Mädchen im Fluss

Waldemar saß am Flussufer, verborgen im dichten Weidengestrüpp. Grau war das Wasser, mit hellen Streifen, wie der Himmel, der sich mit dicken bauchigen Wolken bedeckt hatte. Warm war es … schwül, schon am frühen Morgen, ohne Sonne, die Luft war feucht, und weich, so weich, sie roch nach Regen, nach Fluss, nach Blättern, nach Erde, nach Wachsen.

Waldemar schaute, wie der Fluss dahinströmte. Die Weiden spiegelten sich. Unweit lag die kleine Bucht, wo des gestrigen Tages die Kuh geweidet hatte, wie seltsam, eine Kuh weidend im Wasser … ob sie heute wohl wiederkäme? Waldemar dachte daran, dass er Grand Mère fragen solle, was das für eine Kuh sei, die da in den Fluss stieg. Er hatte es gestern schon tun wollen, aber dann hatte er es vergessen, so viel war geschehen, Warlams Familie, der kleine Junge … Eluard. Jetzt würde er also bei ihnen sein, für eine lange Zeit, oh, ein Jahr oder so, ein Jahr … viel länger, als Waldemar denken konnte. Ein Jahr, was war das? Herbst Winter Frühling Sommer, das war ja ein ganzes Leben, übergenug, unerschöpflich, die Fülle der Dinge. Ängstlich war Eluard, er blickte so seltsam, lächelte schüchtern, fragend, als warte er darauf, dass man ihm sage, was zu tun sei – er suchte zu ergründen, was die Leute wollten, um sich danach zu richten, das machte seinen Umgang schwierig, immer musste man etwas entscheiden, etwas tun, etwas vorschlagen, etwas beginnen, ja, das war es, alles musste man selbst beginnen, und Eluard saß dabei und schaute wartend, fragend. Aber hübsch war er – Grand Mère hatte es gesagt, und Magdalena auch, sie hatten es alle gesagt, der Maître sogar hatte es gesagt und dabei verwundert dreingeschaut, Eluard war hübsch, helles Gesicht mit großen blauen Augen, blonden Haaren, die hatte er wohl von seinem Vater, dem sollte er ja ähneln, das war es, was sich die Leute einander erzählt hatten, von Anbeginn: hütet ihn wohl, er ähnelt seinem Vater … die sagten es zuerst, die den Maître Eluard noch gesehen hatten, und dann war die Kunde weitergezogen, wanderte mit dem Kind, wuchs mit dem Kind …

Waldemar nahm einen Stein auf von der Erde und warf ihn hinunter ins Wasser. Es gluckste dumpf, ohne zu plätschern, und der Stein versank im grauen Wasser, schlug kaum Ringe. Dunkel war der Morgen, so tief hingen die Wolken … es würde Regen kommen, die Mücken tanzten über der Wasserfläche, Regen, in weiten Fahnen, Waldemar spürte es, jeder spürte es, die Weiden dufteten grün, oh, sie würden den Regen lieben, Weiden können nicht genug Wasser haben.

Im Haus war Unruhe, man hörte die Stimmen bis hierher, doch sehr gedämpft. Die Kaufleute richteten die Wagen zur Abreise, Warlam bereitete vielleicht wieder einen Fischzug vor, einen Fischzug in die Stadt, wer weiß, und seine Frauen schnürten Eluards Bündel, viel würde es nicht sein, ein paar Kleider, Spielsachen, Dinge, die er geschenkt bekommen hatte, er hatte davon erzählt. Unruhe – deswegen war Waldemar herunter zum Fluss gekommen, er mochte nicht stören, würde überall im Wege sein, da war es besser, still zu sitzen zwischen den Weiden und dem Fluss zuzuschauen, dem dunklen Fließen.

Dick und weich die Wolken, weich die Luft, weich vor warmer Regenschwere.

Den Weg herab knirschte es leise, gedämpftes Tappen, das waren Gudruns nackte Füße, das Tierchen kam den den Uferweg herunter. Waldemar schaute auf und sah, dass sie nicht nach ihm suchte, sondern zum Wasser hinunterstieg, zu der kleinen Kuhbucht. Dort beugte sie sich nieder und ließ die Hand nachlässig ins Wasser hängen, bewegte sie hin und her, dass es leise plätscherte. Dann richtete sie sich auf, zog das Kleid über den Kopf und stieg in den Fluss hinein.

Waldemar hatte aufstehen und zu ihr hingehen wollen, ein bisschen mit ihr zu reden, aber jetzt blieb er sitzen, wo er war, er wusste nicht, warum, irgendwie war ihm danach; er blieb sitzen zwischen dem dichten Weidengebüsch und schaute dem nackten Tierchen zu, wie es ins Wasser stieg.

Sie war kräftig braun, am ganzen Körper, arbeitete des Sommers im Garten und bei den Tieren wohl meistens nackt, wie mans bei den Häuslern häufig sieht, auf dass der kühle Wind davontrage die Arbeitshitze. Die langen Haare hingen ihr ungeordnet über den Rücken, wirre Mähne von dunkelblonder Farbe – nicht nur dunkelblond, kupferne Lichter spielten, funkelnder Rotrost.

