Späne am Abend

Das Gold des Abends …

Schwerer wurde der Duft der Kiefern und sinnlicher, floss dahin als honigfarbene Schmelze, in der Glut der sinkenden Sonne.

Waldrand. Flutende Wärme des offenen Landes, über leichtem Sandboden. Wiesen im Abendlicht, flache Hügel, weidende Schafe, Purpur ausgegossen über die weichen Konturen.

Und dort ein Bach. Schlängelte sich zwischen den Hügeln; Gebüsch, und breitkronige Erlen.

Hier wollen wir rasten.

Auf halbem Weg zwischen Waldrand und Bach stand eine Esche.

Grau der Stamm, fast schwarz, und leise zischelten die gefiederten Blätter im Abendwind.

Hier hielten die Wagen, und Grand Mère entzündete das Herdfeuer, dass Wohnung sei.

Magdalena mochte erst gar nicht absteigen.

„Wie müde ich bin“, lachte sie, „ihr glaubt es nicht.“

Aber dann fand sie doch herunter und setzte sich neben Grand Mère auf den Boden. „Was ist mit dir, meine Tochter?“ fragte die alte Frau.

„Ich weiß nicht“, antwortete Magdalena. „Ich bin nur müde, es ist weiter nichts …“

„Es geht schon den ganzen Tag so, Grand Mère“, sagte Inge. „Sag ihr, dass sie hier sitzenbleiben soll und sich ausruhen, auf mich hört sie ja nicht.“

„Jaja“, sagte Magdalena und lachte, „es ist ja schon gut, mein schönes Kind, ich rühr mich nicht mehr.“

Grand Mère sah sie prüfend an, sagte aber nichts.

Aslan und Roger hatten zwischen den Wagen den Haublock aufgestellt und die Kiefernscheite herbeigeholt. Die zerschlugen sie jetzt mit großer Geübtheit zu Spänen, fingerdick und fingerlang. Waldemar und Eluard standen dabei und schauten zu.

„Siehst du“, sagte Waldemar, „die kann man verbrennen, die Späne, die brennen ganz lang und hell, man steckt sie in einen Halter und zündet sie an.“

Eluard schaute den flinken Äxten zu, wie sie mit blitzenden Schlägen das Holz spalteten. Aslan und Roger machten das sehr geschickt, aus dem Handgelenk, sie packten den Axtstiel unmittelbar hinterm Blatt, es sah mühelos aus.

„Wieso?“ fragte Eluard.

„Es sind eben Kiefern, und die brennen gut“, antwortete Waldemar.

„Ach so“, sagte Eluard, ohne den Blick von dem Schauspiel zu wenden, und dann fragte er wieder: „Wieso?“

„Viel Harz ist in dem Holz“, antwortete Roger, an Waldemars Stelle. „Und Harz, das ist wie Pech, es brennt lang und hell und stetig. Man kann das noch verbessern, dann taucht man die Späne eben in Harz oder Pech, das gibt einen hellen Brand … morgen früh werden die Späne ausgelegt und getrocknet, wir legen sie oben auf die Wagenplane, so können sie während der Fahrt in der Sonne trocknen … die Dörfler bezahlen immer gern dafür …“

Eluard hörte interessiert zu.

„Übrigens das Harz“, wandte sich Roger an Aslan, „wie ists damit, soll ich noch gehen?“

„Ja“, antwortete Aslan und warf einen flüchtigen Blick in die untergehende Sonne, „warum auch nicht …“ Und eilig ließ er die Axt weiterwirbeln.

Roger holte einen Eimer vom Wagen, klein und stabil, gefügt aus hölzernen Dauben, mit einem Eisenring zusammengehalten; und einen Holzhammer; ein kurzes, abgeflachtes Stück Eisen, ungefähr von der Gestalt eines Meißels; und ein Messer.

„Kommt ihr mit?“ sagte er zu den Kindern. „Ich geh zum Wald rüber.“

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 01.04.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)