Die Taschen wollten die neue Theorie ernsthaft durchsetzen. Dass sie die Wirklichkeit gegen sich hatten, war ihnen so wenig ein Problem, wie es je den Mützen den Stiefeln ein Problem gewesen war. Einfach behaupten das Ding! Einfach setzen das Ding!
Wirklichkeit, so wussten sie, ist nicht etwas, was uns begegnet, Wirklichkeit ist, was wir setzen.
Nehmt mal an, da kommen zwei zusammen, Männchen und Weibchen, und sind sich einig und tun die Sache. Das Weibchen überlegt sich die Sache nachträglich und geht zum Büttel und klagt: Ich fühle mich gar nicht wohl bei der Sache! Eigentlich habe ich das gar nicht gewollt!
Nun ist das Menschenlos. Das Menschtier tut, und nachher geht es hin und bereut. Sagt sich: Geschehen ist geschehen. Das nächste Mal bin ich schlauer.
Nicht so.
Du hast das nicht gewollt? fragt der Büttel. Hast du denn nicht „ja“ gesagt?
Hab ich nicht! ruft das Weibchen empört.
Und der Büttel schickt seine Gesandten aus gegen das Männchen und lässt es festnehmen, denn männliches Leben ist wertloses Leben, da ist schnell mal eine Festnahme keine Sache, und dann sieht das Männchen alt aus.
Ich verstehe gar nicht, sagt das Männchen, verängstigt und aufgebracht und ratlos, alles zusammen. Sie hat doch „ja“ gesagt!
Hab ich nicht! ruft das Weibchen empört. Oder ja doch, aber ich hab das nicht so gemeint.
Der Mann, notiert sich der Büttel, hat eine Atmosphäre der Intimität und des Vertrauens machiniert, um sich auf dieser Basis den Beischlaf zu erschleichen. Die Frau hat nur „ja“ gesagt, weil der Mann sie über seine Motive arglistig getäuscht hat. Das „ja“ der Frau bezog sich infolgedessen auf das nur vorgetäuschte Vertrauensverhältnis, nicht aber auf die tatsächlich vom Manne gewollte Ausbeutung des Frauenkörpers. Dieser Ausbeutung wollte die Frau auf keinen Fall zustimmen, sie konnte das auch gar nicht, da eine willentliche Zustimmung des Ausbeutungsopfers zu der an ihm vollzogenen Ausbeutung widersinnig und undenkbar ist. Das „ja“ der Frau bedeutete in Wahrheit also „nein“, und das musste dem betrügenden und ausbeutenden Manne unbedingt bewusst sein. Der Mann hat das glasklar implizierte „nein“ der Frau aber bewusst ignoriert, um sein Ziel erlangen zu können, nämlich durch den erschlichenen Vollzug des Beischlafs an dem wehrlos in seine Hand gegebenen Frauenkörper die Ausbeutung durchführen zu können. Der Mann hat diese Tat in freiem Willen in die Wege geleitet und arglistig und kaltblütig vollendet. Nach der Tat hat der Mann die Maske der Freundlichkeit und Zuneigung aufrechterhalten und die Frau damit in einen Zustand der Desorientiertheit und Verwirrtheit versetzt, der es ihr zunächst verunmöglichte, die an ihr verübte Vergewaltigung als solche zu erkennen. Erst in der Nachbearbeitung der Vorgänge, vor allem im Gespräch mit erfahrenen und im Übrigen behördlich approbierten Unterstützerinnen, gelang es der Frau, den von dem Mann an ihr verübten Missbrauch als solchen zu durchschauen und sich mit einer Anzeige an die Behörden zu wenden. Es ist gegen den Mann demnach das Strafverfahren wegen Vergewaltigung einzuleiten.
Auf den Punkt! ruft das Weibchen triumphierend. Bin ich froh, dass mir geholfen worden ist!
Das versteht sich doch wohl von selbst, rufen die unterstützenden Freundinnen empört. Die Zeiten sind endgültig vorbei, wo die Männer machen konnten was sie wollten. Wenn heute eine Frau zu den Behörden geht, kann sie sich darauf verlassen, dass sie ernst genommen wird!
Oh bitte, ich habe euch schon so viele Beispiele der Unzurechnungsfähigkeit des Menschtieres beigebracht, da sollte euch nichts mehr wundern.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 23.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)