Erlanda beugte sich vor, die Hände auf die Schenkel gestützt, dass die Ellbogen nach außen winkelten, und schaute blicklos hinunter ins fließende Wasser und lauschte, Grand Mères flüsternde Lippen ganz nahe an ihrem Ohr, und erhörte:
„War da ein Mann, der lebte am Fluss, hatt gut zu leben, musste sich plagen, doch gibt’s Vautrin, wies ihm gefällt. Merk auf. Lebte ein Mann am Fluss, am Wasser, am singenden Wasser, am murmelnden Lauf, und flossen die Tage, und war guter Dinge der Mann, denn es nährt ihn das Wasser, es nährte ihn gut. War ernsthaft der Mann, und ehrte das Wasser, und ehrte die Weiden, und stand sich gut mit Onkel Biber und Mutter Schwarzstorch. So war der Mann, hör‘s wohl. Und hatte der Mann ein liebliches Weib, mit Augen so still und grün wie die Weiden und kühl der Leib wies gleitende Wasser, die Brüste aus Milch und zart wie der Nebel am Morgen, verlangend der Schoß, die feuchte Höhlung, Vautrin hats gegeben, die dunkele Spalte, die gleitenden Säfte, dass Leben entsteh, verlangende Öffnung, die Kraft zu empfangen, die Furche im Pflug, dass Leben entsteh, dass Leben entsteh. Und warn da drei Kinder, die hatte die Frau geboren wies kam, mit leichter Mühe, das Wasserkind, und waren‘s drei Söhne, die schenkte Vautrin, die wuchsen im Leib, dem wasserkühlen, die wuchsen im Leib, Geheimnis steh still. Und war da der Fluss, und warn da die Weiden, und lebt da der Mann mit Frau und Kindern. Und war‘s jede Nacht, wenn Dunkelheit kam, huhu, da schützte Vautrin, am stillen Haus, da wohnte der Mann bei seiner Frau, und wars jede Nacht, bestellte den Acker, Vautrin gab die Kraft und stärkte den Pflug, empfing ihn die Furche, die Höhle, die dunkele Spalte, die feuchte Wohnung. Und war‘s jede Nacht, dann schlief der Mann, vom Werke erschöpft. Und Schlaf umfing ihn, hütet ihn wohl, im Dunkel zur Nacht. Und stand auf die Frau, auf leichten Füßen, schlich naus zum Haus, war weiß der Leib, im Dunkel zur Nacht. Und schlich in die Weiden, wer mocht es wohl leiden, und war dort die Nacht, die ganze Nacht. Und kehrte wieder, wenn Dämmerung kam, die Nebel im Reigen, vom kühlen Fluss. Und kroch ins Bett, war kühl und weich, wie‘s singende Wasser, wie‘s gleitende Wasser. Und kam ein Tag, da merkt es der Mann. Und sagt nichts der Mann, und verfolgte sein Werk. Und wurd‘s wieder Abend, und lag der Mann bei ihr, beim weichen Weibe, die öffnet sich ihm und spielt mit ihm wohl eine Stunde, und bracht er ihr die Milch seiner Lenden, empfing sie ihn wohl. Und streichelt er die weißen Brüste und wandte sich, der tat wie Schlaf. Und wars nur kurze Zeit, da erhob sich das Weib und schlich hinaus, auf leisen Füßen, dass keiner sie hörte, doch wachte der Mann. Und wartet nicht lang der Mann und erhob sich und folgt ihr. Und dunkel war die Nacht, mit weißem Licht, vom Mond gemischt. Und schritt zum Ufer die Frau, er folgt ihr mit tastendem Tritt. Und war sie nackt und hell und lief auf leichten Beinen, und schimmert wie Wasser, unterm Mond. Und ging zu den Weiden, genauen Wegs, ohne zu zögern. Und folgt ihr der Mann, sich bergend hinter den Stämmen. Und schritt sie zum Ufer, da war ein Baum, da war eine Weide, die stand da schlank, und rauschten die Blätter, die Ruten, doch war da kein Wind. Und ging hin die nackte Frau, mit schimmernden Hüften, auf leichten Beinen, mit biegsamen Armen, ging hin die Frau, umarmte den Baum, legt die Wange ans Holz, ging hin die Frau, schmiegte sich an den Stamm, ging hin die Frau, schloss die Augen, ging hin die Frau, begann zu singen. Und stand da der Mann, und verbarg sich der Mann, und schaute. Und liebkoste die Frau den Baum, und küsste ihn, und schenkt ihm ihre Brüste, und drängte die dunkele Spalte, die feuchten Lippen, wohl an die Rinde, und seufzte, und