„Denn siehe“, fuhr Aslan fort, „wunderbar sind Vautrins Werke: gelegt hat er den Reichtum in die Erde. Merk auf: In den Städten, und den großen Dörfern auch, allenthalben, findest du zum Fuß der Häuser großen Fund. Geh in die Straßen, beginne bei einer, vor großen Häusern. Hacke die Straße auf, grab einen Schacht, bei der Hauswand beginnend, hinüber zur anderen Seite. Und ist dein Graben tief genug, so triffst du, nicht weit von der Hauswand, auf ein wunderbar Gemächte: ein armdicker Schlauch, doch manchmal auch dicker, und fest. Und umhüllt ist der Schlauch von weichem Material, nicht unähnlich dem, aus dem deine Eimer und Geschirre bestehen, auch sind Stofffasern darin zu finden. Nicht immer ists gut erhalten, so wie Vautrin es hinterlassen, doch ist die Erde darüber unbeschädigt, hast gutes Glück du, du findest es heil und ganz, nicht hat die Zeit daran gebissen. Und was nun enthält der Schlauch? Hör und staune: feinste Adern reinen Metalls, Kupfer zumal, das kannst du gewinnen. Hör auf zu graben hinüber zur anderen Seite der Straße, nein, grab weiter dem Schlauch entlang, immer führt er in gerader Linie dich an den Häusern vorbei, zweigt zu den Häusern fort, doch führt weiter, so hat Vautrin ihn geschaffen. Und gräbst du den Schacht, und du findest den Schlauch, den köstlichen, zerschneidest ihn in Teile, die sammelst du auf, die nimmst du mit …“
Warlams Augen flackerten vor Gier, begehrt war reines Kupfer, einen guten Preis konnte man dafür erzielen, das war wohl wahr, und es stimmte auch, was Aslan sagte, er hatte diese Schläuche selbst schon gesehen, wunderbar waren die Städte und Vautrins Werke, und so klein die Kraft und Zahl der Menschen, sie zu nutzen … jedoch …
„Wohl geschützt hat Vautrin die Straßen“, sagte er bedenklich. „Pflaster deckt sie, hart und oft unzerbrochen. Ausschachten soll ich einen Graben, straßenentlang, den Schlauch zu finden, zu folgen ihm … das bedeutet Arbeit, harte Arbeit …“
„… mit Hacke und Spaten“, bestätigte der Kaufherr grimmig. „So ist es, Bruder Warlam, das ist der Preis. Doch waltest du der Mühe, sei gewiss, der Lohn ist dir sicher.“
„Was mach ich dann?“ fragte Warlam.
Aslan winkte ungeduldig mit der Hand. „Höre, Bruder Warlam … nun, ich will es dir sagen. Hierher bringst du den Schatz, den gefundenen, doch besser natürlich wäre, du wohntest in der Stadt, schlügest deinen Wohnsitz dort auf … nicht fern soll das Haupt des Menschen ruhen von seiner Arbeit, dass er bereit ist zu jeder Stunde … also du sammelst den Schatz, das hast du verstanden. Nun gehst du hin, entrindest den Schlauch, mit Messer und Schaber, befreist die Adern; was hängenbleibt, das magst du abbrennen, es geht ganz leicht, ist auch der Geruch nicht angenehm, das ist der Preis. Dann hast du die Adern, köstlich sind sie und rein, ja, du hältst sie in Händen, jetzt kannst du sie schmelzen …“
„Schmelzen?“ fragte Warlam verblüfft. „Wie mach ich das?“
„Schmelzen“, bestätigte Aslan. „Du baust einen Ofen, so rein ist der Stoff, nur mäßiger Hitze bedarf es …“
Warlam schwindelte es. Hacken, Graben, Zerschneiden, Schleppen, Schaben, Brennen, Schmelzen … wo ging da das Leben hin, das leichte, lustige? Wie würde er schwitzen müssen!
„Einen Ofen“, sagte er. „Nicht weiß ich, wie macht man das …“
Aslan sah ihn erkennend an und lächelte mild. „Vielleicht lässt du dir helfen, von einem Kundigen … ein Köhler vielleicht …“
„Ein Köhler wohnt hier“, sagte Warlam, „eine Tagesreise weit …“
„Nun siehst du“, sagte Aslan gemütlich, „überred ihn, zu kommen in die Stadt, dir zu helfen, du gehst und gräbst und sammelst, er bereitet den Ofen, lenkt die Schmelze, gewaltig ist euer beider Gewinn, wohlhabend wirst du werden, und weit wird sein dein Ruf unter den Menschen … stehen wirst du im Schweiß deiner Arbeit, umraucht vom Ofenfeuer, und schaffen wirst du und werken, knacken werden die Knochen dir, dass es eine Freude ist vor Vautrin und den Menschen, und wachsen sehen wirst du das Werk deiner Hände, das eigen Werk deiner eigenen Hände.“
Warlams Gesicht wurde immer länger mit Aslans Rede. So hatte er sich das mit dem Reichwerden nicht vorgestellt, und überhaupt, der Köhler … ein Bär war das, kein Mensch, schwarz und rußig, riesenstark und wild, voll tierischer Begierden, jawohl, ein Tier war der, womöglich gab es da noch welche, denen würde der wilde Bär angenehm erscheinen …
Gudrun tauchte auf zwischen dem Weidendickicht, das Tierchen, und sagte mit ihrer etwas rauen Stimme: „Da seid ihr … man sucht euch …“
Warlam starrte sie an. Nein, bei Vautrin, der Köhler würde ihm nicht beikommen, das würde er zu verhindern wissen, nun wirklich.
„Ja“, sagte Aslan, „Bruder Warlam, du hörst, Zeit wird es für uns, ich muss nun gehen. Meinen Rat hast du erfragt, ich gab ihn dir, wie ich ihn weiß, möge er dir zum Nutzen geraten.“
Und Warlam, noch immer mit den Gedanken woanders, murmelte: „Des sei dir Dank.“
Es würde sich nichts ändern in Warlams Haus und Wohnung.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 06.02.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)