Das war die Große Halle. Ein hohes Schiff, wohl doppelt so hoch als breit, Kreuzrippengewölbe von Pfeilern getragen; oben, im Dämmer, schimmerten Spuren bunter Bemalung. Die rechte Seite durchbrachen fünf schmale und hohe Spitzbogenfenster, ein jedes zusammengesetzt aus einer Vielzahl von Scheiben, in steinerne Rahmen gesetzt, Maßwerk und mildes Gitter, der größte Teil des Glases war erhalten, bunt und glitzernd, nur vereinzelt blitzten scherbenspitze Löcher, da funkelte das blaue Tageslicht herein, fast unerträglich hell.
„Das ist unsere Halle“, sagte Halbord stolz.
Hier also versammelten sich die Bewohner des Hauses, feierten ihre Feste. Ganz am Ende des Schiffes, unter dem fünften Fenster, ruhte der Herd, ein Ungetüm, wahrhaftig, da konnte wohl für alle gekocht werden und gebraten.
Sauber zu den Fenstern hin hatte man die Bänke und Tische zusammengeschoben, teilweise auch übereinandergestellt, und der Fußboden war reinlich gefegt. Er bestand aus Steinplatten, die waren vielfach geborsten und auch uneben, am musste achtgeben, nicht zu stolpern, an manchen Stellen gab es richtige Verwerfungen, steinerner Wellenschlag.
„Und was ist dort oben?“ fragte Eluard.
Ja, sieh an, die Halle wurde also auch als Speicher benutzt, als Vorratsgewölbe. An die linke, fensterlose Seitenwand des Schiffes lehnte sich ein hohes Podest, eine hölzerne Plattform, deren Ebene fünf Ellen über dem Fußboden schwebte; Steinkragen klemmten um die verstrebten eichenen Beine, zum Schutz vor Mäusen und Ratten. Eine bequeme Leiter wies hinauf, die besaß sogar ein Geländer, oder einen Handlauf eher, und auf der Plattform tummelte sich, man konnte es undeutlich erkennen von unten, die feiste Herde der Regale und Gestelle: alle wohlgefüllt.
Ein guter Platz war das, Lebensmittel aufzubewahren und was sonst verderblich ist, denn luftig hatte es die Ware da oben und trocken.
Eluard sah sich um, beeindruckt. Wie schön die Säulen waren, halb aus den Wänden hervorspringend und vielfach gebündelt, man hatte eiserne Haken eingemauert, wohl für die Fackeln und Kienspäne, man konnte sich vorstellen, wie das war, wenn hier gefeiert wurde: flackerndes, glosendes Licht, die Wärme des Herdes, Lachen und Reden …
„Kommt, wie steigen hoch“, sagte Halbord, und sie gehorchten, denn was Halbord sagte, das wurde getan.
Sie kletterten die Leiter hinauf zur Plattform, es roch nach Holz und Trockenheit, ein bisschen staubig war es auch, und oben knarrten die Bohlen.
Lili setzte sich einfach hin, auf den Boden, ein wenig zurück vom Rand, aber doch so nahe, dass sie gut in das Schiff hinuntersehen konnte, und Eluard tat es ihr nach. Hinter ihnen standen die hohen hölzernen Gestelle, die waren gefüllt mir Säcken und Flaschen und Kisten, auch eine Menge Holzroste lagen bereit, da würde man im Herbst die Äpfel auslegen.
Hoch wirkte das Schiff, wenn man von hier aus hinunter- und hineinschaute, fast noch höher als von unten, es war, als ob man schwebte … drüben, genau gegenüber, leuchteten die Fenster, und Eluard schaute, da blitzte und flatterte etwas, und durch eine der zerbrochenen Scheiben flog ein Vogel herein, schwirrte umher in dem hohen Raum und piepste, war eine Schwalbe, verschwand im Rippenschatten der Gewölbe.
„Die haben ihre Nester hier“, erklärte Halbord, „aber sie kommen auch sonst herein, wenn sie nicht brüten.“
So ist das eben mit Vautrins Wohnungen, Raum bieten sie für die Tiere und die Menschen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 25.04.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)