„Still ist das heute …“ sagte Magdalena müde und lächelte.
Sie war noch schwach, noch so schwach, und ihre Gefühle tanzten und wechselten so seltsam, wie die Farben in einem Traum … schnell lachte sie, schnell war sie gerührt, dann standen ihr alsgleich die Tränen in den Augen, und ihre Hände zitterten, und vor allem ihr Kopf war schwer, schwer, sie mochte ihn immer nur wieder hinlegen, dass er sich ausruhe …
„Jaja“, antwortete Grand Mère, „hoffentlich sind die Männer bald fertig, unten, mit den Wagen.“
Sie saßen im Krankenzimmer, auf Magdalenas Bettstatt, und warteten, Magdalena war vollständig angekleidet, Grand Mère hatte ihr eine Wolldecke um die Schultern gelegt, dass kein kühler Hauch sie treffe, der Tag war regnerisch; draußen, in den dunklen Tälern der Zeit, wartete der Herbst.
Magdalena lächelte wieder. „Es waren doch nette Leute hier im Haus“, sagte sie.
„Jaja, nette Leute“, murmelte Grand Mère.
„Nur schade um den armen Großvater Hamann“, fuhr Magdalena fort, und die Tränen traten ihr in die Augen, „jetzt ist er tot und begraben, in der Erde …“
Grand Mère runzelte die Stirn. „Das ist dein Teil nicht, mein Kind, noch nicht, so ist’s besser, du besinnst dich auf dich selber, ja, und denk an Aslan, er bedarf deiner, deshalb solltest du bald wieder gesund werden. Und ein Heilmittel hat Vautrin geschaffen, das versagt nie: gute Gedanken, ja, so ist das.“
Magdalena wischte sich mit dem Handrücken die Augen, und Grand Mère küsste sie, und dann saßen sie wieder beide und warteten stumm. Es war still im Haus, unheimlich still, Leben müsste herrschen eigentlich um diese Zeit, Stimmen, Geräusche der Arbeit, der Tag hatte auch ganz normal angefangen, bei Sonnenaufgang, nach der ersten Hahnenkraht, dann aber war auf einmal Tumult gewesen und Gerenne, und dann war es still geworden, ganz still, und niemand hatte den Fremden etwas gesagt … sie mochten in ihren Zimmern sein, die Häusler, oder wahrscheinlicher, sie hatten sich versammelt, irgendwo, in den hinteren Teilen des Hauses, Anbauten gab es auf der Rückseite, die waren dunkel und vielwinkelig, auch die Kinder waren nicht dort gewesen, wer konnte sich auch auskennen an dieser Stätte, wohl hundert Räume hatte sie und mehr noch, wie der Händler Gelbmann gesagt hatte, und Dunkelheiten waren viel in den Gängen und Gemäuern, ja, das war es, die Häuser gebaren viel der Unheimlichkeiten, die Wege aber waren der Ort der Heiterkeit.
Grand Mère rutschte unruhig hin und her, dann stand sie auf und ging zum Fenster, das war offen, ließ die kühle Morgenluft herein. Sie legte die Hände auf die Fensterbank und beugte sich vor, um hinunter in den Hof zu spähen, dick, unglaublich dick waren die Mauern, man musste den Kopf ganz hinausstrecken, um etwas sehen zu können … Sie zog den Kopf rasch wieder zurück und sagte erstaunt: „Es scheint, sie spannen schon ein … wo nur Inge bleibt?“
Sie ging unschlüssig einen Schritt in den Raum hinein, auf die Tür zu, dann sah sie Magdalena an und fragte: „Was meinst du, schaffen wir es zu zweit?“
„Aber ja“, erwiderte Magdalena bereitwillig, „natürlich …“
Und Grand Mère half ihr beim Aufstehen, das ging noch leicht, oh, allzu leicht wohl, bitte nicht so schnell, auf einmal dreht sich alles …
Dann kam das Zimmer wieder zur Ruhe, und Magdalena stand, auf ihren eigenen Beinen, den linken Arm um Hals und Schultern Grand Mères geschlungen, und Grand Mère umfasste ihre Hüften.
„Nun komm“, sagte Grand Mère, „nur ein paar Schritte, es ist ja nicht weit.“ Und sie führte Magdalena durch den Raum, schrittweise, und öffnete die Tür.
Es war ganz still draußen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 18.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)