Doch, der Grundsatz wurde in einigen kalten Ländern Recht. Den nämlichen kalten Ländern, die die Besucher jener Weibchen unter Strafverfolgung stellten, die ihre körperliche Bereitschaft verkauften. Ich habe schon davon gesprochen. Die Weibchen lebten vom Verkauf, und für die Männchen war der Kauf oft die einzige Möglichkeit, an ein wenig Nähe und Wärme zu kommen, wenn auch als Illusion und gegen Geld. Eben diese kalten Länder, die hier ermittelnd und bestrafend einschritten, stellten auch das einvernehmliche Zusammenkommen von Männchen und Weibchen unter Vergewaltigungsverdacht, wenn nämlich ein Weibchen „den Beischlaf gewährt“ hatte und sich nun hinterher „nicht mehr wohl dabei“ fühlte. In einem solchen Fall wurde dem Weibchen das Recht, zum Büttel zu gehen und die Sache überprüfen zu lassen. Fast immer stand dann Aussage gegen Aussage, sie hat „ja“ gesagt, beteuerte das Männchen, hab ich nicht, versicherte das Weibchen, routinemäßig wurde dem Weibchen geglaubt. Im strittigen Fall ist der Frau zu glauben, das stand so in den Unterlagen des Büttels. Keine Frau lügt, wenn sie so etwas sagt, riefen die Unterstützerinnen, die behördlich approbierten. Wir glauben der Frau! Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, sagen stets die Wahrheit! Immer! Warum sollte eine Frau so etwas erfinden? Keine Frau erfindet so etwas! Es ist denkunmöglich, dass eine Frau so etwas erfindet! Und selbst wenn das Weibchen zugab, deutlich „ja“ gesagt zu haben, was nützte es dem Tropf auf der Anklagebank. Ich hab nicht gewusst, was ich da sagte, ruft tränenüberströmt das Weibchen, ich war ja so unsicher, und der hat das gemerkt und hat meine Unsicherheit schamlos ausgenutzt, der hätte merken müssen, das ich das nicht wollte! Und wenn ich „ja“ gesagt hab! Ich hab „nein“ gemeint!
Vergewaltigung, urteilte der Büttel.
In der Fläche durchsetzten konnte sich solche Denke nicht, sonst wäre die Bevölkerung der betreffenden Länder schnell ausgestorben. Will sagen, die Männchen und die Weibchen trieben es auch weiterhin miteinander, nach ihrem Verlangen, und hielten den Büttel außen vor. Bedenkt dennoch, welche Tordiertheit die Geister eines Landes beherrschen muss, wenn sie im Ernst eine solche Gesetzeslage herstellen. Bedenkt auch, dass unter der Gerechtsame einer solchen Gesetzeslage die Stimmung zwischen Männern und Frauen nicht besser wurde. Wo solche Gesetze herrschen, liegt der Büttel immer mit im Bett, und dem Büttel gefällt das, aber was ist mit dem Vertrauen zwischen Männern und Frauen? Was mit ihrem natürlichen Gefallen aneinander?
Es versteht sich von selber, dass der Wahn gegen die Männer gerichtet war. Es war nicht vorgesehen, dass das Ding etwa umgekehrt lief, dass also ein Mann Sex bekommen hatte von einem Weibchen und nachher zum Büttel strömte und sich beklagte: Ich fühle mich gar nicht mehr wohl bei der Sache, ich weiß wirklich nicht, ob ich das überhaupt gewollt habe!
Der Junge kannte übrigens das Gefühl, von der rundlichen Brünette her, mit der war er ins Bett gestiegen, wiewohl er sie nicht leiden konnte, ich werde noch darauf zurückkommen, er hatte nicht gewollt und sie hatte das ganz genau gewusst, und je weniger er gewollt hatte, desto mehr hatte sie gezogen und hatte darauf bestanden, und sie hatten es getan.
Ich hätte das nicht tun dürfen, dachte er Zeit seines Lebens, er bereute die Sache noch, da er ein alter Mann war, es war schändlich, dachte er, schändlich und entwürdigend, und ich habe es gehasst.
Nach Maßgabe der neuen Taschendenke hätte er nun stolz sagen müssen, ich bin vergewaltigt worden, das verkniff er sich lieber.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 25.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)