Lärm

Dann war auf einmal ein Lärm, da draußen …

Die kleine schwarze Katze suchte sich ihren Weg durch die Gerüche der Dunkelheit, wie das alles fremd war hier! Winkel und Ecken zuhauf, gut und dunkel war es, aber so fremd, so fremd.

Die kleine schwarze Katze setzte ihre Pfoten auf, lautlos, geduckt, und spähte, ihre Augen schimmerten grün, über der witternden Nase.

Da lag ein Ballen Baumwolle am Seitenrand, schräg darüber gelehnt mehrere Rundhölzer, das war wie eine Höhle …

Die kleine schwarze Katze sprang hinauf auf den Ballen, unter das hölzerne Schrägdach, wie weich und flockig die Baumwolle war … und wurde warm unter dem Katzenfell, das war ein guter Ort.

Die kleine schwarze Katze legte sich auf den Bauch, die Pfoten vorgestreckt wie ein Sphinx, und wartete. Sie konnte alles hören von hier aus, vieles sehen, aber niemand würde sie entdecken, wahrhaftig, das war ein guter Ort.

Aber die Gerüche, die Gerüche! Unbestimmbar, von nie gekannter Fülle. Die kleine schwarze Katze schloss die Augen, fühlte, wie sie die Nasengänge hochdrangen, die Gerüche, meditierte ihnen nach, ungeahnte Regionen erschlossen sich, Duftwelten von wunderbarer Fremdheit, man musste sie erforschen, sich hineinversenken, ja …

[…]

„Wo wollt ihr hin?“ fragte Inge und blickte flüchtig Aslan nach, der auf die Treppe zulief.

„Auf den hinteren Wagen!“ rief Waldemar, der zu gern hinausblickte, dem entschwindenden Weg nach.

„Ja“, sagte Eluard, „das ist gut, dann können wir winken.“

„Also los“, sagte Inge, „ich helf euch rauf …“

Sie nahm Eluard bei der Hand und führte ihn eilends zur Rückseite von Rogers Wagen, Waldemar sprang vorneweg, und Lili folgte, mit Tränen in den Augen, er sieht mich gar nicht mehr, dachte sie, wenn er sich wenigstens einmal umdrehen würde …

Inge zog die Plane ein wenig auseinander und hob dann Waldemar hoch, dass er über das Schlussbrett klettern könne.

„Oha“, sagte sie und lachte, „das gute Essen, wie? So ein dicker Kerl, ich kann dich ja gar nicht mehr heben …“

„Jaaa“, antwortete Waldemar entrüstet und wuchtete sich über das Brett in’s Innere, auf dem Bauch, und ein Bein nach dem anderen.

„Und jetzt du“, sagte Inge und drückte Eluard nach oben, der war leichter, aber er war ja auch sonst ganz anders als Waldemar, schon anders geboren …

Inge drehte sich um, da stand Lili und schaute bittend.

„Nein“, sagte Inge, „du kannst nicht mit, kleines Mädchen, nun wein doch nicht.“ Und sie strich ihr über die Haare und beugte sich zu ihr nieder und küsste sie, aber das half nichts, Lili begann zu schluchzen.

Oben zogen die Jungen die Plane weiter auseinander, dass sie die Köpfe hindurchstrecken konnten, die Arme auf das Schlussbrett gelegt.

„Jetzt fahrt ihr“, sagte Lili bekümmert hinauf. „Vergisst du mich auch nicht?“

„Nein“, antwortete Eluard ernsthaft, „das tu ich nicht, bestimmt nicht …“

Und er meinte es auch.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 30.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)