rieb. Und glänzten die Hüften im Mondlicht, und schimmert der Rücken, und blass ist das Grün der Weide, und leuchten die Arme. Und schaute der Mann im Versteck, und sah, und die Frau, das Wasserkind, spielt mit dem Baum und öffnet ihm ihren Leib und schmiegt sich an ihn, und windt sich, und singt. Und stand da der Mann und lauschte, die ganze Nacht, und hörte sein Weib seufzen und singen, und reden mit der Weide. Und kamen die Nebel, am Morgen, stiegen die weißen Streifen heraus aus dem Wasser, heraus aus dem Fluss, liebkosten die Bäume, sie kühlten die Frau, die hellen Nebel, sie küssten die schimmernde Haut. Und eilte der Mann, tastenden Tritts, und ging ins Haus, und legt sich ins Bett. Und wartet nicht lang, da kam die Frau, war kühl und weich, und sagt kein Wort, und legt sich ins Bett und schlief ein. Und wartet der Mann bis zum Morgen, und steht auf, sein Werk zu beginnen. Aber war Zorn in seinem Herzen, und war da die Eifersucht, der höhnende Affe, dass Vautrin uns beschütz, und ging er ans Werk, doch hatt er den Kopf beim Baum, dem verwünschten. Und dachte nichts andres. Und ging und schaute. Da stand der Baum, am Ufer, am Fluss, dem murmelnden, kühlen, hellen, da stand der Baum, und waren die Vögel in seinem Geäst, und schlank die Äste, und biegsam die Gerten. Und ging der Mann zurück an die Arbeit, bestellte das Haus, bestellte den Acker, und werkte und schaffte, doch war sein Kopf beim Baum. Und ging er ein ander Mal hin, und schlich sich, dass sein Weib ’s nicht merke, und schaute, und stand da der Baum, und ergrimmte der Mann, und gedachte des Weibes, des schimmernden Weibes, wie’s seine Lust, das feuchte Erzittern, dem Baume gebracht, die ganze Nacht. Und ging wieder fort der Mann, und suchte die Arbeit, und werkte und müht sich, doch war‘s ihm nichts nütze, er dachte des Baumes, des kühlen Weibes. Da nahm er die Axt – dass Vautrin dem Übel wehr! – und schultert die Axt und ging zum Fluss, ging zum Fluss, dem murmelnden, hinunter zum Ufer, und ging zu den Weiden, und ging zu dem Baum, und bedacht sich nicht lange und fühlte die Eifersucht und grimmte und quält sich und legt an die Axt. Und scharf ist die Schneide, da fallen die Schläge ins weiche Holz, und dauert nicht lange, da ist er durch, und steht noch der Baum auf wenigen Fasern, und legt der Mann Hand an und drückt: und neigt sich der Baum, da tönt vom Haus ein lauter Schrei aus heller Kehle, und fällt der Baum und poltert am Boden, es rauschen die Gerten, und bricht ab der Schrei. Und wirft der Mann von sich die Axt, und Angst ist im Herzen, dass Vautrin uns beschütz, und springt und verwünscht sich und rennt ins Haus und trifft die Söhne, die jammern und klagen und mühn sich, da liegt die Mutter, und ist kein Leben mehr in ihr, kalt ist der schimmernde Leib, und färbt sich die Haut wie‘s sprossende Grün junger Triebe im Frühling. Und wusst da der Mann, er hatt eine Nymphe zur Frau, und hatt sie getötet, als ihren Baum er gefällt. Da klagt er und jammert nützt aber nichts und trauert um das schimmernde Weib, und grämten sich die Söhne mit Schmerzen. Und sie gingen hin und begruben sie am Fluss, bei der gefällten Weide. Und murmelte der Fluss, und strömte das Wasser, und rauschten die Weiden. So sagt das Wasser, so sagen die Weiden, so hab ich gehört diese Geschichte, so höre du diese Geschichte, so sag es dem Wasser, und segne die Weiden, und segne die Menschen, dass ihr Herz leicht sei. So sei es.“
„So sei es“, bekräftigte Erlanda, der Geschichte nachlauschend. „So sei es. Da sind der Wunder viele.“
(Peter von Mundenheim, Fortsetzung der am gestrigen Tag veröffentlichten Passage, dieser Ausschnitt veröffentlicht auf dieser Seites 10.12.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)