Die Biber

Aslan machte den Hals lang und mühte sich, zwischen dem Weidendickicht und den Erlen etwas zu erkennen.

„Das sieht aus wie …“

Ein Biberbau, das war es. Ein Damm riegelte ab den Fluss, die dicken Tiere mit dem braunen Pelz und dem Schuppenschwanz waren fleißig gewesen, die Ufergegend stand übersät mit den Stümpfen abgenagter Bäumchen. Der Damm hob sich gut zweieinhalb Ellen über den Wasserspiegel, ein Riesenbauwerk, der konnte auch Hochfluten standhalten, das ineinandergekeilte Gewirr der Stämme und Äste war elastisch und gerade deshalb eisenfest. An einigen Stellen hatten die Tiere Öffnungen gelassen, da rauschte das Wasser hindurch wie über einen Felsenfall, die Biber öffneten und schlossen diese Durchlässe ganz nach Belieben, damit regulierten sie den Wasserstand in ihrem Teich … es waren doch kluge Tiere, bei Vautrin …

„Schau mal, da!“ rief Waldemar begeistert und zeigte auf den Stauteich. Da schwamm ein Schwarm kleiner Enten, die Weibchen trugen sich unscheinbar, die Männchen aber strahlend bunt, grün und blau und rot, zu Segeln kurvten sich aufwärts die Flügelspitzen, in leuchtendem Orange, wie Edelsteine schimmerten die kleinen Tiere, wie schillernde Seide, und ihre Federn lagen so glatt, ihre Konturen waren so klar und scharf, dass man hätte meinen können, sie seine keine Vögel, sondern Boote, bunte Spielzeugboote, aus Holz geschnitzt.

„Oh …“ machte Eluard, träumerisch, und schaute.

„Wie hübsch sie sind!“ sagte der Maître, die Hände mit den Zügeln ausruhend auf die Knie gelegt. „Sie verbreiten sich stark, vor zwanzig Jahren noch hat es sie nur auf den Gewässern in den Städten gegeben, dort, wo Vautrin zwischen den Häusern Haine angelegt hat, mit Teichen oder sachten Flüssen – aber in letzter Zeit sieht man sie immer häufiger in der offenen Landschaft …“

„Man sieht“, sagte Grand Mère behaglich hinten, auf dem letzten Wagen, „wie Vautrin es eingerichtet hat: die Biber bauen einen Teich, um immer genügend Wasser zu haben, und dann kommen die Enten, und die Biber lassen sie als Gäste gelten, so will es Vautrin. Ein hohes Gut ist die Gastfreundschaft.“ Und Roger nickte beifällig.

Der Maître trieb das Pferd wieder an, er lenkte den Wagen, mühsam genug, durch das Uferdickicht am Damm vorbei, von einem Weg war hier nichts mehr zu sehen. Etwas flussabwärts lag, am Ufer angepflockt, ein breitbauchiger Kahn.

„Aha“, murmelte der Maître, „hier steigt er also immer um.“

Auf dem Damm hockte der eine Biber, und unten im Wasser plätscherte der andere. Sie gaben sich keine Mühe, sich zu verbergen, äugten nur, mit mäßiger Neugier, nach den langsam vorbeiknarrenden Wagen; sie waren durch Warlams Hin- und Hergerenne an Menschen gewöhnt. Übrigens waren es prächtige Tiere, mit glattem Fell und wohlgenährt, es ging ihnen gut hier in den Auwäldern.

Waldemar schaute. „Sind die groß!“ rief er, und zu Eluard gewandt: „Hast du sowas schon mal gesehen?“

Eluard schüttelte den Kopf. „Nein, noch nie“, und er machte große Augen.

Waldemar nickte. „Ich schon … aber meistens verstecken sie sich gleich, wenn man kommt, in ihrem Bau am Ufer, weißt du, dadrin wohnen sie nämlich, das sagt Aslan, unter dem Wasser, da ist eine Öffnung, und dann geht ein Gang hinein in den Bau, und ganz unten, am Teichgrund, da ist eine richtige Stube, aber ganz trocken … das stimmt doch, oder?“ Das letztere an den Maître.

Der Maître nickte. „Jaja, das ist ganz richtig, so machen es die Biber, wie Vautrin es sie gelehrt hat.“

Eluard sah den Damm an und stellte sich vor, wie es da innen in dem Bau abwärts ging, ein Schacht, ein Kanal, und unten eine richtige Stube, eine Höhlung, dunkel und gut, von Wasser ummurmelt, wo man es warm hatte, und sicher …

Vorbei.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 13.02.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)