Fieberträume

„Sag ihm, er soll das Schiff anhalten“, murmelte Magdalena.

Grand Mère beugte sich über sie und strich ihr über das Haar und sagte: „Jaja, ist ja gut … es ist gleich vorbei …“

Magdalena warf sich herum, mit schweißnassem Gesicht, und klagte: „Das Ruder … schneidet das Wasser … blitzt immer … das tut weh …“

Sie sprach abgerissen, mit kindlich hoher Stimme, das hatte Grand Mère noch nie bei ihr gehört.

Dämmrig war das Licht unter der Plane, die Sonne stand noch nicht hoch, Vautrin sei Dank, gut war es, wenn es kühl blieb hier … Grand Mère kroch nach vorne und steckte den Kopf hinaus.

„Wie sieht es aus?“ fragte sie.

„Du siehst ja“, antwortete Aslan und wies unbestimmt mit dem Peitschenstiel.

Sie hatten den kleinen Bach überquert, an dem sie gelagert hatten, und das Gelände wurde reicher, fruchtbarer, die Wiesen standen hoch und grün, Gebüsch hob sich überall, und dichte Bauminseln, durchblitzt von Vogelgeschwirr, bald würde hier Wald sein, nur wenige Jahre noch, und die Eichen und Buchen hätten ihren Ort.

Das Land wellte sich, die Ochsen mussten angestrengter arbeiten, es ging bergauf und bergab, doch war die Straße gut gehalten, mit ausgeprägter Fahrspur.

„Eine Ansiedlung muss dort sein“, ergänzte Aslan.

„Ja“, antwortete Grand Mère, „Vautrin geb es.“

„Grand Mère!“ rief Magdalena von innen. „Komm doch her! Ich hab Angst.“

Grand Mère kroch mit eile wieder zurück. „Es ist ja gut, mein Kind“, sagte sie, „es ist ja gut, ich bin da …“

„Es geht mir schlecht“, klagte Magdalena, „ich hab solche Schmerzen, Grand Mère, was ist das? Muss ich sterben?“

„Aber nein“, antwortete Grand Mère und streichelte sie, „natürlich nicht, du wirst wieder gesund, du wirst sehen, Vautrin hats gegeben … Bald kommen wir an einen festen Ort, dort werden wir dich pflegen …“

„Ich friere …“ murmelte Magdalena und zog die Deck an sich, „es ist so kalt … Gelbmann …“ In ihren Augen flackerte Unruhe. „Gelbmann … der hats gewusst … du hast gesehen … wie der mich angeschaut hat …“

„Hätte Grund gehabt, sich selber anzuschauen“, sagte Grand Mère resolut. „Bleib jetzt still liegen, deck dich zu.“

„Aber es schaukelt so, es rüttelt, das tut mir weh!“ rief Magdalena und begann zu zappeln, dass sie die Decke von sich stieß, ihr Gesicht nahm einen kindlichen Ausdruck an, weinerlich, angstvoll.

„Es wird wieder gut“, sagte Grand Mère, fest und beruhigend, und brachte das Lager in Ordnung, das Lager bei dem Melassefass, zwischen den Waren und Gerätschaften, unter dämmernder Plane, über rumpelndem Rad.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 11.04.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)