Am Ende II

„Na, also, dann reden wir doch mal von deinen Leuten, schmpff. Du hältst dich für unentbehrlich, was, mein gutes Mädchen? Was du denkst, hehe.

Da ist da … wie heißt er gleich? Aslan, ja. Na, ein alter Mann schon. Wie? Doch, doch, ein alter Mann, fünfzig Jahre doch wohl wenigstens, na schön, ich gebs zu, gesund ist er, stattlich gar auch, ihr Frauen seht das wohl anders. Das ist dein Liebster, dein erster Mann, und auch dein einziger, na ja, so ungefähr dein einziger, hehe, erinnere dich, damals, hinter dem Brunnen, er war hübsch, der Junge mit den schwarzen Haaren und den strammen Schenkeln, oder nicht, tagelang bist du rumgelaufen und warst ganz durcheinander, bis es dann endlich passiert ist, oh, er hatte keine Mühe, dich zu überreden, und als du dann seine Stärke spürtest, hehe, hart und steil, was für Namen ihm du da ins Ohr geflüstert hast! ich wills gar nicht wiederholen, ich seh schon, du wirst rot … Und wenn ich recht verstehe, damals im Winterquartier, als dein Aslan mit der Kiepe unterwegs war, da wurde es so heiß, hinter dem Ofen, beim Brotbacken, weißt du noch, der Dorfherr da, schön war er ja nicht, aber stark wie ein Stier, hehe, schmpff, wie er dich einfach gefragt hat, ob du dein Kleid aufmachst, weil er nämlich deine Brüste sehen wollte? Und wie dus dann getan hast, oho, nach vielem Bedenken natürlich, und was dann passiert ist, hehe … zweimal musstet ihr unterbrechen, weil nämlich die Brote sonst angebrannt wären, aber dann habt ihr euch gleich wieder an die Arbeit gemacht, wacker wacker, hehe …

Aber davon wollte ich eigentlich nicht reden, schmpff. Aslan also. Der Herr der Wagen. Du glaubst, du bist seine Frau, naja, in gewissem Sinne stimmt das ja auch … aber was meinst du, wie nötig er dich braucht … ach, hör auf, schmpff, ein Weiberhirn hast du, wahrhaftig, sei ernst und denk nach. Hast du ihn einmal angesehen, von der Seite, wenn er die Ochsen lenkt? Natürlich hast du, ich sehs dir ja an. Er weiß nicht einmal mehr, dass es dich gibt. Genau genommen, er weiß von keinem Menschen so genau, dass es ihn gibt. Ist alles eine Sache der Gewohnheit, schmpff. Setz eine andere neben ihn, du wirst sehen, geht eine Woche hin, schon weiß er nicht mehr, dass es je anders war, so ist er eben, kannst ihn nicht ändern, schmpff. Gibt solche Menschen. Traurig? Woher denn. Du nimmst dich zu wichtig, liebes Mädchen, das ist es, hehe …

Was?

Nein, das erzähl ich dir nicht … natürlich weiß ich es, schmpff, aber ich sags dir eben nicht, das wirst du ihn schon selber fragen müssen, hehe, aber wenn du ihn danach fragst, dann versäum auch nicht, ihm von dem hübschen Jungen zu erzählen, was der für schwarze Haare hatte, und wie dir der Dorfherr seinen Brotheber gezeigt hat, hehe, und ein paar andere waren da doch auch noch, oder?

Was? Du liebst ihn aber? Jaja, was soll ich da sagen …

Na, und dann ist da Grand Mère. Schmpff. Ja, die schaut ihren lieben Aslan an, oh, nicht, dass sie dich nicht herzlich gern hätte, das musst du nicht glauben, alle habt ihr euch gern, hehe, ganz im Ernst … Aber denk mal nach, was würde sie sagen? Vautrin hats gegeben, Vautrin hats genommen, wir müssen es nehmen wies kommt, das würde sie sagen, und klater klater klater, hehe. Grand Mère ist der Hort der Geschichten, wie ihr das nennt, na, und genauso ist sie, schmpff, sitzt da, dick und fett, und sammelt die Dinge, und alles, was ihr begegnet, gilt ihr gleich, das nennt ihr Weisheit, glaub ich, aber ich kenn mich da nicht aus. Also, rechne nicht damit, dass ihr Herz brechen wird, überhaupt, gebrochene Herzen sind seltener, als du denkst …

Was?

Du findest mich ekelhaft, soso, schmpff. Na, weißt du, daran bin ich gewöhnt, wer viel reist, dem widerfährt auch allerlei Unbill, was solls, hehe … Sei du lieber vernünftig und sieh den Dingen ins Auge … du willst nicht? Ich hab dich gewarnt. Verlass dich drauf, der Tag kommt, wo dus ganz von selber tust, besser, du machst dich gleich daran und freiwillig.

Wie du willst.