Sie stieg bis zu den Knien ins Wasser, die Bucht war seicht, leise plätscherte der Fluss vor ihren Schritten, das klang wie beifälliges Wispern, sie hielt sich aufrecht, ließ die Arme zur Seite hängen, der braune Rücken war schlank, darunter wölbten sich die Hüften, ausladend und kräftig. Der Hintern, das waren zwei pralle Halbkugeln, die wiegten sich, rieben sich aneinander; über den Schenkeln bildeten sie eine dunkle Falte, die verschwand und wurde glatt, als das Tierchen sich vornüberbeugte und Wasser schöpfte, die Halbkugeln traten ein wenig auseinander, ließen Raum für eine dunkle Rinne. Stämmig waren die Schenkel, doch nicht dick, man konnte sehen, dass Muskeln spielten unter der Haut, unter der braunen Haut, die schien übrigens auf den Schenkeln und auf den Halbkugeln, die jetzt leise zitterten, als das Tierchen die Arme bewegte und sich, vornübergebeugt, das Gesicht wusch, sie schien dort etwas rauer zu sein als am Rücken, kräftiger …

Der kleine Junge saß da, rührte sich nicht und schaute. Er wusste nicht, warum er sitzenblieb, ein Mädchen badete, was gab es da schon zu sehen … aber es war kein Gedanke an Weggehen.

Der obere Teil der dicken Halbkugeln spannte sich, als das Tierchen sich wieder aufrichtete. Sie hatte die Haare ins Wasser getaucht, hatte sie eine Weile treiben lassen mit dem Fluss, jetzt schwang sie den Kopf in einem Ruck zurück, dass die Haare, die langen blonden Haare mit den kupfernen Lichtern, in hohem Bogen durch die Luft geschleudert wurden und auf ihren Rücken zurückfielen. Es gab einen Nebel von sprühenden Tropfen, das war lustig anzuschauen, sie konnte es fast so gut wie ein Hund, der sich nach dem Bade schüttelt, eingehüllt war sie für einen Augenblick in gischtende Tropfen, dann hing ihr die Mähne ausgebreitet und wirr und feucht über Schultern und Rücken. Sie stand wieder aufrecht, schaute den Fluss hinunter, dann wandte sie sich um, die Arme hängend, und schaute dem Wasser nach, auf einem Bein stehend, das andere leicht angewinkelt.

Großäugig waren ihre Brüste, die braunen, strotzenden Brüste, die Höfe klar und kreisrund abgesetzt, erstarrt die Knospen zu schwarzen Perlen, schwarzen Flusskieseln, das wirkte die Kühle des Wassers.

Das Tierchen wandte sich gegen das Ufer, und Waldemar sah, dass über ihren ganzen Körper seidenfeine Härchen wisperten, überall, die liebkosten die braune Haut, in hellblondem Flüstern, doch spielten auch hier die kupfernen Lichter, dass der Körper glänzte wie das Fell einer Katze im Sonnenlicht: Küsse ausgetauscht zwischen brauner Haut und goldenen Härchen, von Luft umstreichelt, das Mädchen im Fluss.

Rund und kräftig war das Tierchen. Unter den festen Konturen der Brüste, den steifen Spitzen, schwoll der Leib reich und gewölbt, der Nabel war etwas breit gezogen, über dem weichen Schmer des Bauches … jetzt kniete sie nieder auf dem Grund, dass sie bis zu den Hüften tauchte ins Wasser, der Fluss plätscherte, begann mit dem Haarbusch zu spielen, den sie zwischen Beinen trug: sauberes Dreieck, dicht und gekräuselt, übrigens viel dunkler als die Mähne über Kopf und Rücken … das Tierchen begann sich zu waschen. Sie schöpfte Wasser, mit beiden Händen, und tauchte ihr Gesicht hinein, das Gesicht mit den lieben, dummen Augen und der stumpfen Nase. Dann pustete sie, rieb sich die Augen trocken und schöpfte erneut Wasser, wusch die Arme, den Körper, dass die Tropfen glitzernd hinunterrannen über die goldenen Härchen, die Brüste hinunter, abtropfend von den harten Knospen, hinunter den nackten Bauch, verschwindend im Nabel, im buschigen Dreieck, wo sie hängenblieben, versickernd, die Hände griffen zwischen die Beine, schöpften und rieben hin und her, und das Tierchen lächelte träumend, sie schloss gar die Augen, öffnete die dicken Lippen, ein kleiner Seufzer taumelte übers Wasser …

Und Waldemar fühlte auf einmal, dass ihm warm geworden war, ein seltsames Gefühl von Hitze flog ihm über Nacken und Gesicht, dass der Atem flach und fliegend ging, was war das nur; dann spürte er, dass etwas spannte, in der Hose, der kleinen Hose, er schaute nach, warf nur einen kurzen Blick: und sprang auf und rannte krähend den Uferweg hoch zum Haus.

Grand Mère stand auf dem Hof, mit einem der Wagen befasst, der war schon herangeschoben worden, die Ochsen standen bereits im Geschirr, Unruhe herrschte ringsum, der Aufbruch stand bevor.

Waldemar rannte hin zu Grand Mère, knöpfte die Hose auf und zeigte, was ihm geschehen war.

Grand Mère lachte Tränen.

Roger, der zufällig vorbeikam, sah und fing auch an zu lachen. „Ich werde es den Frauen sagen“, verkündete er, „dass sie sich jetzt in acht nehmen müssen, bei Vautrin!“

„Man sollte es nicht glauben“, sagte Grand Mère und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Er ist noch so klein, wahrhaftig, er übt sich früh.“

Und Waldemar schaute die Erwachsenen verständnislos an, was mochten sie nur haben? Warum lachten sie so?

Dann blickte er hinunter in seine geöffnete Hose und sah mit Erleichterung, dass es schon wieder vorbei war.

Das war ja noch einmal gut gegangen.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seite 02.02.2022, © Verlag Peter Flamm 2022)