Und es regnete immer noch. So ist das eben, meinte Roger, und Moses Maimon stand dabei und grunzte missmutig.
Trüb war der Morgen, trüb und verhangen. Die Wiese lag im Dunst, nass und schwarz standen die Bäume. Es war kühl geworden, das machte die Nässe.
Aslan schüttelte sich, wusch sich das Gesicht in den nassen Gräsern, die Frauen taten es ihm nach, bleich die Schultern in dem spiegelnden Grün.
„Es ist gut, dass wir wieder einmal haben schlafen können“, sagte Roger, „die letzten Tage waren anstrengend.“ Er kratzte sich ausgiebig am Rücken, dann fuhr er fort: „Doch wäre es gut, wenn wir heute wieder einen Ort fänden, wo wir handeln können … unser letzter richtiger Verdienst lag in Reinhards Dorf, vier Tage ist das nun her …“
„Es wird schon werden“, meinte Aslan. „Schließlich ist dies eine vielbefahrene Straße, da wohnen auch Leute.“
„Jetzt kommt zum Frühstück“, sagte Grand Mère, „Handeln oder nicht, auf jeden Fall muss man immer was im Leibe haben.“
Sie hatte das Herdfeuer unter der Sequoia wieder entzündet, es blakte und qualmte, etwas Regen war eben doch durch das dichte Nadeldach gedrungen, aber alles in allem brannte es leidlich.
„Habt ihr gut geschlafen, ihr beiden Kleinen?“ fragte Magdalena, und Waldemar antwortete: „Oh ja, schon …“
Inge sah Eluard an, der unschlüssig neben Grand Mère am Feuer stand, sie betrachtete ihn, ganz aufmerksam und doch nach innen gewandt, als horchte sie dem nach, was er in ihr wachrief, dann sagte sie: „Kommst du zu mir, Eluard? Ich will dich kämmen.“
„Ja“, sagte Eluard und lächelte schüchtern, und sie zog ihn auf ihren Schoß. „Jetzt machen wir dich hübsch, pass auf“, sagte sie, und mit ihrem beinernen Kamm ordnete sie ihm die Haare, sie lachte, zog einen Scheitel erst auf der rechten Seite, dann auf der linken, und er ließ es sich gefallen, blinzelte nur, wenn es ziepte.
Magdalena sah ihrer Tochter aufmerksam zu, und Inge tat, als merkte sie das nicht, wie es eben die Frauen zu tun pflegen.
„Schau an“, sagte Roger und lachte, „du hast ihn adoptiert, hm? Denkt euch, heute morgen, als ich aufgewacht bin, da lagen sie friedlich zusammen, Arm in Arm – ich muss direkt zusehen, wo ich bleibe.“
„Oh“, sagte Inge, „jemand muss sich doch um ihn kümmern, oder?“ Sie sagte es ganz einfach, mit klarem Blick, ohne die Gereiztheit, die sie sonst gern zeigte, wenn Roger Späße machte.
„Aber natürlich“, rief Grand Mère, „du tust ganz recht daran, mein Kind … reden wir von etwas anderem … er wird ja ganz verlegen, der arme Junge.“
Eluard war rot geworden, er mochte es nicht, wenn ihn die Leute so ansahen, wer mag das schon, und Inge hielt die Arme um ihn geschlungen und küsste ihn auf die Haare, die sie doch so sorgfältig gekämmt hatte. „Geht es dir gut, mein Kleiner?“ flüsterte sie.
„Ja“, sagte Eluard, müde und mit schmerzendem Kopf, und dachte an Miriam.
„Wie hübsch sie aussieht, mit dem Kind auf dem Schoß“, murmelte Grand Mère, und dann seufzte sie.
Ach ja, bei Vautrin …
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 16.03.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)