waren, als er den Stuhl heruntertrug, für Magdalena, die schien im Sterben zu liegen, jetzt ging es ihr wieder besser …
„He … was machst du da?“ murmelte sie an seiner Schulter, ohne die Augen zu öffnen. „Warum trägst du mich? Ich will noch schlafen, es ist doch noch nicht Zeit aufzustehen, oder?“
„Alles in Ordnung“, sagte er, „sei nur still, es ist schon alles in Ordnung.“ Hinter sich hörte er Grand Mère tappen, sie eilte dicht hinter ihm her, so hatte sie es also auch eilig, genau wie er …
„Was ist mit der Wolke?“ murmelte Magdalena wieder. „Du brauchst mich doch nicht zu tragen, sie fliegt ganz von selber …“
Sie redet irre, dachte er voll Schrecken.
Am Fuß der Treppe stand Halbord, stellte ihm sich in den Weg, aufgeplustert, gebläht vor Importanz, mit roten Flecken im Gesicht, und schrie ihm entgegen: „Nichts geschieht im Hause ohne Wissen des Hausherrn!“
Aslan zog die Augen zusammen, kaum merklich, und sagte, ohne die Stimme zu erheben: „Geh mir aus dem Weg, Lümmel.“
Halbord zuckte zusammen, das war die Stimme der Autorität, und auf einmal war er ganz kraftlos, er trat beiseite und gab Aslan und Grand Mère den Weg frei, und dann spürte er Hass, nagenden Hass in seinem Herzen, wo war Dietrich, wo waren die anderen, und er entsprang und lief zum Hauptportal und in das schweigende Haus hinein, er musste sie suchen, Hilfe holen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 01.08.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)