Ein richtiger Mann

Die ganze Geschichte des Menschtieres hindurch auf dem Planeten Erde hatten die Frauen den Männern haarklein vorgesagt, was ein richtiger Mann sei: einfach dadurch, dass sie sich nur einen solchen zum Mann nahmen. Einen, der sie schützen und versorgen und verteidigen konnte. Einen, der unter den anderen Männern was galt. Möglichst viel galt! Sie wollten einen richtigen Kerl, die Weibchen, keine Memme und kein Weichei und keinen Waschlappen, und was ein richtiger Kerl sei und was ein Waschlappen, das hatten sie schon immer gewusst, lange selbst bevor der eigentliche Waschlappen erfunden und in Brauch gekommen war.

Es waren immer die Weibchen gewesen, die durch ihre Blicke durch ihr Lächeln durch ihren Hohn durch ihr Entgegenkommen durch ihre Zurückweisung den Männern glasklar gemacht hatten, wie die sich zu verhalten hatten, wenn sie ein richtiger Mann sein wollten.

Nun ja, wenn es um die Weibchen ging, wollten die Männer schon richtige Männer sein, denn sie wollten ja die Gesellschaft der Weibchen, die bewundernden Blicke der Weibchen, sie wollten ihr Haus und darin das Weibchen mit den Kindern, und die Kinder sollten die eigenen Kinder sein des Männchens, und ein richtiger Mann war nur einer, der es verstanden hatte, ein Weibchen für sich zu gewinnen, ein möglichst hübsches, ein junges. Welch Menschmännchen ein hübsches junges Weibchen in seinem Haus hatte, zu dem blickten die anderen Weibchen bewundernd auf.

Das Kriterium der Weibchen war immer einfach: Status Geltung Stellung. Alles, was man sehen und anfassen kann. Nichts, was man sich erst vorstellen müsste. Bildung und Können waren den Weibchen immer egal, den Bizeps kann man sehen, das dicke Auto kann man sehen, die soziale Geltung kann man sehen an tausend Einzelheiten. Verblüffend, wie viele große Geister in der Geschichte des Menschtieres, männliche Geister notabene, allein geblieben waren, ohne Weibchen an ihrer Seite. Sie hatten nichts vorzuweisen gehabt, was die Weibchen hätten sehen können, und wenn ihre Romane nicht gelesen ihre Musikstücke nicht gehört ihre Bilder nicht bewundert wurden, was galt das dann den Weibchen? Manch einer schlug sich mit einem Brotberuf durch, und dann bekam er eine Frau, nach Maßgabe des Status, den ihm der Brotberuf erwarb. Das ewig lange Sitzen des Männchens, am Schreibtisch, nach Feierabend, ärgerte dann das Weibchen, mach lieber was, was Geld ins Haus bringt! Wir müssen endlich das kaputte Wasserrohr bezahlen!

Letztlich hatten die Weibchen mit ihren Männern das bekommen, was sie immer gewollt hatten, und da sie es nun hatten, waren sie gar nicht zufrieden damit.

Die hübschen Weibchen abzukommen, war immer ein Motiv für die Männer gewesen, erbittert nach Geltung zu streben. Nicht das einzige, die Männer hatten auch noch andere Dinge im Kopf, sonst wäre es mit der Zivilisation des Menschtiers nicht vorangegangen. Und keineswegs hatten die Menschmännchen alleweil nur die Weibchen beeindrucken wollen, sondern vor allem ihresgleichen. Die Anerkennung durch andere Männer gilt den männlichen Menschtieren viel, besonders die zähneknirschende. Die Verhältnisse lagen also kompliziert, viel komplizierter, als die Taschen gelten lassen wollten, eines aber ist gewiss: Die Männer gegen die Frauen, das hätte nur funktionieren können, wenn die Männer immer und überall, hinweg über alle Grenzen von Macht und Klasse und Besitz und Stand, sich zuerst als Männer betrachtet hätten, deren Solidarität ein gemeinsames Ziel einte: die Frauen niederzuhalten.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 29.06.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)