Krankenwäsche

Eluard trat ein in das Zimmer, und Inge folgte ihm, mit der freien Hand die Tür schließend.

Des Großvaters Bett war schon entfernt worden, und sie hatten das Magdalenas weiter in den Raum hinein geschoben, es war ja nun Platz, und Magdalena saß aufrecht darin und hatte die Augen offen und lächelte und redete mit Grand Mère, die im Stuhl neben ihr saß, mit dem Rücken zum Fenster.

„Ach, da kommt Inge mit dem Wasser … und bringt gleich den kleinen Eluard mit, das ist ja eine Freude …“

„Ja“, sagte Magdalena, „ich freue mich so, dich zu sehen … geht es dir denn gut, mein Kleiner?“

Und merkwürdig, es glänzte fast wie Tränen in ihren Augen, als sie das sagte, und es war Unruhe in Eluard, Angst, die alte Angst, und doch gleichzeitig Hoffnung, und er ging hin zu ihr, und sie küsste ihn. Sie roch sehr streng, nach getrocknetem Schweiß und Urin, und war trotzdem warmes Leben unter ihrer Haut, und die Augen blickten klar und voll Ruhe.

„Nun wart einmal …“ sagte Grand Mère, und sie erhob sich und trug den Stuhl um das Bett herum und auf die andere Seite, etwas weiter entfernt. „So, mein Lieber“, fuhr sie fort, „hier kannst du dich hinsetzen, wir müssen sie jetzt waschen, weißt du.“

„Ja“, antwortete Eluard und zog sich rückwärts hoch auf den Stuhl, seine Füße baumelten ein gutes Stück über dem Boden. Inge, die das sah, lachte und sagte: „Du musst noch wachsen …“ Und Grand Mère ergänzte gemütlich: „So gehört sich’s ja auch.“

Sie machten sich an die Arbeit. Sie deckten Magdalena auf, Grand Mère stützte ihren Rücken, und Inge, die beweglicher war, zog ihr das Hemd über den Kopf. Das kostete Mühe, Magdalena war noch schwach, und es fiel ihr schwer, die Arme zu heben, aber Inge war geschickt, und Grand Mère wusste alle Handgriffe, das war ja ihr Fach.

Sie war mager geworden, die arme Magdalena, hatte bald eine Woche nichts gegessen, aber nun würde es aufwärts gehen.

„Aslan wird mich nicht mehr mögen“, sagte sie bekümmert, „wenn ich so klapprig bin.“

„Ach was“, antwortete Inge vergnügt, „so schlimm ist das gar nicht, auf den Hüften ist schon noch was übrig, und die Brüste sind auch noch da …“

„Ja? Findest du?“ fragte Magdalena schnell.

„Aber ja …“ warf Grand Mère von hinten ein, „eine schöne Frau bist du, jeder wird das sagen …“ Und Magdalena wurde ganz vergnügt.

Sie war hübsch, mit runden Schultern, der Hals vielleicht ein wenig kurz, aber doch wohlgeformt, das passte nicht übel zu den vollen Brüsten, und rundliche Hüften hatte sie, aber keine Rede von Fett, sie war eine ansehnliche Frau, man konnte es nicht anders sagen.

Eluard saß auf seinem Stuhl, hielt die Hände gefaltet und schaute den Frauen zu. Inge tauchte ein Baumwolltuch in das angewärmte Wasser und fing an, Magdalena zu waschen, mit den Armen beginnend, es war eine gewisse Zärtlichkeit in der Art, wie sie den Arm ihrer Mutter hielt, und Magdalenas Hand hing locker hinunter, und entspannt, in weichem Bogen …

„Nun erzählt mir doch, wie es geht mit uns“, sagte Magdalena. „Die Männer. Was machen die Männer …“

Sie meinte natürlich nicht Aslan und Roger, wenn sie sagte, „die Männer“, die hatten sie ja schon besucht und geküsst und waren voll gewesen der Erleichterung, besonders der eine … nein, sie meinte das Geschäft.

„Oh“, machte Grand Mère, „ein Glücksumstand geradezu, der uns hierher geführt hat … verkauft haben wir wie nie, wahrhaftig, du wirst es nicht glauben, wenn du die Wagen siehst, gesehen haben die guten Leute hier seit langem keinen Kaufherrn, sie waren voll der Wünsche, jaja … einen guten Weg hat uns der Händler Gelbmann gewiesen, was wohl aus ihm geworden ist …“

„Und für uns?“ fragte Magdalena. „Was verlangen sie für uns?“

„Ha!“ rief Grand Mère, „gar nichts! Das ist das Gute, denk dir, groß sind ihre Ländereien und Felder, und groß ist das Haus, Aslan und Roger arbeiten mit auf dem Feld, und Inge wird auch gehen, morgen, und geben sie uns dafür Obdach und Nahrung umsonst, so dass wir nichts verlieren, gewinnen im Gegenteil noch dazu.“

„Ist das wahr“, murmelte Magdalena.

„Jaja“, antwortete Inge, „doch sind sie gut bedient dabei, unsere Arbeit ist ihres Lohnes wert …“

„Gewiss, gewiss“, sagte Grand Mère.

„Und außerdem“, fuhr Inge fort, „haben wir Frauen auch den Großvater Hamann zu hüten geholfen, groß war unser Fleiß und Mühe, so ist’s nicht geschenkt, wenn sie uns Obdach geben und Nahrung, fast will mir scheinen, sie kommen noch mit Vorteil davon aus der Sache …“

„Ja, durchaus“, sagte Grand Mère, „du könntest recht haben, wenn man es so sieht …“

Einen Augenblick herrschte Schweigen, Inge war am Rücken angekommen, und Magdalena musste sich weit nach vorne beugen, so dass sie einen roten Kopf bekam, denn schwach noch pulste ihr Blut.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 14.06.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)