Schwarze Wesen

Warm war der Stall, und das gelbe Stroh raschelte.

Da waren die Winkel voll von Mäusen, graues Huschen und Trippeln der geschwinden Pfoten, auch schwirrten die Spatzen umher, flogen ein durch das offene Tor, und durch Spalten im Mauerwerk.

Man konnte schlafen, in der Wärme, dösen, auf weichem Stroh, mit einem Ohr lauschen auf all die Geräusche, nur mit einem, dann und wann regte sich das Vieh, Hörner schabten an den Holzverschlägen, Schnauben kam aus dicken warmen Nasen, schwer und gut.

Die kleine schwarze Katze liebte den Stall.

Sie war hier geboren worden, unter dem Stroh, die Mutter hatte sie geleckt, mit rauer Zunge, damit die Fruchthülle aufplatze, und kaum war die Nase befreit, da stach auch schon ein Halm hinein, und das erste, was das Kätzchen von sich gab auf dieser Welt, war ein kräftiges Niesen.

Der Stall war so gut wie die Welt, die Menschen kamen und stellten eine Schale hin mit Milch, jeden Abend, und da waren noch zwei Geschwister, beide schwarzweiß, übriggeblieben aus dem gleichen Wurf, und da saßen sie dann zu dritt und schlappten die Milch auf, mit hastigen Katzenzungen, und wandten sich und gingen wieder ihre eigenen Wege, bis zum nächsten Abend.

Und gut war es im Winter, wenn die Kälte knackte draußen und der Fluss gefroren war, da konnte man hineinsteigen in die Verschläge, ins Heu zu den großen Tieren, die standen und schnaubten, und die schweren Körper verbreiteten Wärme, dicke, dumme Wärme.

Die Nacht, das war Jagd, flüsternde Welt aus Geräuschen, Getrippel und Piepsen in der Finsternis, Rascheln und flirrende Schatten. Oh, behutsam musste man sein, die Pfote vorgeschoben, lautlos aufgetreten, weich im Stroh, das knisterte nicht einmal, die Ohrmuscheln nach vorne gewendet, dass sie jeden Laut auffingen, jedes Wispern der Dunkelheit, und die Nase sog die Luft ein, prüfend, schmeckend, da waren tausend Gerüche, und irgendwo dazwischen, da war Leben, huschendes graues Leben.

Vorsicht mit dem Schwanz. Manchmal begann er zu zucken, ungewollt, im Jagdfieber; der ganze Körper war unbewegte, sprungbereite Spannung, jede Sehne, jede Fiber konzentriert, und dann schoss die angehaltene Spannung hinein in den Schwanz, bis in die Spitze, und die Spitze begann zu zucken, nur die Spitze, und dann raschelte das Stroh, und alles war verloren, fort die Beute.

Am Tag war viel Schlaf, auch draußen in der Sonne …

Jetzt waren neue Tiere gekommen, vier an der Zahl, groß und schwarz, standen behaglich in den Verschlägen, kauten mit mahlenden Kiefern am Heu, schwer und geschwungen die Hörner, und zur Nacht lagen sie und pusteten, dass der Staub aufflog, blickten träumend vor sich hin, aus spiegelnden Ochsenaugen …

Die kleine schwarze Katze schlich um die Verschläge herum, weich die Pfoten im Staubgrund des Stalles, und spähte durch die Holzritzen hinein in die Verschläge. Da standen sie, die großen Tiere, und wie dick und schwarz sie waren, ja, wie schwarz, dachte die kleine schwarze Katze.

Der Geruch war stark, unbändig roch es nach Leben, nach durchwärmtem Fell und schnaubendem Atem, der würde im Winter zu weißem Dampf werden, trotzen aller Kälte, mit der siegreichen Wärme des Blutes.

Die kleine schwarze Katze blickte unschlüssig, so groß waren die Tiere, viel größer als die, die sonst in den Verschlägen standen, unbekannt …

Unbekannt. Gefährlich?

Die kleine schwarze Katze schlich sich wieder davon, suchte das raschelnde Stroh auf, voll war die Nacht von Geräuschen, und voll von jungen Mäusen, zart und unerfahren, drei konnte sie fangen. Sie verzehrte sie mit Sorgfalt, die Galle ließ sie liegen, und auch die Köpfe und Schwänze.

Schlaf kam, gegen Morgen.

Am Tag war Sonne, warme Sonne auf dem schwarzen Fell, die kleine schwarze Katze streckte sich aus auf einem Mauerstein und blinzelte hinauf in das goldene Gleißen, die Augen einen winzigen Spalt weit geöffnet, dass der Kopf durchbraust war von Fluten von Licht, und der Körper verschmolz mit der schwimmenden Wärme.

Kinder spielten im Hof, im Wald des Hofes, da waren helle Stimmen, schwirrten durch die Luft wie eilige Vögel, und irgendwann streichelnde Hände auf dem Fell, in dem war die Sonne gefangen, irgendwann …

War wieder Nacht, die Nacht der Geräusche im Stall, und die schweren Ochsen lagen mit mahlenden Kiefern, und käuten wieder, und die kleine schwarze Katze schlich unruhig um die Verschläge, so dick waren sie und so schwarz, so schwarz vor allem, dachte die kleine schwarze Katze.

Und war wieder Tag, goldener Tag, die Sonne lächelte auf ihrer langen Wanderung in den Herbst, die Blätter rauschten im Seidenwind. Da waren wieder Hände, die streichelten, und ein Schoß, auf dem schlief die kleine schwarze Katze eine ganze Stunde.

Am Abend vergaß jemand einen Kienspan im Stall, brennend, der duftete würzig, und über den Verschlägen war ein brauner Schimmer von Licht.

Zögernd streckte die kleine schwarze Katze den Kopf hinein zu dem dicken schwarzen Tier, schnuppernd, die Ohren nach vorne gewendet.

Der Ochse lag halb auf der Seite, die Beine angewinkelt, die Nase schläfrig am Boden; er blickte unbewegt, da war etwas, ja, ganz klein war es unter schwarz, und es roch nach Raubtier … der Ochse fühlte einen nadelfeinen Stich, das war die Warnung und die Bereitschaft zum Kampf, zur Verteidigung, aber gleich kam die schwere Ochsenstille und deckte alles zu, und er pustete durch die feuchten Nüstern und rührte sich nicht.

Die kleine schwarze Katze schlich ganz herein in den Verschlag, auf hohen Pfoten, und schaute, das war wie ein schwarzer Berg vor ihr, mit runden weichen Augen.

Die kleine schwarze Katze blieb einen Augenblick sitzen, aufgerichtet, wie es Katzen tun, und schaute den Ochsen an, unverwandt, und der Ochse schaute zurück.

Die kleine schwarze Katze stand auf und näherte sich dem Berg, sie schnupperte an der pustenden Nase, dann stellte sie sich zwischen die abgebogenen Hufe und setzte mit einem Sprung hinauf auf die schweren Schultern.

Die Ochsenhaut schauderte.

Die kleine schwarze Katze kletterte auf die weiche Stelle zwischen Schulter und Hals, dort rollte sie sich zusammen, Nase unterm Schwanz, und schlief ein. Wie dick er ist, und wie schwarz, dachte sie noch, und Moses Maimon hielt still.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 07.05.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)