Seltsam war der Mann.
Er kam den Weg herauf, den Kaufleuten entgegen, und er war seltsam.
Sechzig Jahre, wenigstens, eisengrau die stoppelig kurz geschnittenen Haare, hager und mager am ganzen Körper, die dürren Wangen schlecht rasiert, graues Gestachel und Altershaut.
Übrigens klein von Wuchs, der Mann.
Seine Kleidung von kaum zu bestimmender Farbe, schmutzig und ausgebleicht, ein Paar enge Hosen, das rechte Knie aufgeplatzt, der Rock ein lang herabhängender Lumpen, mit einem Riemen über dem Bauch zusammengebunden. Den Kopf verhüllte halb ein zerschlissenes Tuch, löchrig, an mehreren Stellen stachelten hervor die Haare. Obenauf saß ein weicher Rundhut, die Krempe hinten hochgedreht und vorne herabfallend, an dem steckte eine Feder.
Ein schwerer Weidenkorb am Rücken, ein Kiepe, an schmalem Brustriemen getragen, ungeschickt: man sah kaum, wie der Mann sich rühren konnte, der Riemen umschlang die Oberarme und fesselte sie an den Körper. Außen am Korb hingen ein ausgebleichter beinerner Löffel und, nun ja, ein Katzenfell, grau getigert.
An der Seite ein rostiges Messer und ein Beutel, der wohl nicht viel enthielt.
Zweierlei Schuhe trug der Bedürftige: am rechten Fuß einen ordentlich geschnürten Lederschuh, am linken nur einen offenen Schlappen, ohne Fersenteil; auch hielt er am linken Bein die Hose hochgekrempelt bis fast zum Knie, um die Wade war ein schmutziger Verband gewickelt.
Spitze Nase; und kleine, schwarze, flinke Vogelaugen.
„Vautrin sei mit euch – schmpff“, sagte der Mann, und er brachte es trotz des Riemens um seine Oberarme fertig, den Hut zu ziehen und zu schwenken mit ausholender Gebärde.
„Vautrin sei mit dir“, antworteten die Frauen von Wagen herunter, und Eluard und Waldemar traten einen Schritt zurück hinter die Ochsen und betrachteten von dort aus den Ankömmling.
„Ihr rastet hier?“ fragte der Mann, und hörte nicht auf, mit ruckartigen Kopfbewegungen um den Wagen herumzuspähen.
„Ja“, antwortete Inge, „unsere Männer sind dort – im Wald …“
„Ich höre – schmpff“, nickte der Mann, denn zwischen den Kiefern klangen hallend die Axtschläge hervor.
„Ihr seid Kaufleute, was?“ begann der Mann wieder.
Statt zu antworten, fragte Inge zurück, mit leichter Gereiztheit: „Und du? Wer bist du?“
„Sch“, warf Magdalena ein, „du …“
„Ich“, sagte der Grauhaarige und schwenkte wieder den Hut, „ich bin Gelbmann, der Händler, schmpff, und bekannt bin ich und geschätzt in dieser Gegend und in anderen.“
Er schien einen schweren Schaden im Gebiss zu haben, denn gelegentlich entströmte ihm, gegen seinen Willen, ein saftiger Zischlaut, und sobald er ihn hörte, presste er erschrocken die Lippen zusammen; da aber der Atemstrom noch anhielt, wandelte sich das Zischen in ein klangvolles Summen, so dass er die Lippen wieder öffnete und die gestaute Luft mit einem hörbaren „pff“ entwich. Dieses „schmpff“ schien ihm habituell zu sein, er brachte es mit großer Geläufigkeit hervor und flocht es unbefangen ein in den Strom seiner Rede, immer in dieser Reihenfolge, erst der scheinbar unwillkürliche Zischlaut, dann das erschrockene Summen, schließlich der abschließende Luftpfiff.
Magdalena nickte mit Höflichkeit. „Du hast recht, wir sind Kaufleute. Ich bin Magdalena, und dies ist meine Tochter Inge; und jene beiden dort sind unsere Kinder. Sei du uns willkommen, und teile den Rastplatz mit uns.“
„Vautrin segne euch, schmpff“, sagte der Mann, „erlaubt, dass ich es mir etwas bequem mache …“
Er schwang den Korb vom Rücken, stellte ihn auf den Boden, neben die Ochsen, und nahm Platz darauf.
Da saß er nun, stützte die Arme auf die Knie – das rechte ragte spitz zum Loch heraus – und sah die beiden Frauen von unten her an, ohne ein Wort zu sagen.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 26.03.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)