Hoffnung

… in den Leben, da er seine Wörter seine Noten zu Papier brachte, sendete er sie hinaus, wie ein Schiffbrüchiger auf seiner Insel die Flaschenpost hinaussendet, hoffend gegen alle Hoffnung. Er malte sich aus in tausend Farben, wie Rettung kommen würde, Rettung von da draußen. Irgendwo, an irgendeinem Strand, würde einer die Flaschenpost finden, würde verstehen. Ja, die Post würde in die richtigen Hände geraten, und dann würde Rettung kommen von da draußen. Den können wir doch nicht verkommen lassen auf seiner Insel, würden gute Menschen rufen, und dann würden Schiffe in See stechen. Zu retten und zu helfen.

Er hoffte das, der Junge. Irgendwann erkannte er: das wird niemals passieren. Und hoffte dennoch weiter. Hörte niemals auf zu hoffen. Dachte stets: das kann doch nicht sein, dass ich hier festsitze. Dass ich verurteilt bin, hier zu verrotten.

Aber es kamen keine Schiffe. Gab es keine Schiffe da draußen? Oh doch, es gab Schiffe da draußen, aber sie hatten Besseres zu tun, als sich um diesen Schiffbrüchigen zu kümmern. Zuweilen wurden seine Flaschenposten gefunden. Belästiger! Will sich auch noch aufdrängen! Ein Hahaha, und dann glaubt der noch, er kann sich mausig machen! Den Generaldirektor, den werden wir dem schon austreiben! Gar nicht beachten, sowas. Soll er doch verrotten auf seiner Insel.

Immerhin, der Schiffbrüchige hatte den Himmel über seiner Insel. Konnte ihm niemand nehmen. Den Himmel und die Wolken.

Noch als alter Mann war der Junge froh um die Nacht draußen. Schlafen alle. Wenn sich was zusammenbraut gegen mich, dann nicht gerade jetzt.

Er hätte sich so gerne eingeredet, das sei bloß eine Angstvorstellung. Er wusste aus Erfahrung, es war die Realität. Wusste aus Erfahrung, es war töricht, Flaschenposten auszuschicken. Man würde sie vielleicht finden, und dann würden sie als Beweismaterial gegen ihn verwendet werden. Endlich was in der Hand gegen den. Was der da wieder geschrieben hat! Immer der!

Immer der! würden am lautesten die rufen, die bis zur Stunde von seiner Existenz nichts gewusst hatten.

Ungeheuerlich, was der da verzapft hat! würden am lautesten die rufen, die keine Zeile gelesen hatten.

So einen Scheiß hat überhaupt noch niemand aufs Papier gebracht! würden am lautesten die rufen, die gar nicht lesen konnten.

Der will sich bloß geltend machen! würde rufen der Chor. Der will bloß beachtet werden! Der will bloß auf sich aufmerksam machen!

Das hat der jetzt davon! würde rufen das Chor. Das hat der jetzt sich selber zuzuschreiben!

Irgendwann stand er doch am Strand, Flasche in der Hand, und holte aus zum Schwung, und warf. Sah eine Weile zu dem tanzenden Glas im Geklirr der Wellen, und dann trieb sie davon, die Flasche, mit ihrer Botschaft im Bauch.

Hoffnung, gegen alle Vernunft, gegen alle Erfahrung.

(Aus einem unveröffentlichten Manuskript Peter von Mundenheims, dieser Ausschnitt veröffentlicht 15.11.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)