… ich weiß, dass ich das bei anderer Gelegenheit schon dargelegt habe. Ich weiß, dass ich mich gelegentlich wiederhole. Aber ich will auch, dass ihr versteht. Will das unbedingt. Dieser Wille rechtfertigt, wenn hier und dort sich eine Wiederholung findet. Was immer ich euch unterbreite: ihr versteht es anders, da ihr es hört, anders, da ihr es erinnert. Niemals wird, was ihr jetzt hört, nachher, in der rückblickenden Erinnerung, gleich aussehen. Im Grunde müsstet ihr die gleiche Geschichte zweimal hören: einmal miterlebend, zum andern Mal verstehend. Verstehend aus dem heraus, was ihr dann schon wisst. Nicht anders versteht das Menschtier sein eigen Leben. Lebt es, und versteht es erst, wenn das Leben gelebt ist. Verstanden, das heißt immer und unausweichlich: vorüber. Nur was vorüber ist, wird verstanden. Um verstanden werden zu können, muss das Leben vorüber sein. Das Vorüber ist die Bedingung und das Um und Auf allen Verstehens. Immer ist das Leben schon weiter und um die Ecke, wenn es verstanden wird. Und verstanden ist dann das Vorüber, nie aber das Jetzt und schon gar nicht das Kommterstnoch. Und zuweilen, das Leben gelebt, offenbart es sich erst recht als unverständlich. Das Menschtier lebt, und denkt während es lebt: alles klar, alles wie es sein muss, kein Problem, verstehe alles, überall Licht, überall Offensichtlichkeit – und ist das Leben dann vorbei, spricht dasselbe Menschtier über dasselbe eigene Leben: Was war das denn? Habe nichts verstanden. Gar nichts.
Das letzte unwiderrufliche Verstehen wird erst geschlendert kommen um die Ecke, wenn Zeit endet. Und die Bücher eröffnet werden. Dann wird SIE das Urteil vidimieren, das Urteil, das ein jedes Menschtier erschaut und benennt unwiderruflich als seine eigene selbstgeschaffene Wahrheit, und der Protokollführer wird die Notiz eintragen in die Bücher, und die Erwählten werden einziehen in die Ewigkeit, nicht aus Verdienst, sondern aus Gnade.
(Peter von Mundenheim, unveröffentlichte Zwischenbemerkung, veröffentlicht auf dieser Seite 14.12.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)