Sand

Klack – tapp, klack – tapp, machten die Ochsenhufe, und Magdalena gähnte.

„Oh je“, seufzte sie.

„Was hast du?“ fragte Aslan.

„Ich weiß nicht“, antwortete sie. „Ich bin so müde heute … meine Augen schmerzen …“

„Du wirst doch nicht krank werden?“

„Nein“, sagte sie, „aber ich krieg meine Tage, morgen oder übermorgen, das wird es sein.“

Sie lehnte sich zurück und ließ den Kopf in den Nacken sinken, mit geschlossenen Augen, dass die Sonne ihr Gesicht beschien.

Mittag.

„Die Sonne ist so warm“, fing sie wieder an. „Schön ist das, aber es wird bald wieder Herbst, die Strahlen sind schon schräg, ich spüre es …“

Der Weg führte nach Südwesten, der Sonne entgegen, durch lichten Kiefernwald, an helleren Stellen von Birken durchsetzt. Hart und festgefahren war der Boden, da wuchs kaum ein Grashalm, angenehm war das zum Fahren, aber Ansiedlungen waren hier nicht zu erwarten, so karg der Grund.

Voll bizarrer Gebärden stand der Wald, die vielfach erhobenen Kiefernarme winkten und gestikulierten in erstarrter Bedeutung. Die Sonne beschien die Stämme und verstärkte den rötlichen Schimmer, der war wie eine verborgene Glut, oder ein erlöschendes Feuer unter den blaugrünen Nadeln.

„Sandboden“, sagte Aslan.

Unfruchtbar war hier die Erde, der Mutterboden fortgetragen, die Winde hatten geweht über die Staubebene. Das war der Ort für Kiefern, sie hatten sich festgesetzt als erste, die Flugsamen waren gefallen in die Leblosigkeit, und waren Tausende verdorrt, aber einige eben doch am Leben geblieben, an geschützteren Stellen, zwischen Steinen oder zerbröckelndem Schutt, und waren gewachsen, und boten Schutz und Neuraum für andere.

Es gab auch feuchtere Stellen in der Sandebene, zwischen den roten Kiefernstämmen leuchtete da und dort helleres Silber, unter unruhig zitternden Blättern, das waren die Birken. Aslan dachte immer an Kühle und Einsamkeit, wenn er Birken sah, an die blassen Tage im Vorfrühling, da die Wolken sehr hoch stehen, und der feuchte Wind Streifen ferner Wärme mit sich trägt …

Er dachte er wusste nicht was, und fragte, halb zur Seite blickend: „Geht es dir besser?“

„Was?“ fragte Magdalena, aus dem Halbschlaf auffahrend. „Oh … ja, mein Lieber, es geht mir gut.“

Die Wagenräder rumpelten. Tief und hohl klang es in der harten Erde, als führe man über die Oberfläche eines gewaltigen leeren Holzfasses. Durchsetzt war die Luft von dem Geruch nach Harz, würzig und schwer, das fuhr hinunter in die Lungen, dass es prickelte, man atmete tief durch, ob man wollte oder nicht, die Nase wurde frei, der Atem leicht, Aslan blickte prüfend die Stämme entlang, dann warf er einen Blick hinauf zur Sonne, wenig über Mittag, wir haben gut Zeit …

Da war eine kleine Bucht seitwärts des Weges, eine Schneise, bewachsen nur von kniehohem Kieferngestrüpp, dorthinein lenkte Aslan die Ochsen, Moses Maimon bekam eine Gänsehaut, man sah den dicken Ochsenhintern schaudern, als die Kiefernnadeln am Bauch kratzten, aber er gehorchte doch, und Hermes Trismegistos machte willig mit.

Magdalena lachte. „Es kitzelt sie“, sagte sie. „Was hast du vor?“

„Wart mal …“ sagte Aslan und blickte sich halb um. Roger war ihm nachgefahren und abgestiegen und kam jetzt zum Kutschbock vorgelaufen.

„Was gibt es?“ fragte er zu Aslan hinauf.

„Hm“, sagte Aslan, „wir sind gut in der Zeit, es ist noch wenig über Mittag … schau die Kiefern, was denkst du davon, wenn wir Späne schneiden?“

„Späne“, sagte Roger und zog nachdenklich an der Unterlippe, „ein Schade wärs nicht, wir haben zwar noch, aber sie verkaufen sich gut …“ Er blickte an Aslan vorbei zu Magdalena und fragte: „Was meinst du?“

Magdalena antwortete: „Aslan hat recht, wir sollten es tun, und Grand Mère kann auch sammeln.“

„Gut“, sagte Roger, „dann machen wir uns gleich an die Arbeit, ich würd aber meinen, wir schlagen für jetzt nur die dicken Scheite, und schneiden sie zu Spänen des heutigen Abends oder an einem anderen Tag, wenn wir Zeit finden.“

„So machen wir es“, sagte Aslan. „Also hol Axt und Säge, und du …“

„Ich bleib hier sitzen“, sagte Magdalena, „und ruh ein bisschen …“ Sie lehnte sich zurück und legte den Kopf gegen den Planenrahmen. Aslan und Roger machten beunruhigte Gesichter, aber sie sagten nichts, und Aslan sprang herunter vom Kutschbock auf den sandigen, federnden Grund.

„Geh zu Inge“, wies er Roger leise an, „und sag ihr, dass sie nach ihrer Mutter schauen soll.“

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 22.03.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)