„Bitte, lauf doch nicht so schnell“, rief Lili, und Eluard fiel ein paar Schritte zurück, dass sie seine Hand erreichen könne, danach suchte sie, die arme Lili, es wurde ihr mit einem Male bewusst, dass sie wirklich fort wollten, die Kaufleute, das war ernst, am grauen Morgen, Abschiedszeit …
„Eluard, komm doch“, rief Inge und wandte sich um, so dass Waldemar an ihr vorbei und voraus hüpfte. „Wir haben keine Zeit mehr, wirklich!“ Sie war von Unruhe erfasst, auch sie jetzt, und das Haus schwieg, das war es ja, sie mussten sich vorkommen, die Kaufleute, als täten sie etwas Unrechtes, und irgendwo hinter den Mauern berieten die Häusler, oder was sonst immer sie treiben mochten, Vautrin würde es wissen.
Lili umfasste mit beiden Händen Eluards Arm, das war nicht leicht, wenn sie dabei ihre Puppe nicht verlieren wollte, sie musste sie unter den Arm klemmen, und das hinderte sie am Laufen, so war das also, sie rannte ungeschickt hinter dem kleinen Jungen von den Kaufleuten her, und der würde gleich wegfahren, sie fühlte, dass die Puppe wegzurutschen drohte, aber Eluards Arm loslassen wollte sie auch nicht, wie war das widerlich … demütigend. Sie begann zu weinen, ohne das Gesicht zu verziehen, es liefen ihr einfach die Tränen aus den Augen.
„Wozu diese Eile“, sagte Halbord hinten gewichtig, und dann fiel er ihm ein, der Satz der Sätze, der unvergängliche Satz der Häusler, wenn sie etwas nicht verstehen: „Da stimmt doch etwas nicht …“ Und sein Gesicht verklärte sich im Bewusstsein, richtig zu sein, richtig zu reden, richtig zu denken, den richtigen Tonfall zu haben, ja, das war es, der Klang des Dorfes, der Klang der festen Wohnungen, „da stimmt doch etwas nicht …“, so genau so würde Dietrich auch reden, oder Elisabeth, oder wer sonst, und ihre Gesichter würden einen spähenden Ausdruck annehmen, im Bemühen, „dahinterzukommen“, „es rauszukriegen“, oho, man konnte ihnen nichts vormachen … Und Halbord spürte, dass ihm die Situation gefiel, er hatte sie im Griff, er war in der richtigen Rolle, oh ja.
Und er ging langsamer, mit einem schiefen Lächeln Inge und den Kindern nachspähend, zu Jeremias sagte er: „Lauf nur hinterher, ich komm schon nach“, und Jeremias flitzte davon, den Anschluss nicht zu verlieren, dabei zu sein, das war alles für ihn, und Halbord lächelte noch etwas schiefer und fühlte sich gleichzeitig überlegen, ja, was waren diese Kaufleute schon, mit ihrem Getue, das war nur ein Schauspiel für ihn, er konnte sie einordnen, ein für alle Mal bestimmen in seiner Welt, ihren Standort festsetzen, sie waren die, bei deren Anblick man ausrief, da stimmt doch etwas nicht.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 26.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)