Unruhe war im Haus, die kleine schwarze Katze fühlte es. Sie hob die Pfote und leckte daran herum, unschlüssig, was sie unternehmen solle, und Moses Maimon lag da und träumte vor sich hin, mit verschleierten Ochsenaugen. Vielleicht würde sich etwas ändern, des heutigen Tages … er wusste es nicht, sie machten keinen Unterschied für ihn, die Tage, sie waren alle die währende Dauer des Augenblicks, vielleicht, dass da ein gewisses Ziehen war in den Muskeln und Sehnen, ein Verlangen, zu strecken und zu gehen … aber das war nicht sehr stark, er würde nicht aufstehen deshalb, nein, gewiss nicht.
Die kleine schwarze Katze saß auf dem Eckpfosten, der Moses Maimons Verschlag nach vorne abschloss, und wartete; sie fühlte, es würde etwas geschehen, und sie würde hier sitzenbleiben, bis sie wusste, was es war.
Sie saß aufrecht, die Vorderpfoten jetzt ordentlich nebeneinandergestellt, den Schwanz darumgeringelt, die Spitze zuckte in wenig, kaum wahrnehmbar, denn die kleine schwarze Katze spähte ziellos in dem dunklen Stall umher, immer mal wieder war da ein Geräusch, ein Knistern und Knacken, es raschelte im Stroh. Graues Tageslicht fiel herein, durch die Ritzen der Stallwände, trüb war der Himmel draußen, das würde noch regnen heute …
Schritte erklangen, da kamen zwei Männer, sie traten seltsam auf, nicht gerade verstohlen, nein, das wäre zuviel gesagt, aber doch so, als zweifelten sie an ihrem Recht, sich hier aufzuhalten, und auf jeden Fall beeilten sie sich sehr.
Die Stalltür wurde aufgeschwungen, und Aslan und Roger kamen herein, Roger blieb stehen und mühte sich ab mit dem Riegel des zweiten Flügels, der hakte gern fest.
Aslan trat zu den Verschlägen und rief: „Holla! Aufstehen, ihr Guten! Es geht weiter!“ Und Moses Maimon wuchtete sich auf die Beine, die kleine schwarze Katze saß auf ihrem Pfosten und machte große Augen: das war keine Kleinigkeit, wenn Moses Maimon aufstand, viel des Pustens und Schnaubens geschah, Staub wurde aufgewirbelt, schwer scharrten die Hufe am Boden.
Roger hatte endlich das Tor aufbekommen, hell fiel das Tageslicht herein, und Aslan öffnete die Verschläge.
„Oh, schau mal!“ rief Roger erfreut, der an keiner Katze vorbeigehen konnte, solche Leute gibt es, er näherte sich dem Pfosten, auf dem saß die kleine schwarze Katze und schaute erwartungsvoll. Er begann, sie zu streicheln, man merkte gleich, dass er etwas davon verstand, er strich ihr mit der gewölbten Hand über den Kopf, dass die Ohren flach angedrückt wurden, wenige Leute wissen es, aber das ist für kleine schwarze Katzen das Höchste, und für die anderen auch, besonders wenn man dabei wispert und flüstert, es ist ganz egal was, nur gewispert und geflüstert muss sein, und das ist wahr.
Aslan schaute kurz herüber, dann senkte er den Kopf und lächelte in sich hinein, du bist ein Kindskopf, dachte er und beschäftigte sich damit, den Ochsen die Halfter anzulegen, und Moses Maimon grunzte.
„Komm jetzt“, sagte Aslan zu Roger, und Roger trennte sich nur schwer, sie öffneten die Verschläge. Roger nahm Moses Maimon beim Halfter und führte ihn zur offenen Tür, gewaltig war der Ochse, der Boden schütterte, wenn er auftrat, und seine Bewegungen waren von der Gemessenheit, wie sie nur große Kraft und Masse verleihen, Schultern und Nacken wie ein Berg.
„Was machen wir?“ fragte Roger. „Gehen wir zweimal?“
Aslan zögerte einen Augenblick, überlegte, das war eine schwere Wahl, natürlich war es sicherer, zweimal zu gehen und die Tiere einzeln am Halfter zu führen, aber andererseits … schließlich siegte das Gefühl der Unruhe, das ihn schon den ganzen Morgen peinigte, und er sagte: „Bringen wir’s lieber hinter uns, du führst Moses Maimon, und ich mach mit Diogenes Laërtius den Abschluss, der ist leicht etwas unruhig … die anderen beiden mögen in der Mitte gehen, sie folgen Moses Maimon.“
„Ist gut“, sagte Roger. Er wartete mit Moses Maimon am offenen Stalltor, bis Aslan die Tiere versammelt hatte, dann ging er los, zog am Halfter, Moses Maimon stieß nach ihm, andeutungsweise, mit den Hörnern, das machte er immer, und dann folgte er doch willig, Hermes Trismegistos und Cornelius Agrippa glotzten dumm, als sie sich plötzlich alleingelassen fanden, und Aslan gab Hermes Trismegistos mit der flachen Hand einen Schlag auf die mächtige Ochsenwamme, es war nicht sicher, ob der das gespürt hatte, aber er setzte sich jedenfalls in Bewegung, mit weit vorgestreckter Nase, um wieder Anschluss an Moses Maimon zu bekommen, und Cornelius Agrippa trottete hinterher.
„Also“, murmelte Aslan, „und Vautrin sei mit uns.“ Er packte mit der linken Hand den entschaukelnden Cornelius Agrippa beim Schwanz, damit der das Gefühl habe, dass hinter ihm noch jemand sei, und mit der rechten Hand zog er Diogenes Laërtius am Halfter hinter sich her, das unruhige Tier folgte widerstrebend.
Die kleine schwarze Katze saß auf ihrem Pfosten und schaute zu, wie der letzte schütternde Ochsenhintern um die Ecke der Stalltür verschwand. Sie überlegte einen Augenblick und blinzelte hinaus in den Tag, dann sprang sie zu Boden, indem sie so weit wie möglich mit den Vorderpfoten am Pfosten hinunterglitt, bevor sie sich abstieß.
An der Stalltür angekommen, spähte sie erst vorsichtig um die Ecke, mit gespitzten Ohren und nach vorne gerichteten Schnurrbartenden, und dann machte sie sich eilends auf den Weg, den Ochsen nach, immer dicht an den Hauswänden entlang.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 14.07.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)