Labyrinth

Und zog die Karawane weiter, geschlungenere Wege, und fand das Innen der Gehäuse: da wurden die Bauten mächtiger, und weiträumiger waren die Straßen, da bot sich Platz für anderes Wachstum.

Standen da hohe Mauern, vom Regen zerwaschen, und sahe der Blick durch die Fenster den Himmel, und wuchsen da in den Mauerritzen wuchsen da auf den Gesimsen wuchsen da auf den Fensterbrettern wuchsen da auf den Türstürzen die wehenden Gräser, darin die Vögel nisteten; und taten die Gräser ihre Arbeit, und tat das Moos seine Arbeit, und fruchtbar wurde der Stein.

Gewaltig war das Wachstum der Pilze im Innern, Wasser rann tropfend gleichförmige Wege, bildete dunkele Teiche in den Höhlen der Keller, darin blinde Salamander hausten, und bleiche Fische, die das Licht nicht sahen. Hing alter Moder in Fetzen von den Wänden, und waren die Außenmauern verhüllt von kletternden Pflanzen, die waren erfüllt vom Ernst ihres Wachsens.

Und waren da große Gebäude, die trugen auf stummem Rücken aus Sandstein die Haine der Stadt, das waren die Wälder auf den hohen Dächern, da rauschten die Kronen im siebenten Stock, und trommelte der Specht dort oben, in den kleinen Wäldern auf den Dächern, straßenzugentlang. Und schauten die Birkengebüsche heraus aus den Fenstern, grasumweht, verstreuten gelben Blütenstaub, im Frühling, und taten die Taten des Worts.

Ein Labyrinth waren die Straßen, müde und alt vor verwandeltem Stein, Raum boten sie dem Schutt, der sich löste aus den Mauern, von den Dächern, aus dem Staub und dem Lärm der Einstürze. Und Nahrung bot das Getrümmer, Wurzeln fanden sich bald und Fasern, die suchten Halt und wandelten den Mörtel in nährende Erde, wandelten, wandelten, wie es das Wort befahl, das Wort, das da heißt: wandellos.

Und kamen dahin die größeren Tiere, die lebten bei den Mäusen und Spinnen, den Vögeln und Schmetterlingen, kamen dahin zuerst die Ziegen, die kletterten auf den Hügeln aus Schutt, die fanden Nahrung in den ersten Trümmerblumen, in den Disteln und Nesseln, die nährten sie gut. Kam und schlich der Fuchs, der kleine rote Fuchs, und jagte nach den Mäusen und Schnecken und den kleinen Vögeln, so aus dem Nest gefallen waren. Kamen nach, gemessenen Flügelschwungs, die Sperber und Falken, die Weihen und die Milane, ein jedes in seinem Bezirk, dass die Nahrung reiche für alle, und kamen auch mächtige Uhus, doch wenige, und der Schattenflug der kleinen Käuzchen: die alle nährte die Stadt.

Und kamen da die Rehe, des Waldes entwöhnt, und lebten zwischen den Mauern, gefräßig, die rotbraunen Herden; und kamen auch die Kaninchen und Hasen, die fanden das Leben gut im Höhlengewinkel. Und fielen ein in die kleinen Haine der Stadt die Schweine, die kämpften mörderisch um Platz und Nahrung.

Auch lebten Bären in der Stadt, wenige, und sich meidend; die waren braun und schwer und fingen Fische im Fluss oder stellten nach den Ziegen und Rehen und kämpften sich empor alte Treppengemäuer, um an die Bienenstöcke zu gelangen, die summenden.

Und zog die Karawane weiter, und fand den Fluss, und fand die Brücke. Und ästelte der Fluss in tausend Armen, zerbrochen das Ufer, Wildnis aus Sumpf und trägen Wassern, da lebten die Ratten, die hatten es gut, und reich war von Muscheln und Fischen der Fluss, der nährte auch die Enten am Ufer und die weißen, jagenden Pelikane.

Und da stand den Fluss hinunter die Silhouette der Stadt; wie war das Gemäuer wild und zerwachsen, schaute aus tausend Augen hinunter aufs Wasser, aus grünen Augen, aus Augen des Lebens, und Wachstum war in der Höhlung der Fenster, in dem Schweigen der Höfe, in dem Geranke der Mauern, in der Fülle der Wege.

Sumpf war am Fluss; krochen hoch an den Mauern, um engdunkle Straße, die Algen und Moose, der feuchte Schleim, und Nässe war und Moder, und die Ratten sprangen, und sanken oft die Häuser dahin. Und waren da im Fluss die großen Sandbänke, die stauten das Wasser, dass es flach wurde und seinen Spiegel verbreiterte, hinein in die Straßen, dort murmelten die Wellen; schossen unruhig hin und her in den Sonnenflecken die Stichlinge und Karauschen, die Aale und kleinen Elritzen; anderes folgte nach. Und wusch und spülte das Wasser an den Brückenpfeilern: fraß Höhlungen in den Sandstein, Muscheln setzten sich fest. Oh, es würde kommen das Eis, und drücken gegen das alte Werk, und reiben und schleifen; und widerstehen würde noch der Stein; doch wie lange? wüsst niemand zu sagen.

Und zog die Karawane dahin, erdröhnte unter den Hufen der Tiere das Brückengewölb, murmelte unten der Fluss. Zog die Karawane dahin, und ist diese Stadt wie Tausende, und ist Europa voll von ihnen.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 24.02.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)