Also weiter. Aslan, Grand Mère. Dann sind da die Kinder. Also Eluard, das Zuckerbübchen, den können wir beiseitelassen … und Waldemar, dein lieber Waldemar? Zugegeben, er wird dir ein Andenken bewahren … aber ohne dich auskommen – du hast ja keine Ahnung, wie gut der das kann, natürlich wird er weinen, klar, schmpff, aber Inge wird sich um ihn kümmern, weißt du, so wie sie sich schon um Eluard kümmert, und wie gern sie das tun wird! Hehe, da sieht man, wie blind du bist. Fünfunddreißig Jahre zählst du jetzt, jaja, und merkst nicht, dass dein schönes Töchterchen eifersüchtig ist … auf wen? Auf Waldemar natürlich, du Spatzenhirn. Ja, siehst du, du hast sie vernachlässigt, der kleine Junge ist halt doch noch klein und ein Kind und hübsch, und vor allem, er ist eben ein Junge, und du bist eine Frau, daran ist nun mal nichts zu ändern, was? Oh, natürlich, die Tränen würden der guten Inge fließen wie ein Gießbach, hehe, sie würde gar drohen, sich umzubringen, sehenswert wäre das, schmpff, und noch lange würde man davon reden, in diesem Haus, hehe. Und dann? Na, dann würde sie den kleinen Waldemar entdecken, den hübschen Kleinen, und der würde ja bei ihr bleiben, nicht so wie Eluard, den sie wieder hergeben muss … und der arme Junge, schmpff, er braucht doch auch eine Mutter, wie?

Und so wären sie alle glücklich und zufrieden.

Was bleibt dann eigentlich noch … richtig, Roger. Den hätt ich beinahe vergessen, jaja, der ist ein Problem. Was? Heilige Einfalt, er ist in dich verliebt.

Nur Ruhe, Ruhe, fang nicht an zu schreien, du weckst die dicke Alte, das hat sie nicht verdient, schmpff, so treu wie sie immer Wache hält bei dir.

Ja, also Roger. Ihr Weiber seid das Dümmste, was es gibt auf dieser Welt, ich habs immer gewusst, und jetzt kanns mir niemand mehr ausreden, bin schon zu alt … er grämt sich, der Gute, er hätt lieber dich als seine Inge, hehe, trifft man selten, meistens ist es eher der Schwiegervater, der gern mit dem Töchterchen … aber bleiben wir beim Thema, keine Abschweifungen, ich fühle schon den Morgen nahen, ich erledige meine Geschäfte am liebsten des Nachts, da stört es auch nicht so … Roger, der guckt dich oft an, wenn dus nicht siehst, schmpff, seltsam, dass du das noch nicht gemerkt hast … ach ja, und oft, wenn er bei seiner Inge liegt, stellt er sich vor, dass du es wärst, die er in den Armen hält, doch doch … Da wir gerade dabei sind, es ist vielleicht ein bisschen spät, wenn ich es dir jetzt sage, aber wirklich: du solltest nicht immer so laut stöhnen und schreien, wenn dein Aslan dein Gärtlein bestellt, hehe, allzu oft kommt es ja nicht mehr vor, aber immerhin … weil nämlich der arme Roger daneben liegt und es hören muss und sich grämt …

Oh ja, ich weiß ich weiß … grausam schmutzig hässlich … glaub mir, das alles gehört noch zu den harmloseren Namen, die mir schon gegeben worden sind, das kann mich nicht berühren, wahrhaftig nicht, schmpff …

Also Roger, jaja. Den würde es jammern, ja, er würde leiden, wirklich … aber siehst du, die Sache ist die, er würde in jedem Falle leiden, so oder so, das siehst du doch ein, oder?

Und trotzdem? Wie unbelehrbar du bist, na ja, so seid ihr halt, hab ich schon oft erlebt … Aslan nimmt dich als selbstverständlich, seiner Mutter ist es egal, deine Tochter ist eifersüchtig auf den kleinen Waldemar, und Roger ist in dich verliebt, aber es kann nie etwas draus werden … und trotzdem, du bleibst bei deiner Meinung? Wie? Ach so, das Leben, einfach so, das Leben, egal wie? Jaja, so seid ihr. Dumm.

Aber wie du willst.

Schau, der Morgen dämmert, noch ist es still, aber dort hinten im Osten, da singen schon die Vögel, die haben es besser als ihr, schmpff, die brauchen sich keine Gedanken zu machen. Auf jeden Fall, jetzt ist die stille kühle Stunde, da bring ichs gern hinter mich, eine schöne Zeit … Und die dicke Grand Mère wird gleich aufwachen, die murmelt schon vor sich hin, wie du siehst.

Weißt du, wenn ichs mir überlege: ich geb dir noch eine Chance, du tust mir leid. Du kannst noch ja sagen, noch bin ich hier … Denk gut nach …

Nein? Immer noch nicht?

Ganz wie du meinst. Ich habs dir angeboten … Aber jammer dann nicht, denn ich geh jetzt, und wer weiß, wann wir uns wiedersehen, du bist ja gesund, das kann dann lange dauern, verflucht lange, sag ich dir.

Ach ja, aber den Alten dort drüben, den nehm ich doch noch mit, macht ja keine Umstände …

Also dann, leb wohl. Vielleicht find ich jemanden, der mir die Hose stopft, damit ich dann anständiger aussehe, das nächste Mal …

Und wie gesagt, ich habs dir angeboten, also schieb mir nicht die Verantwortung zu …

Und Vautrin sei mit dir, wie ihr sagt.

Na ja …“

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 28.05.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)